Russischer Soldat in der Ukraine
AP
Ukraine-Krieg

Russland soll neue Kampfeinheiten planen

Russland rekrutiert nach Einschätzung britischer Geheimdienste zur Stärkung seiner Offensive in der Ukraine Freiwillige für ein neues Armeekorps. Fraglich sei aber, ob die nötige Truppenstärke erreicht werden kann. Unterdessen ist weiter ungeklärt, was zur Explosion auf einem russischen Luftwaffenstützpunkt auf der Krim geführt hat. Dabei sollen mehrere Flugzeuge zerstört worden sein.

Den Rekruten der neuen Einheit – Männern bis zum Alter von 50 und mit zumindest mittlerem Schulabschluss – würden lukrative Boni angeboten, hieß es am Mittwoch in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums. Es werde den Russen voraussichtlich aber nicht gelingen, das neue Korps auf die übliche Truppenstärke von 15.000 bis 20.000 zu bringen. Hauptquartier der neuen Einheit, die von den Briten als „3rd Army Corps (3AC)“ bezeichnet wird, soll Mulino, eine Siedlung im Gebiet Nischni Nowgorod östlich von Moskau, sein.

Rückschläge gibt es laut Ukraine für Russland auch auf der Krim: Bei der Explosion sollen laut ukrainischen Angaben mindestens zehn Flugzeuge zerstört worden sein. „Nach der Explosion, die wir gesehen haben, ist klar, dass das Kontingent der Luftwaffe getroffen wurde“, sagte der Sprecher des ukrainischen Luftwaffenstabs, Juri Ihnat, am Mittwoch im Fernsehen. Laut Ihnat sind dort Kampfflugzeuge der Typen Suchoi Su-30M und Su-24 sowie Transportflugzeuge vom Typ Iljuschin Il-76 stationiert.

Explosionen auf der Krim
Reuters
Zwei Detonationen mindestens soll es am Luftwaffenstützpunkt auf der Krim gegeben haben

Mindestens zwei Detonationen

Videos zeigen, dass es an mindestens zwei unterschiedlichen Stellen zu Detonationen kam. Offiziellen Angaben aus Moskau zufolge ist ein Verstoß gegen die Brandschutzregeln für den Vorfall verantwortlich. Viele Beobachter gehen hingegen von einem ukrainischen Angriff aus. Die Führung in Kiew hat nicht die Verantwortung für die Explosionen übernommen. Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak schrieb allerdings auf Twitter: „Das ist nur der Anfang.“

Explosionen auf Krim: Ursache weiter unklar

Nach den Explosionen auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim ist die Ursache weiter unklar. Spekuliert wird unter anderem über einen Verstoß gegen Brandschutzregeln oder einen Sabotageakt. Beobachter wiesen darauf hin, dass die ukrainischen Truppen mehr als 200 Kilometer entfernt seien. Bisherigen Berichten zufolge verfügt die ukrainische Armee bisher nicht über Raketen mit dieser Reichweite. Die Ukraine übernimmt nach den Worten des ukrainischen Präsidentenberaters Mychajlo Podoljak nicht die Verantwortung für die Explosionen.

Den Militärexperten des US-amerikanischen Institute for the Study of the War zufolge will die russische Führung einen ukrainischen Angriff aus Imagegründen nicht eingestehen. Dann würde Moskau einräumen müssen, dass seine Luftabwehr versagt habe, teilte das Institut in seiner Analyse mit. Einem Bericht der „New York Times“ zufolge hat die ukrainische Armee den wichtigen russischen Luftwaffenstützpunkt mit einer nicht genannten, selbst entwickelten Waffe attackiert. Die Berichte lassen sich nicht unabhängig verifizieren.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj versprach seinen Landsleuten am Dienstag erneut eine Befreiung der von Russland annektierten Halbinsel Krim im Schwarzen Meer. „Die Krim ist ukrainisch, und wir werden sie niemals aufgeben.“ Mit der Annexion 2014 habe Russland die Krim in einen der gefährlichsten Orte verwandelt. „Die Schwarzmeer-Region kann nicht sicher sein, solange die Krim besetzt ist“, sagte Selenskyj. „Dieser russische Krieg gegen die Ukraine, gegen das ganze freie Europa, hat mit der Krim begonnen und muss mit der Krim enden, mit ihrer Befreiung.“

Erneut Tote durch Beschuss in Ukraine

Die Kampfhandlungen gehen unterdessen unvermindert weiter. Durch nächtlichen Raketenbeschuss starben im ukrainischen Gebiet Dnipropetrowsk offiziellen Angaben zufolge mindestens 13 Menschen. Das teilte der Chef der regionalen Militärverwaltung, Walentyn Resnitschenko, am Mittwoch auf seinem Telegram-Kanal mit.

Zerstörtes Gebäude in Marhanez
Reuters/State Emergency Service Of Ukraine
Die Stadt Marhanez wurde beim jüngsten Beschuss am stärksten getroffen

Die beiden getroffenen Orte im Kreis Nikopol liegen dem zuletzt mehrfach beschossenen AKW Saporischschja gegenüber, am anderen Ufer des zum Stausee geformten Flusses Dnipro. Am schwersten habe es die Kleinstadt Marhanez getroffen. In der Stadt seien 20 mehrgeschoßige Gebäude durch den Raketenbeschuss beschädigt worden, darunter der Kulturpalast, zwei Schulen und ein Wohnheim.

Explosionen auf Halbinsel Krim

Der ukrainische Präsident Selenskyj verspricht den Bürgerinnen und Bürgern nun, die seit 2014 von Russland besetzte Halbinsel Krim zurückzuerobern. Am Dienstag kam es dort zu schweren Explosionen auf einer russischen Luftwaffenbasis. Die Ursache ist noch unklar.

Auf der Südseite des Flusses liegt rund 20 Kilometer entfernt das von russischen Kräften kontrollierte Atomkraftwerk Saporischschja. Die Ukraine hat russischen Truppen in der Vergangenheit mehrfach vorgeworfen, das AKW als Schutzschild für eigene Artillerie- und Raketenangriffe zu missbrauchen. Nachdem am Wochenende die Nuklearanlage selbst unter Beschuss geriet und beschädigt wurde, geben sich die beiden Seiten gegenseitig die Schuld an den Vorfällen.

AKW soll untersucht werden

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen soll sich nun auf Drängen Russlands mit der Lage im AKW befassen. Die Regierung in Moskau habe darum gebeten, dass der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, den UNO-Sicherheitsrat am Donnerstag über „Angriffe der ukrainischen Streitkräfte auf das Kernkraftwerk Saporischschja und deren mögliche katastrophale Folgen“ unterrichtet, hieß es aus Diplomatenkreisen.

Atomkraftwerk in Saporischschja
AP/Russian Defense Ministry Press Service
Das AKW soll nun von der IAEA untersucht werden

IAEA-Techniker sollen den Zustand des größten Atomkraftwerks Europas überprüfen. Die kritische Infrastruktur soll trotz Beschusses weiter intakt sein, laut Betreiber Enerhoatom läuft das Kraftwerk weiter, „mit dem Risiko von Verstößen gegen die Vorgaben der Strahlungs- und der Brandsicherheit“. Die Ukraine hatte bereits am Montag die Inspektion der von russischen Soldaten besetzten Anlage gefordert. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hatte den Beschuss des Kraftwerks „selbstmörderisch“ genannt und internationalen Zugang zum Gelände gefordert.

Das russische Außenministerium erhob seinerseits schwere Vorwürfe gegen die Vereinten Nationen. Die UNO habe „eine negative Rolle gespielt“, so Außenamtssprecherin Maria Sacharowa gegenüber dem staatlichen russischen Radiosender Sputnik. Sie warf den verantwortlichen Stellen der UNO vor, eine Inspektionsreise der IAEA verhindert und damit eine Eskalation der Lage provoziert zu haben. Im zuständigen UNO-Sekretariat solle man begreifen, „dass die Welt am Abgrund wandelt“.

G-7 will AKW unter Kontrolle der Ukraine

Die Außenminister der Gruppe der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G-7) fordern Moskau auf, Saporischschja unverzüglich wieder der vollständigen Kontrolle der Ukraine zu unterstellen. Das ukrainische Personal müsse in der Lage sein, seinen Aufgaben ohne Drohungen oder Druck nachzukommen, hieß es in einer Erklärung. „Es ist Russlands fortdauernde Herrschaft über das Kernkraftwerk, die die Region gefährdet“, kritisierte die Runde.

Das gelte auch für sämtliche anderen kerntechnischen Anlagen innerhalb der international anerkannten Grenzen der Ukraine. Die G-7-Außenminister warnten, das Vorgehen Russlands erhöhe das Risiko eines nuklearen Unfalls oder Zwischenfalls erheblich und gefährde die Bevölkerung der Ukraine, die Nachbarstaaten sowie die Weltgemeinschaft. Sie unterstrichen die Wichtigkeit der Entsendung von Expertinnen und Experten der IAEA in das AKW zur Überprüfung von dessen Zustand.