Autor Salman Rushdie
Reuters/Eloy Alonso
Sohn von Rushdie

„Kämpferischer Sinn für Humor intakt“

Der Sohn des bei einem Angriff am Freitag schwer verletzten Autors Salman Rushdie hat bestätigt, dass es seinem Vater bessergeht. „Trotz seiner schwerwiegenden und lebensverändernden Verletzungen bleibt sein üblicher kämpferischer und aufsässiger Sinn für Humor intakt“, schrieb Zafar Rushdie am Sonntag in einer Erklärung auf Twitter.

„Wir sind sehr erleichtert, dass er gestern vom Beatmungsgerät und der zusätzlichen Sauerstoffversorgung genommen wurde und in der Lage war, ein paar Worte zu sagen“, heißt es darin weiter. Der Zustand seines Vaters bleibe aber weiter kritisch und er sei in umfangreicher medizinischer Behandlung. Ein Sprecher Salman Rushdies bestätigte die Authentizität des Twitter-Accounts von Zafar Rushdie.

Salman Rushdie war am Freitag bei einer Veranstaltung in Chautauqua im Westen des US-Bundesstaats New York von einem Mann angegriffen worden und wird seitdem in einem Krankenhaus im angrenzenden Pennsylvania behandelt. Der 75-Jährige wird seit Jahrzehnten von religiösen Fanatikern verfolgt, noch hat die Polizei aber kein Motiv bestätigt. Der mutmaßliche Angreifer, ein 24 Jahre alter Mann, sitzt in Untersuchungshaft.

Auf dem Weg der Besserung

Rushdie wird laut US-Medien weiter in einem Krankenhaus in Erie im Bundesstaat Pennsylvania behandelt. Aber sein Zustand scheint sich etwas gebessert zu haben. Für den 75-Jährigen habe ein langer „Weg der Genesung“ begonnen, teilte sein Agent Andrew Wylie am Sonntag in einer Erklärung an die „Washington Post“ mit. Am Samstag (Ortszeit) habe er bereits wieder sprechen können, berichtete die „New York Times“.

Rushdie war am Freitag bei einer Veranstaltung in Chautauqua im Westen New Yorks von einem Mann attackiert worden. Wenige Minuten zuvor hatte er die Bühne betreten, um über verfolgte Künstler zu sprechen. Laut einem Bericht der „New York Times“ stach der Angreifer zehnmal auf den Autor ein.

Das UPMC Hamot Surgery Center in Erie
Reuters/Quinn Glabicki
Rushdie wird in einem Krankenhaus im US-Bundesstaat Pennsylvania behandelt

Der 75-Jährige sei im Krankenhaus operiert und an ein Beatmungsgerät angeschlossen worden, hatte Wylie am Freitagabend mitgeteilt. Er könne nicht sprechen und werde wahrscheinlich ein Auge verlieren. Außerdem seien Nervenstränge in seinem Arm durchtrennt und seine Leber beschädigt worden.

Angreifer erklärt sich für nicht schuldig

Der mutmaßliche Angreifer erklärte sich am Samstag vor einem New Yorker Gericht für nicht schuldig. Die Behörden ermitteln gegen den Mann wegen versuchten Mordes mit bedingtem Vorsatz („second-degree murder“) und Körperverletzung. Mord mit bedingtem Vorsatz ist ein eigenständiger Tatbestand im US-Rechtssystem, er kann im Bundesstaat New York mit jahrelangen Haftstrafen belegt werden.

Attentäter plädiert auf nicht schuldig

Nach dem Messerangriff auf Salman Rushdie soll der britisch-indische Autor auf dem Wege der Besserung sein. Laut seinem Agenten wird er nicht mehr künstlich beatmet. Gegen den Mann, der den Schriftsteller angegriffen hatte, wird wegen versuchten Mordes und Körperverletzung ermittelt. Zum Motiv gibt es aber weiterhin keine Angaben.

Zu einem möglichen Tatmotiv machten die Behörden aber weiterhin keine Angaben. Der mutmaßliche Angreifer soll aus Fairfield im nahe New York gelegenen Bundesstaat New Jersey stammen und allein gehandelt haben, hieß es von der Polizei. Die Familie des Angreifers soll einem lokalen Bürgermeister zufolge aus dem Süden des Libanon kommen. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht. Der Süden des Libanon ist eine Hochburg der schiitischen Hisbollah-Organisation, die eng mit dem ebenfalls schiitischen Iran verbündet ist.

Iran: Rushdie selbst verantwortlich

Ob die Messerattacke im Zusammenhang mit der jahrzehntealten Fatwa steht, blieb zunächst offen. Rushdie war vor über 30 Jahren per Fatwa zum Tode verurteilt worden: Wegen seines Werks „Die satanischen Verse“ („Satanic Verses“) aus dem Jahr 1988 hatte der damalige iranische Revolutionsführer Ajatollah Chomeini das religiöse Rechtsdokument veröffentlicht, das zur Tötung des Autors aufforderte. Chomeini warf Rushdie vor, in seinem Roman den Islam, den Propheten und den Koran beleidigt zu haben.

Der Iran macht Rushdie selbst und dessen Anhänger und Anhängerinnen für den Angriff auf den weltbekannten Autor verantwortlich. Meinungsfreiheit rechtfertige nicht Rushdies Beleidigungen von Religion in seinen Werken, sagte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanaani, am Montag vor Journalisten. Über den Angreifer von Rushdie habe er nur die Informationen, die den Medien zu entnehmen seien.

Bestürzung und Anteilnahme

Der Angriff auf den Schriftsteller wurde von Prominenten und Politikern aus aller Welt aufs Schärfste verurteilt. US-Präsident Joe Biden sagte, Rushdie habe sich nicht einschüchtern lassen und stehe für „wesentliche, universelle Werte“ wie Wahrheit, Mut und Widerstandsfähigkeit. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb auf Twitter: „Eine internationale Ablehnung solcher krimineller Handlungen, die Grundrechte und Freiheiten verletzen, ist der einzige Weg zu einer besseren und friedlicheren Welt.“

Der israelische Regierungschef Jair Lapid sah die Schuld an dem Angriff auch bei der Führung des Iran. Der Vorfall sei „das Resultat von Jahrzehnten der Aufwiegelung, angeführt durch das extremistische Regime in Teheran“, schrieb Lapid am Samstagabend bei Twitter. In iranischen Medien wurde der Messerangriff auf den Autor hingegen teils euphorisch begrüßt.

Entsetzen bei Kolleginnen und Kollegen

Schockiert zeigten sich viele Kolleginnen und Kollegen Rushdies. Rushdie werde seit Jahrzehnten wegen seiner Worte angegriffen, aber er habe sich nie beirren lassen und nie gezögert, schrieb Suzanne Nossel, die Vorsitzende des US-amerikanischen Autorenverbandes PEN, in einem Statement.

Der deutsche Schriftsteller Günter Wallraff, der Rushdie 1993 in seinem Haus in Köln-Ehrenfeld versteckt hatte, sagte, die Nachricht sei „natürlich ein Schlag für mich“ gewesen. Die Grazer Autorenversammlung (GAV) verurteilte das Attentat auf Rushdie auf das Schärfste.

Auch Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling drückte ihre Bestürzung aus. Sie wurde daraufhin online bedroht. Rowling hatte zuvor auf Twitter geschrieben: „Ich hoffe, er ist okay.“ Darauf antwortete ein anderer Nutzer: „Keine Sorge, du bist die Nächste.“ (Original: „Don’t worry you are next“). Rowling bat zunächst Twitter um Unterstützung. Später bedankte sich die 57-Jährige dann bei ihren Followerinnen und Followern für Zuspruch und Unterstützung und schrieb, die Polizei sei eingeschaltet – und auch wegen anderer Drohungen im Einsatz.