Soldat vor dem AKW Saporischschja
Reuters/Alexander Ermochenko

Wachsende Sorge um AKW Saporischschja

Die Lage rund um das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja beruhigt sich nicht: Am Donnerstag ist das AKW nach russischen Angaben erneut unter Beschuss geraten – Russland und Kiew schieben sich gegenseitig die Verantwortung dafür zu. Die UNO forderte zu einer Einstellung der Kampfhandlungen auf, die USA wollen unterdessen eine entmilitarisierte Zone um das Kraftwerk.

„Kämpfe in der Nähe eines Kernkraftwerks sind gefährlich und unverantwortlich“, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums am Donnerstag. „Wir fordern Russland weiterhin auf, alle Militäreinsätze in oder in der Nähe ukrainischer Kernkraftwerke einzustellen und die volle Kontrolle an die Ukraine zurückzugeben. Und wir unterstützen die ukrainischen Forderungen nach einer entmilitarisierten Zone um das Kernkraftwerk herum.“

Zuvor kam es zu einem Appell von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres: Er rief dazu auf, „umgehend“ sämtliche militärische Aktivität rund um das Kraftwerk einzustellen und „nicht darauf zu zielen“. Wie die Ukraine und die USA sprach auch er sich für eine entmilitarisierte Zone aus. Sollten die „zutiefst beunruhigenden Vorfälle“ rund um das Atomkraftwerk andauern, könnten sie „ein Desaster auslösen“, so Guterres. Zur Lage in dem AKW soll – auf Betreiben Russlands – noch am Donnerstag eine Krisensitzung des UNO-Sicherheitsrats stattfinden.

Ukrainisches Atomkraftwerk von Saporischschja
APA/AFP/Ed Jones
Die Sorge um das größte AKW Europas wächst

Bei der Dringlichkeitssitzung wird der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, die 15 Mitgliedsstaaten über die Lage an dem Atomkraftwerk informieren und sich dabei zu Fragen der atomaren Sicherheit äußern. Er will nach Angaben der IAEA auch auf Bemühungen eingehen, „so bald wie möglich“ eine Expertenmission zu dem Atomkraftwerk zu schicken.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Untertags wurde das Kraftwerk erneut beschossen, wobei sich Russland und die Ukraine gegenseitig die Verantwortung für den Angriff zuschoben. Das ukrainische Energieunternehmen Energoatom erklärte, es habe fünf russische Angriffe nahe eines Lagers mit radioaktiven Substanzen gegeben. Ein Vertreter der prorussischen Behörden in der Region, Wladimir Rogow, schrieb im Onlinedienst Telegram, ukrainische Truppen hätten die Atomanlage erneut beschossen.

Später schrieb Energoatom, dass bei dem Beschuss Sensoren beschädigt wurden. Das berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP und berief sich auf eine Telegram-Mitteilung. Die Angaben lassen sich nicht überprüfen. „Die Situation spitzt sich zu, radioaktive Substanzen befinden sich in der Nähe und mehrere Strahlungssensoren wurden beschädigt“, hieß es weiter.

Größtes AKW in Europa

Das Atomkraftwerk in Saporischschja ist das größte in Europa. Russische Truppen brachten es im März kurz nach Beginn ihres Angriffskrieges gegen die Ukraine unter ihre Kontrolle. Nach den Angriffen vom Wochenende musste ein Reaktor heruntergefahren werden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte am Donnerstag, Russland könne in Saporischschja „die größte atomare Katastrophe in der Geschichte“ verursachen. Russland sei ein „terroristischer Staat“, der das Atomkraftwerk im Ukraine-Krieg als „Geisel“ nehme und zur „Erpressung“ nutze. Russland wiederum wirft der ukrainischen Armee vor, mit Angriffen die Sicherheit des Kraftwerks zu gefährden.

Schwere Schäden auf russischer Krim-Basis

Weiterhin Fragen warf am Donnerstag eine Reihe von Explosionen auf, die am Dienstag einen russischen Luftwaffenstützpunkt auf der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim erschüttert und schwere Schäden hinterlassen hat. Satellitenbilder legen nahe, dass es sich um einen gezielten ukrainischen Angriff gehandelt haben dürfte. Es gibt mehrere Theorien dazu – aber nur wenige Informationen.

Explosionen auf der Krim
Reuters
Die Explosionen auf der Krim sorgen weiter für Fragen

In internationalen Einschätzungen hieß es am Donnerstag, die Bilder von Planet Labs, einem US-Unternehmen, das Erdbeobachtungssatelliten betreibt, lieferten einen ersten wirklichen Eindruck von den Schäden auf dem Stützpunkt Saky im Westen der Krim – bzw. einen ersten Beleg für einen möglichen ukrainischen Angriff.

Bilder zeigen großflächige Brände

Satellitenbilder zeigen, dass es offensichtlich großflächige Brände gab. Die wichtigsten Pisten des Militärstützpunktes schienen intakt zu sein, allerdings sind deutlich mehrere ausgebrannte Kampfjets zu sehen. Sichtbare Krater deuten zudem auf einen Beschuss, welcher Art auch immer, hin.

In „inoffiziellen“ Berichten, hieß es am Donnerstag in Agenturberichten, sei davon die Rede, dass nicht näher benannte „Partisanen“ eine Rolle bei den Explosionen gespielt hätten. Russland spricht von einer Explosion in einem Munitionslager wegen nicht beachteter Brandschutzvorschriften.