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Reuters/Eduardo Munoz
Verleumdungsklage

Trump-Lügen könnten Fox teuer kommen

In den USA bahnt sich laut „New York Times“ offenbar ein richtungsweisendes Gerichtsverfahren an. Der Wahlmaschinenhersteller Dominion hat den Sender Fox News geklagt und ihm vorgeworfen, nach der Wahlniederlage von Ex-Präsident Donald Trump 2020 Falschinformationen verbreitet und damit das Unternehmen verleumdet zu haben. Meist enden solche Klagen in außergerichtlichen Vergleichen – doch das scheint diesmal nicht der Fall zu sein.

Schon in der Wahlnacht hatten Trump und sein Lager begonnen zu behaupten, die Präsidentschaftswahl sei ihm „gestohlen“ worden. Mehrfach wurde dann an den Tagen und Wochen darauf auf Trumps Haus- und Hofsender Fox News behauptet, dass es „enorme Beweise“ gebe, dass die Software für Wahlbetrug und falsch ausgezählte Stimmen verantwortlich sei. Es wurde behauptet, die demokratische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, stehe mit dem Unternehmen in Verbindung, sogar mit dem ehemaligen sozialistischen Präsidenten Hugo Chavez wurde das in Kanada gegründete Dominion in Verbindung gebracht.

Dutzende solcher Aussagen von Moderatorinnen und Moderatoren des Senders, aber auch von dort auftretenden Gästen wie Trump-Anwalt Rudolph Giuliani hat Dominion gesammelt und in die Verleumdungsklage eingebracht. Auch gegen Giuliani und andere Talkgäste aus dem Trump-Lager brachte Dominion Klagen ein.

Zwischen Verleumdung und freier Meinungsäußerung

Laut von der „New York Times“ befragten Experten handelt es sich um ein äußerst ungewöhnliches juristisches Verfahren. Zumeist gehe es bei Verleumdungsklagen um eine einzige strittige Aussage. Hier werde aber ein ganzes Konvolut eingebracht. Überhaupt würden solche Klagen oft schnell abgewiesen, weil der erste Verfassungszusatz die freie Meinungsäußerung umfassend schützt. Genau darauf beruft sich auch Fox News, und behauptet laut „New York Times“, diese Aussagen seien jedenfalls nachrichtenrelevant gewesen.

Mitarbeiter der Wahlauszählung während eines Testlaufs mit den Maschinen von Dominion Voting Systems
APA/AFP/Jeff Kowalsky
In den USA kommen unterschiedliche Wahlmaschinen zum Einsatz

Erschwerend für die Klage kommt hinzu, dass Fox behaupten kann, die tatsächlichen Fakten seien erst später bekanntgeworden. Dominion muss daher in dem Verfahren überzeugend darlegen, dass Fox wissentlich Lügen verbreitet hat – und das ist kein einfaches Unterfangen.

Tatsächlicher Prozess bahnt sich an

Häufig würden solche Medienverfahren außergerichtlich beigelegt, um beiden Seiten das kostspielige Spektakel eines Prozesses zu ersparen, schreibt die „New York Times“. Und gegen einen Medienriesen wie Fox mit hochkarätigen Anwälten traue sich kaum jemand zu prozessieren.

Dennoch laufe nun offenbar alles auf ein Gerichtsverfahren hinaus: Die Klage sei 1,6 Milliarden Dollar schwer, und im Sommer habe sich der Fall vor einem Gericht des Bundesstaates Delaware stetig weiterentwickelt. Anzeichen für einen Vergleich gebe es keine, schreibt die Zeitung unter Berufung auf Insider. Beide Seiten würden Dokumente, Mails und Textnachrichten durchkämmen, um sich für einen Prozess aufzumunitionieren. Auch Zeugenaussagen seien bereits vonstattengegangen.

Murdochs im Visier

Ende Juni habe ein Richter einen Antrag von Fox abgelehnt, der die Muttergesellschaft Fox Corporation von dem Fall ausgeschlossen hätte, so die „New York Times“. Und damit seien auch die Fox-Vorsitzenden Rupert Murdoch und sein Sohn Lachlan, der als Geschäftsführer fungiert, ins Visier geraten. Kurz danach habe Fox sein externes Anwaltsteam in dem Fall durch einen der bekanntesten Prozessanwälte des Landes ersetzt. Die „New York Times“ sieht darin ein Zeichen dafür, dass die Fox-Führungskräfte mehr und mehr daran glauben, dass der Fall vor Gericht kommt.

Screenshot zeigt die Klagsparteien Dominion Voting Systems und Fox News
Screenshot courts.delaware.gov
Aus den Gerichtsakten in Delaware

Laut der Zeitung ziele die Klage mittlerweile auf die Spitze des Fox-Medienimperiums und damit die Familie Murdoch ab. Die These dahinter laute, dass hochrangige Fox-Führungskräfte die Aussagen in Sendungen zu den angeblichen Wahlfälschungen absichtlich forciert haben, um trumpfreundliches Fernsehpublikum zu binden oder auch von noch weiter rechts angesiedelten Sendern wiederzugewinnen, die Trumps Behauptungen noch stärker verbreitet hatten.

Die Wahlnacht und ihre Folgen

Ein Knackpunkt dafür soll noch in der Wahlnacht passiert sein: Fox News hatte damals überraschend und vor anderen TV-Sendern verkündet, Trump sei im Bundesstaat Arizona seinem Konkurrenten und späteren US-Präsidenten Biden unterlegen. Den Meldungen folgten Medienberichten zufolge hektische Anrufe aus dem Trump-Lager bei Fox, gleichzeitig seien die Einschaltquoten bei dem Sender – vorübergehend – eingebrochen.

Lachlan Murdoch habe daraufhin, so die „New York Times“ zwar nicht, wie von Trump gefordert, die Meldung dementieren lassen, der Fox-Geschäftsführer habe aber detaillierte Fragen zum Analysesystem gestellt. Eine Sprecherin von Fox News sagte, es sei „lächerlich“ zu behaupten, dass der Sender danach versucht habe, Zuschauerinnen und Zuschauer vom „rechtsextremen Rand“ abzuwerben, wie es Dominion in der Klage behaupte.

Auch zweite Wahltechnologiefirma klagte

Laut „New York Times“ versuchten die Anwälte von Fox aber auch, die beanstandeten Aussagen des Senders zu belegen. So wurde gezielt gesucht, ob es Verbindungen von Dominion zu Venezuela gibt, wie Giuliani es behauptet hatte. Allerdings: Es wird davon ausgegangen, dass der Ex-Anwalt Trumps damals nicht Dominion meinte, sondern die ebenfalls auf Wahltechnologie spezialisierte Firma Smartmatic. Diese war von zwei Exilvenezolanern in Florida gegründet worden. In den umkämpften Bundesstaaten war diese Firma allerdings nicht in den Wahlprozess involviert.

Rudy Giuliani in der Sendung „Tucker Carlson Tonight“ auf Fox News
picturedesk.com/Zuma/Tucker Carlson Tonight
Giuliani als Dauergast auf Fox News

Auch Smartmatic klagte unter anderen Fox News und Giuliani, auch hier gab es mit ersten juristischen Erfolgen einerseits und Gegenklagen andererseits in den vergangenen Wochen jede Menge Aufregung.

Nicht nur eine Frage des Finanziellen

Dominion wiederum klagt nicht nur wegen Rufschädigung, sondern auch, weil das Unternehmen nach Morddrohungen und Steinwürfen auf die Zentrale die Sicherheitsmaßnahmen hochfahren musste. Diese Kosten will man genauso wie erlittene Geschäftseinbußen in Höhe von mehreren „hundert Millionen“ auf dem Klageweg zurückhaben. Fox wird wohl, mutmaßt die „New York Times“, argumentieren, dass 1,6 Milliarden Dollar ein übermäßig hoher Schadenersatzbetrag sei und diesen versuchen herunterzuhandeln.

Doch wohl schwerwiegender als die finanzielle Frage sind die Grundsätze, die in einem möglichen Verfahren verhandelt werden. Dominion versucht, eine Verbindung zwischen den verbreiteten Unwahrheiten und der Erstürmung des Kapitols am 6. Jänner 2021 herzustellen. „Diese Lügen haben Dominion nicht nur geschadet“, so das Unternehmen in seiner Beschwerde. „Sie haben der Demokratie geschadet. Sie haben der Idee von glaubwürdigen Wahlen geschadet.“

„Es muss eine bewusste Lüge sein“

Und weiter: „Der Schaden, den Dominion durch die von Fox verbreiteten Lügen erlitten hat, ist beispiellos und nicht wiedergutzumachen, weil Millionen von Menschen diesen Lügen Glauben schenkten und schenken“, heißt es laut „New York Times“ in der Klage. Und damit droht Fox, dem bei Weitem mächtigsten konservativen Medienunternehmen der USA, ein schwerer finanzieller und rufschädigender Schlag.

Doch nicht nur das: Es wird auch die verhandelt, welche Konsequenzen es hat, wenn Unwahrheiten verbreitet werden, die noch dazu das Vertrauen in die Demokratie untergraben. Das könnte das folgenschwerste Gerichtsverfahren zum ersten Verfassungszusatz seit Generationen werden, so die Zeitung.

Allerdings wartet auch noch eine große juristische Hürde: „Es reicht nicht aus, die große Lüge zu verbreiten“, sagte RonNell Andersen Jones, Jusprofessorin und Wissenschaftlerin am S. J. Quinney College of Law der Universität Utah, in der „New York Times“: „Es muss eine bewusste Lüge sein.“