Das UPMC Hamot Surgery Center in Erie
Reuters/Quinn Glabicki
Nach Messerangriff

Autor Rushdie wird künstlich beatmet

Der bei einem Angriff schwer verletzte Autor Salman Rushdie wird laut Angaben seines Agenten künstlich beatmet und könnte ein Auge verlieren. „Die Nachrichten sind nicht gut“, erklärte sein Agent Andrew Wylie am Freitag nach Angaben der „New York Times“. Der Polizei zufolge wurde Rushdie mindestens einmal in den Hals und den Bauch gestochen. Weltweit war das Entsetzen groß.

Der Schriftsteller wurde bei einer Lesung von einem 24-jährigen US-Amerikaner angegriffen. Das Motiv des festgenommenen Mannes aus New Jersey sei unklar, sagte ein Polizeisprecher. Der Vorfall ereignete sich bei einer Lesung im Ort Chautauqua im Westen des Bundesstaates New York. Der 75-Jährige wurde mit einem Hubschrauber in ein örtliches Krankenhaus gebracht.

Dort wurde er operiert – und seinem Manager zufolge an ein Beatmungsgerät angeschlossen. „Salman wird vermutlich ein Auge verlieren, die Nerven seines Arms wurden durchtrennt, und seine Leber wurde durch einen Stich getroffen und beschädigt“, sagte sein Agent laut „New York Times“. „Die Nachrichten sind nicht gut.“

US-Regierung verurteilt Angriff

Die Tat löste weltweit Entsetzen aus. Die US-Regierung zeigte sich entsetzt über den Angriff und verurteilte die Attacke scharf. Die USA und die Welt seien Zeugen eines „verwerflichen Angriffs“ auf den Autor geworden, erklärte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am späten Freitagabend (Ortszeit). „Diese Gewalttat ist entsetzlich.“

Autor Salman Rushdie
APA/AFP/Kenzo Tribouillard
Rushdie wurde wegen seines Werks jahrelang bedroht

„In keinem Fall ist Gewalt eine Antwort auf Worte, die von anderen in Ausübung ihrer Meinungs- und Ausdrucksfreiheit gesprochen oder geschrieben wurden“, teilte der Sprecher von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres am Freitag mit. Der US-Senator und Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, schrieb auf Twitter, die Tat sei ein „Angriff auf die Rede- und Gedankenfreiheit“.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb, Rushdie sei von „Hass und Barbarei“ getroffen worden. Der britische Premierminister Boris Johnson zeigte sich „entsetzt“. Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling und Bestsellerautor Stephen King drückten ebenfalls ihre Bestürzung aus und schrieben, sie hofften, es gehe Rushdie gut. Der US-amerikanische Autorenverband PEN America zeigte sich schockiert über den Angriff auf seinen ehemaligen Präsidenten.

Iranische Medien: „Tausende Bravos“

In iranischen Medien ist der Messerangriff hingegen begrüßt worden. In der regierungsnahen Zeitung „Kayhan“, deren Chefredakteur vom weltlichen und geistlichen Oberhaupt des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, ernannt wird, hieß es: „Tausende Bravos (…) für die mutige und pflichtbewusste Person, die den abtrünnigen und bösen Salman Rushdie in New York angegriffen hat.“ Weiter hieß es: „Die Hand des Mannes, der dem Feind Gottes den Hals umgedreht hat, muss geküsst werden.“

Die Schlagzeile der Hardliner-Zeitung „Vatan Emrooz“ lautete „Messer im Nacken von Salman Rushdie“. Die Zeitung „Chorasan“ brachte die Schlagzeile „Satan auf dem Weg zur Hölle“. Die Nachrichtenseite Asr Iran veröffentlichte ein Zitat von Chamenei, in dem es heißt, der vom ehemaligen iranischen Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Chomeini abgeschossene „Pfeil“ werde eines Tages das Ziel treffen. Von der Führung in Teheran lag noch keine Stellungnahme vor.

Hintergründe nicht klar

Zu den Hintergründen des Angriffs gab es zunächst keine Details. Ob er in Zusammenhang mit der jahrzehntealten Fatwa steht, blieb zunächst offen. Rushdie war vor über 30 Jahren per Fatwa zum Tode verurteilt worden: Wegen seines Werks „Die satanischen Verse“ („Satanic Verses“) aus dem Jahr 1988 hatte der damalige iranische Revolutionsführer Ajatollah Chomeini das religiöse Rechtsdokument veröffentlicht, das zur Tötung des Autors aufforderte.

Die Tat fand bei einer Vorlesung Rushdies in der Chautauqua Institution, einem Erziehungs- und Kulturzentrum, statt – im Rahmen einer Serie unter dem Titel „Mehr als Schutz“ („More than Shelter“), bei der über die Vereinigten Staaten als Zufluchtsort für Schriftsteller im Exil und über die Verfolgung von Künstlern diskutiert werden sollte.

Nach Darstellung der Polizei stürmte der junge Mann die Bühne der von Hunderten Menschen besuchten Veranstaltung gegen 11:00 Uhr örtlicher Zeit (17:00 Uhr MESZ) und stach auf Rushdie ein. „Mehrere Mitarbeiter der Veranstaltung und Zuschauer stürzten auf den Verdächtigen und brachten ihn zu Boden“, sagte ein Sprecher. Ein Polizist habe den 24-Jährigen festgenommen. Unterdessen wurde Rushdie von einem Arzt aus dem Publikum behandelt, bis Rettungskräfte eintrafen.

Zeugin: „Es gab nur einen Angreifer“

Die „New York Times“ zitierte eine Zeugin: „Es gab nur einen Angreifer. Er war schwarz gekleidet. Er hatte ein loses schwarzes Kleidungsstück an. Er rannte blitzschnell auf ihn zu.“ Ein Reporter der US-Nachrichtenagentur AP berichtete, der Angreifer habe zehn- bis 15-mal auf Rushdie eingeschlagen oder gestochen. Der ebenfalls angegriffene Interviewer erlitt nach Polizeiangaben eine Kopfverletzung.

Polizisten hinter Polizeiauto in New Jersey
Reuters/Eduardo Munoz
Die US-Polizei konnte am Tatort schnell eingreifen und einen US-Amerikaner festnehmen

Das islamische Rechtsgutachten des Ajatollahs rief damals nicht nur zur Tötung Rushdies auf, sondern auch all derer, die an der Verbreitung des Buches beteiligt waren. Ein japanischer Übersetzer wurde später tatsächlich getötet. Rushdie musste untertauchen, erhielt Polizeischutz.

Nach Angaben seines Verlags aus dem vergangenen Jahr hätte die Fatwa für Rushdie inzwischen aber längst keine Bedeutung mehr. Er sei nicht mehr eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit und brauche auch keine Bodyguards mehr. Die Jahre des Versteckens gingen jedoch nicht spurlos an ihm vorüber. Er verarbeitete diese Zeit in der nach seinem Aliasnamen benannten Autobiografie „Joseph Anton“ aus dem Jahr 2012.

Rushdie vor wenigen Tagen: Fühle mich sicher

Vor wenigen Tagen noch hatte Rushdie dem Magazin „Stern“ gesagt, dass er sich in den USA sicher fühle. „Das ist lange her“, sagte Rushdie auf die Frage, ob er noch immer um sein Leben bange. „Für einige Jahre war es ernst“, sagte Rushdie weiter. „Aber seit ich in Amerika lebe, hatte ich keine Probleme mehr.“ Der Autor habe dabei aber auch vor dem politischen Klima und möglicher Gewalt in den USA gewarnt: Das Schlimme sei, „dass Morddrohungen alltäglich geworden sind“.

Autor Rushdie auf Bühne niedergestochen

Der Autor Salman Rushdie ist am Freitag auf einer Bühne im US-Bundesstaat New York attackiert worden. Der mutmaßliche Täter wurde laut Polizei festgenommen. Die genauen Hintergründe der Tat sind noch unklar.

Geboren wurde Rushdie im Jahr der indischen Unabhängigkeit 1947 in der Metropole Mumbai (damals Bombay). Er studierte später Geschichte am King’s College in Cambridge. Seinen Durchbruch als Autor hatte er mit dem Buch „Mitternachtskinder“ („Midnight’s Children“), das 1981 mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet wurde.

Rushdie veröffentlichte mehr als zwei Dutzend Romane, Sachbücher und andere Schriften. Sein Stil wird als Magischer Realismus bezeichnet, in dem sich realistische mit fantastischen Ereignissen verweben. Dennoch sieht er sich unbedingt der Wahrheit verpflichtet. Diese sieht er zunehmend in Gefahr, was auch im Zentrum seiner jüngst veröffentlichten Essays steht. Der seit vielen Jahren in New York lebende Schriftsteller stemmt sich darin gegen Trumpisten und Coronavirus-Leugner.