Gegen den bekannten Wiener Integrationsexperten Kenan Güngör bestehen offenbar zwei Haftbefehle in der Türkei. Laut Güngör wird ihm dort Präsidentenbeleidigung und Terrorunterstützung vorgeworfen.
Güngör war seit sechs Jahren nicht mehr in seinem Herkunftsland Türkei, weil er eine Verhaftung befürchtet – eine offenbar begründete Sorge. Ein Anwalt habe in der Türkei bei der zuständigen Staatsanwaltschaft zwei Haftbefehle gegen ihn gesehen, sagte Güngör gegenüber Ö1.
Vorwürfe Präsidentenbeleidigung und Terrorunterstützung
Im ersten Fall werde ihm Beleidigung des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorgeworfen. 160.000 Ermittlungsverfahren würden die türkischen Behörden derzeit auf Grundlage eines solchen Vorwurfs führen. Im zweiten Haftbefehl gehe es um den Vorwurf der Terrorunterstützung, wohl wegen türkeikritischer Aussagen speziell zugunsten der Kurden in Syrien, so der kurdischstämmige Integrationsexperte.
Laut Güngör versucht die Türkei mit solchen Methoden, Hunderte im Ausland lebende Oppositionelle mundtot zu machen. Menschen würden sich etwa in sozialen Netzwerken nicht mehr trauen, „etwas Kritisches zur Türkei zu schreiben“. Sie hätten die berechtigte Sorge, dass sie bei der Einreise in die Türkei Probleme bekämen, sagte der deutsche Staatsbürger Güngör.
Außenministerium: Werden Fall verfolgen
Für die jüngsten Treffen von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit Staatspräsident Erdogan und von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) mit dem türkischen Außenminister zeigt Güngör Verständnis. Dass aber etwa auch Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei Erdogan zu Besuch waren, sieht er kritischer. Erdogan werde grundlos „hofiert“.
Aus der türkischen Botschaft hieß es heute, die Rechtssprechung in der Türkei werde von unabhängigen und unparteiischen Gerichten ausgeübt. Das Wiener Bürgermeisteramt sagte, man hoffe, dass sich das Außenministerium des Falles Güngör annimmt. Das Außenministerium wiederum versicherte, man werde den Fall verfolgen und mit den deutschen Stellen an Ort und Stelle in Kontakt treten.