Taliban-Kämpfer auf Patrouille in Kabul
Reuters/Ali Khara
Afghanistan

„Katastrophale“ Situation unter Taliban

Genau seit einem Jahr sind die radikalislamischen Taliban in Afghanistan wieder an der Macht. Der 15. August markiert jenen Tag, an dem die radikalislamischen Taliban ohne Gegenwehr Kabul erobert hatten. Unter den Taliban hat sich die Lage der Bevölkerung drastisch verschlimmert. Laut einem aktuellen Amnesty-Bericht begingen die Islamisten schwerste Menschenrechtsverletzungen. Es sei „katastrophal“.

Die radikalislamische Regierung verfolge Minderheiten, schlage friedliche Proteste gewaltsam nieder und unterdrücke Frauen, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation. Zudem gebe es außergerichtliche Hinrichtungen und Fälle des Verschwindenlassens von Menschen.

Verbrechen wie Folter, Morde aus Rache und Vertreibungen von Minderheiten blieben oftmals straflos, heißt es in dem Bericht „Die Herrschaft der Taliban: Ein Jahr voller Gewalt, Straflosigkeit und falscher Versprechen“.

Dramatische Szenen auf dem Flughafen

Die Taliban waren vergangenes Jahr auf wenig Gegenwehr der afghanischen Streitkräfte gestoßen, als sie das Land nach und nach unter ihre Kontrolle brachten und schließlich die Hauptstadt Kabul einnahmen. Die US- und NATO-Truppen zogen ab. Nach der Einnahme Kabuls durch die Taliban erfolgte ein internationaler militärischer Evakuierungseinsatz. Auf dem Flughafen der Hauptstadt spielten sich dramatische Szenen ab, als viele Menschen das Land verlassen wollten.

Seit ihrer Rückkehr an die Macht unterdrücken die Taliban jede abweichende Meinung. Willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Tötungen ehemaliger afghanischer Amtsträger und Angriffe der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gegen religiöse Minderheiten haben zugenommen. Auch die wirtschaftliche Not ist größer als zuvor. Fast die Hälfte der Bevölkerung ist von Hunger bedroht.

Die Taliban hatten bei ihrer Machtübernahme eine gemäßigtere Form der islamistischen Herrschaft versprochen als jene, die sie zwischen 1996 und 2001 in Afghanistan praktiziert hatten. Dennoch wurden in den vergangenen zwölf Monaten unter anderem die Frauenrechte wieder massiv beschnitten.

Hunderte Afghanen auf dem Flughafen von Kabul am 16. August 2021
APA/AFP
Auf dem Flughafen warteten zig Personen auf ihre Möglichkeit, das Land zu verlassen

Folter und Hinrichtungen

„Vor einem Jahr haben sich die Taliban öffentlich dazu verpflichtet, die Menschenrechte zu schützen und zu fördern“, erklärte Amnesty International. „Ein Jahr später ist die menschenrechtliche Bilanz jedoch katastrophal.“ Willkürliche Inhaftierungen, Folter, Verschwindenlassen oder Hinrichtungen im Schnellverfahren seien an der Tagesordnung.

Auch wichtige Errungenschaften der vergangenen 20 Jahre, insbesondere bei den Rechten von Mädchen und Frauen, würden zunichtegemacht, erklärte die Menschenrechtsorganisation. Ausbildung und Teilhabe am öffentlichen Leben würden ihnen verwehrt.

Recherchen von Amnesty zeigen laut dem Bericht, dass die Sicherheitskräfte der Taliban exzessiv Gewalt anwenden, um das Verbot friedlicher Proteste durchzusetzen. Menschenrechtsverteidiger und Aktivisten würden schikaniert, bedroht, inhaftiert und getötet, heißt es in dem Bericht weiter. Im vergangenen Jahr seien zudem mehr als 80 Journalistinnen und Journalisten festgenommen und gefoltert worden, weil sie über friedliche Proteste berichteten.

Menschen getötet und verschwunden

Es gebe zahlreiche Berichte über Taliban-Soldaten, die Afghaninnen und Afghanen verprügelten und folterten, die gegen Erlasse der Taliban verstoßen haben sollen oder der Zusammenarbeit mit der früheren Regierung beschuldigt werden, erklärte die Menschenrechtsorganisation. Auch Fälle von Rachemorden und Hinrichtungen von mutmaßlichen Widerstandskämpfern seien bekannt geworden, heißt es in dem Bericht.

„Katastrophale“ Situation unter Taliban

Genau seit einem Jahr sind die radikalislamischen Taliban in Afghanistan wieder an der Macht. Der 15. August markiert jenen Tag, an dem sie ohne Gegenwehr Kabul erobert hatten. Unter den Taliban hat sich die Lage der Bevölkerung drastisch verschlimmert. Laut einem aktuellen Amnesty-Bericht begingen die Islamisten schwerste Menschenrechtsverletzungen. Es sei „katastrophal“.

So seien hunderte Leichen mit Schusswunden oder Folterspuren gefunden worden, die auf außergerichtliche Hinrichtungen hindeuten. Dutzende Menschen seien verschwunden, weil sie unter der vorherigen Regierung gearbeitet haben oder weil sie verdächtigt werden, am Widerstand gegen die Taliban beteiligt gewesen zu sein. Zudem habe es rechtswidrige Vertreibungen von nicht-paschtunischen Minderheiten aus ihren Häusern und von ihren Höfen gegeben.

Amnesty forderte die Taliban zur Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechts auf. Zudem müsse die internationale Gemeinschaft wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Taliban für die begangenen Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.