Stausee Mooserboden in den Hohen Tauern
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Wasser, Mobilität, Energie

Studie fordert mehr Weitblick bei Klimakrise

Die in den kommenden Jahren verstärkt erwarteten Klimaereignisse mit extremer Hitze und lang anhaltenden Dürreperioden können vielfältige und bisher häufig unterschätzte Auswirkungen auf die unterschiedlichsten Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft haben. Das hat eine am Mittwoch im Fachjournal „PLOS Climate“ veröffentlichte Studie ergeben. Ein vernetzteres Denken bei der Risikobewertung sei dringend notwendig, so der Appell aus der Wissenschaft. Wasser- und Energiekonflikte würden sich bereits abzeichnen.

Acht gut dokumentierte Extremereignisse der vergangenen zwei Jahrzehnte in Europa, Afrika und Australien hat Hauptautorin Laura Niggli von der Universität Zürich mit ihren vier Mitautoren und -autorinnen auf Auswirkungen in den unterschiedlichsten Sektoren untersucht. Unter die Lupe genommen wurden etwa die extreme Hitzewelle, die im Jahr 2003 in Europa rund 80.000 Tote forderte, und ein ähnliches Ereignis in Russland, wo 2010 über 55.000 Hitzetote gezählt wurden.

Die lang anhaltende Trockenheit in Kapstadt 2016 bis 2018, die drastische Auswirkungen auf Wasserversorgung und Nahrungsmittelproduktion hatte, wurde ebenso studiert wie die großen Buschbrände 2019/20 in Australien, die katastrophalsten in der Geschichte des Landes. Die ökonomischen und ökologischen Folgen seien außerordentlich vielfältig gewesen, so die Studie. Nicht nur der Gesundheitsbereich, auch Energie- und Wasserversorgung waren fast immer stark betroffen.

Planung im Energiesektor notwendig

Ein Problem dabei: Je heißer es ist, desto mehr Strom für Kühlung wird benötigt. „Die erhöhte Stromnachfrage während extremer Hitzeperioden kann eine Lücke zwischen Nachfrage und Angebot entstehen lassen“, heißt es in der Studie. „Zumal der Energiesektor bereits stark von Hitze- und Dürreextremen betroffen ist und unter Effizienzverlusten und Einbußen bei der Erzeugung als auch bei der Verteilung von Strom leidet.“ Ein aktuelles Problem – etwa im dürregeplagten Norwegen, in dem die Regierung Beschränkungen bei europäischen Stromexporten einführen möchte.

„Entscheidend ist, wo die Elektrizität herkommt und wie sie produziert wird. AKWs sind anfällig wegen ihres Bedarfes an Kühlwasser, der schnell im Konflikt steht zur Erhaltung der Flussökologie sowie zu der Nachfrage in der Landwirtschaft", so Niggli gegenüber der APA. „Wasserkraft, sei es in Form von Laufkraft- oder Speicherkraftwerken, ist anfällig gegenüber lang anhaltender Trockenheit.“ Hier müsse bereits frühzeitig das Management angepasst und nicht erst auf eine akute Dürresituation gewartet werden.

Wasserkonflikte zeichnen sich ab

Es würden zunehmend Konflikte ums Wasser offensichtlich werden, auch in den heimischen Alpenregionen. Diese Art der Stromproduktion stünde im Interessenskonflikt etwa mit der Bewässerung für die Landwirtschaft, mit der Beschneiung im Winter und mit ökologischen Fragen. „Wichtig bei der Stromerzeugung ist daher auch die Diversifizierung der Produktion und eine sektorübergreifende Planung mit Möglichkeiten flexibler Anpassungen zur intelligenten Nutzung mit geringer Verschwendung", so Niggli.

Prinzipiell steht in Österreich im internationalen Vergleich viel Wasser zur Verfügung. Laut einer Studie des Landwirtschaftsministeriums könnte die verfügbare Grundwasserressource bis 2050 jedoch um bis zu ein Viertel abnehmen. Gleichzeitig würde der Wasserbedarf in der Landwirtschaft bis 2050 jedoch zunehmen und könnte sich sogar verdoppeln, da aufgrund der Zunahme an Hitzetagen mit mehr Wasserbedarf für die Viehwirtschaft zu rechnen ist.

Dass Dürren verstärkt Konfliktpotenzial in der Landwirtschaft mit sich bringen und ein Umdenken erfordern, zeigt sich aktuell im Seewinkel im Burgenland. Die Grundwasserpegelstände an den Messstationen sind zum Teil so niedrig wie noch nie. Ohne Regen müssen die Landwirtinnen und Landwirte auf das Grundwasser zurückgreifen, wodurch der Wasserspiegel noch mehr sinkt. Das Land hat nun angekündigt, rechtliche Möglichkeiten zu prüfen, um die Bewässerung der Landwirtschaft einzuschränken – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Ausgetrockneter Zicksee im Seewinkel
ORF
Der Zicksee im Burgenland ist so trocken wie noch nie

Transporteinschränkungen und Schulschließungen

Laut der in „PLOS Climate“ veröffentlichten Studie könnte es zudem künftig im Transportwesen zu Behinderungen in der Flussschifffahrt aufgrund von Niedrigwasser oder bei Bahn- und Straßentransporten zu Verformungen von Schienen und Aufweichen von Asphalt kommen. Schulschließungen oder Veranstaltungsverbote könnten – wie etwa in Australien – ebenso die Folge sein wie Preissteigerungen in bestimmten Marktsegmenten.

Einzig im Bereich von Kommunikation und Internet konnten keine Auswirkungen konstatiert werden. Österreich wird in der Studie nur in bestimmten Bereichen, etwa Engpässen bei Grünfutter, der verminderten Beladung von Donaufrachtern bei Niedrigwasser und dem vermehrten Befall von durch Trockenheit geschädigten Bäumen durch Borkenkäfer, explizit erwähnt.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Doch verschont wird niemand bleiben, sind sich die Autorinnen und Autoren sicher: „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass sich die Art und das Ausmaß, in dem sich extreme Hitze- und Dürreereignisse auf die betroffenen Sektoren und Güter auswirken, wahrscheinlich zunehmen werden, und zwar in raschem Tempo." Es sei daher unerlässlich, Sektoren, Vermögenswerte und potenzielle Zusammenhänge zu berücksichtigen, auch wenn sie bisher nicht im Mittelpunkt standen.

Klimakrise als Katalysator

„In vielen Ländern des Globalen Südens ist Wassermangel bereits heute ein großes Problem“, so Isabella Szukits, Südwind-Sprecherin für Klimagerechtigkeit, gegenüber ORF.at. Zwar seien die konkreten Auswirkungen von Region zu Region verschieden, was aber oft beobachtet werden könne, sei eine verstärkende Wirkung von klimatischen Veränderungen wie Dürren und anderen Extremwetterereignissen auf bereits existierende Probleme. „Die Klimakrise ist oft ein Brandbeschleuniger für bereits bestehende Krisen.“

Das lasse sich auch bei Wasserkonflikten beobachten, ein besonders dramatisches Beispiel sei Guatemala. „Letztes Jahr gaben bei einer Untersuchung, durchgeführt von der Universität Bologna im Auftrag von Südwind, mehr als ein Viertel aller Befragten an, in ihrem Haushalt nicht genug Trinkwasser zu haben“, so Szukits. „Zusätzlich zur Klimakrise entziehen Bergbau- und Lebensmittelkonzerne der Landschaft enorme Mengen Wasser für Rohstoffextraktivismus und den Anbau von Monokulturen.“ Das führe dazu, dass die lokale Bevölkerung nicht genügend Trinkwasser habe und auch für die lokale kleinbäuerliche Landwirtschaft das Wasser fehle.

Luftaufnahme einer Nickelmine in El Estor im Nordosten Guatemalas
APA/AFP/Carlos Alonzo
In Nickelminen wie dieser in Guatemala werden Produkte für den globalen Norden hergestellt – auf Kosten Indigener

Kombinierte Krisenstäbe als Lösungsansatz

Die Studie zeige, dass die Resilienz des „Systems“ insgesamt angegangen und verbessert werden müsse. „Das heutige Krisenmanagement ist meist begrenzt auf die einzelnen betroffenen Stellen (z. B. Hitze, Wassermangel oder Strommangel), und es fehlen kombinierte Krisenstäbe verschiedener Bereiche, die sich gegenseitig beeinflussen“, so Studienautorin Niggli gegenüber der APA. „Insbesondere fehlt in den meisten Fällen ein gemeinsames Lagebild, das alle Bereiche beinhaltet und aus welchem entsprechende Folgerungen abgeleitet werden können.“

Krisenmanagement sollte sich vermehrt mit den Interaktionen zwischen den einzelnen wirtschaftlichen Sektoren beschäftigen und analysieren, wo es kritische Punkte gebe, die auch schwerwiegende Konsequenzen für andere Bereiche hätten, fordert Niggli. Wichtige Fragen seien etwa, wo und wie die Schäden exponentiell steigen können, und wie man den „Überlastfall“ verhindern könne. „Insgesamt muss das Krisenmanagement breiter und umfassender gedacht werden, weg von der Fragmentierung, Sektoralisierung und Silohaltung“, so der Appell der Wissenschaftlerin.

Im Globalen Norden müssten Prinzipien wie Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft in den Mittelpunkt rücken, fordert Südwind. „Länder des Globalen Nordens emittieren überproportional viel, was zu weitreichenden Auswirkungen im Globalen Süden führt, gleichzeitig gibt es auch unmittelbare Ungerechtigkeiten im Welthandel“, sagt Szukits. So werde etwa durch Müllexporte, Rohstoffextraktivismus, den Anbau von schädlichen Monokulturen und Lohndumping die Fähigkeit zur Anpassung an die Klimakrise im Globalen Süden stark vermindert.