Michelino Beach In Parghelia, Kalabrien, Italien
Getty Images/EyeEm/Francesco Bonino
„Tropikalisierung“

Warmes Mittelmeer als Sturmfabrikant

Seit Jahren wird das Mittelmeer immer wärmer. Heuer ist es besonders extrem, an manchen Stränden werden 30 Grad gemessen. Fachleute sprechen von einer „Tropikalisierung“ des Mittelmeeres, die sich auf das Ökosystem auswirkt. Durch die außerordentlich hohen Wassertemperaturen drohen im Herbst heftige Stürme.

Verheerende Waldbrände, ausgetrocknete Flüsse und Wassernotstand. Im Süden Europas jagt in diesem Sommer eine Hitzewelle die nächste, nicht selten hat es 40 Grad. In Italien ist 2022 auf dem Weg, das heißeste Jahr der Messgeschichte zu werden. Der Mittelmeer-Raum ist ein Hotspot des Klimawandels, befand der Weltklimarat (IPCC) in seinem jüngsten Sachstandsbericht.

Was an Land passiert, hat Auswirkungen auf das Wasser. Marine Hitzewelle nennen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Phänomen, wenn sich das Wasser über einen längeren Zeitraum dramatisch aufheizt. Heuer sind die Temperaturen schon seit Mai extrem hoch.

Mittelmeer warm wie die Karibik

Zwischen 27 und 28 Grad liegt derzeit die mittlere Temperatur an der Oberfläche des Mittelmeeres laut dem im spanischen Valencia ansässigen Zentrum für mediterrane Umweltstudien (CEAM). Die aktuellen Werte zählen zu den höchsten jemals gemessenen Temperaturen im Mittelmeer und sind eigentlich typisch für die Karibik.

Blick auf das Tyrrhenische Meer
Manuel Oberhuber
Das Tyrrhenische Meer ist mit bis zu 30 Grad besonders warm

Kaum mehr Erfrischung

In manchen Teilen des Mittelmeeres ist es noch wärmer. Badende finden an den Küsten der Balearen und im Tyrrhenischen Meer zwischen Korsika und Kalabrien im 30 Grad warmen Wasser derzeit kaum Abkühlung, um bis zu sechs Grad ist das Wasser hier wärmer als normal. Auch die so beliebte Adria hat schon seit Ende Juni immer wieder bis zu 28 Grad und gleicht eher einer Badewanne.

Ist das Wasser so warm, verliert auch die natürliche Klimaanlage beim Strandurlaub ihre Wirkung. Die tägliche Meeresbrise, der konstante Wind vom Meer aufs Land, sorgt normalerweise am Strand für erträgliche Temperaturen, im Gegensatz zum sich stärker aufheizenden Hinterland. Ist das Meer so warm wie heuer, ist auch die Meeresbrise ein heißer Föhn.

Neue Fischarten – Quallen als Spaßverderber

Experten warnen vor den Auswirkungen der „Tropikalisierung“ des Mittelmeeres auf die Fischerei und auf bestimmte Arten von Korallen, sie sorgen sich um die Veränderungen im Ökosystem.

600 tropische Fischarten haben sich bereits in den vergangenen Jahren im Mittelmeer verbreitet, sie sind etwa über den Sueskanal eingewandert und verdrängen heimische Arten, denen es zu warm wird. Denn wärmeres Wasser heißt auch weniger Sauerstoff.

Auch die Qualleninvasionen, die immer häufiger im Sommer gemeldet werden, sind ein Zeichen der klimatischen Änderungen. Darunter sind auch Feuerquallen, deren Berührung beim Menschen an der Haut schmerzhafte Verletzungen hervorruft.

Im Herbst drohen Medicanes

Für den heurigen Herbst bedeutet ein warmes Mittelmeer ein erhöhtes Potenzial für Stürme und Starkregen. Die Energie, die im Wasser gespeichert ist, verschwindet nämlich nicht so einfach, sie wird an die Atmosphäre abgegeben.

Wassertemperatur im Mittelmeer am 8. und 9.8.2022 (Tagesdurchschnitt in 1,5 m Tiefe) gemäß dem Modell „Global Ocean 1/12° Physics Analysis and Forecast“ des Copernicus Marine Service.

Gelangen ab September wieder Tiefs mit kälterer Luft in den Mittelmeer-Raum, können sich durch das warme Wasser Medicanes bilden. So werden im Mittelmeer hurrikanähnliche Sturmtiefs genannt. Sie können große Regenmengen in kurzer Zeit, heftige Gewitter und hohe Windgeschwindigkeiten mit sich bringen.

Ähnlich wie bei tropischen Wirbelstürmen bildet sich ein wolkenfreies Auge im Tiefzentrum aus. Letztes Jahr traf im Oktober ein Medicane Malta und den Osten Siziliens. Die Stadt Catania wurden unter Wasser gesetzt.

Trend zur Erwärmung seit Jahren

Das Mittelmeer heizt sich schon seit Jahren kontinuierlich auf – eine klare Folge der Klimaerwärmung, die sich nicht nur auf die Lufttemperaturen beschränkt. Alleine seit den 1980er Jahren ist das Mittelmeer schon um bis zu zwei Grad wärmer geworden.

Die Prognosen für die Zukunft zeigen eine weitere Erwärmung an Land wie im Wasser. Der klassische Sommerurlaub am Mittelmeer kann dadurch in Zukunft an Attraktivität verlieren. Und so kann es in Zukunft im Sommer öfter heißen: „Stockholm statt Rom“. So titelte die „New York Times“ unlängst und griff die mögliche Änderung im Reiseverhalten durch die Klimakrise auf.