Tobias Pötzelsberger und Julia Schmuck im Gespräch mit Werner Kogler (Die Grünen) bei den ORF-Sommergesprächen
ORF/Roman Zach-Kiesling
„Sommergespräche“

Kogler warnt vor zu einfachen Lösungen

Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler hat im ORF-„Sommergespräch“ angesichts der vielen Herausforderungen von der Teuerung bis zum Ukraine-Krieg vor zu einfachen Lösungen gewarnt. Auch bei der von ihm selbst zuletzt in Spiel gebrachten Besteuerung der Übergewinne bei Energiekonzernen müsse das Modell ökologisch, ökonomisch und sozial „schlau“ sein. Ungeachtet von Turbulenzen und schlechten Vertrauenswerten will er in der schwarz-grünen Regierung weiterarbeiten. Diese müsse handlungsfähig sein und Ergebnisse liefern.

Vom Moderationsduo Tobias Pötzelsberger und Julia Schmuck auf eine konkrete Ausformung und Höhe dieser Übergewinnbesteuerung angesprochen, antwortete Kogler am Montag zurückhaltend. Mit Experten müsse erst ein Modell entwickelt werden. Er räumte ein, dass bereits verwendete Modelle in anderen Ländern „nicht wirklich gut“ funktionieren. Eine Regelung müsse machbar und natürlich verfassungskonform sein.

Kogler betonte vor allem, dass Investitionen in erneuerbare Energien bei Konzernen von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden müssten, „sonst schießen wir uns ins Knie“. Bei Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ortet Kogler nach dessen Vorstoß in diese Richtung vor einigen Monaten ein gewisses „Faible“ für die Idee. Abgesprochen mit dem Koalitionspartner sei aber noch nichts. Ernsthafte Bedenken seien aber willkommen – und zwar eher als Meinungen, man könne das mit einem „Federstreich“ lösen. Das sei unseriös, so Kogler mit einem von mehreren Seitenhieben auf die SPÖ an diesem Abend.

Milliarden gegen Teuerung und die Gegenfinanzierung

Kogler verweist auf Details bei Strompreisbremse

Ein weiterer sollte bei der Frage der geplanten Strompreisbremse folgen. Wieso die Wien Energie und auch die EVN ihre Preise im September mit dieser Geschwindigkeit und diesem Umfang erhöhen müssten, sei unverständlich, das hätten Wien und Niederösterreich moderater machen können.

Auch bei der Strompreisbremse gehe es um ein Modell das ökologisch, ökonomisch und sozial funktionieren soll: Beim „begünstigten Grundbedarf“ sollen Haushalte ein gewisse Verbrauchsmenge zu einem Kilowattstundenpreis von vor der Pandemie bekommen, alles darüber zu Marktpreisen. Würde man es einfacher machen, wären das Signale und Anreize für Energieverschwendung, zudem würde Österreich „im Strombereich halb Europa finanzieren“. Wenn die Strompreisbremse etabliert ist, könne er sich ein ähnliches Modell auch für Gas vorstellen, so der Vizekanzler.

Preisbegrenzung auch für Gas?

„Österreich auf Überholspur bei Klimaschutz“

Insgesamt sieht der Vizekanzler „Österreich auf der Überholspur bei Klimaschutz“ – auch wenn das Klimaschutzgesetz noch weiter ausständig sei. Es gäbe Widerstände, so Kogler, aber man arbeite daran. Er verwies auf die Erfolge im Klimabereich wie auf das – vor dem Beschluss stehende – Erneuerbare-Wärme-Gesetz, die Vervielfachung der Photovoltaikanlagen und der E-Auto-Zulassungen. Er geht auch weiter davon aus, dass die geplante CO2-Bepreisung im Herbst starten soll. Hier gab es zuletzt – auch von ÖVP-Seite – Stimmen, die angesichts der Teuerungen eine Verschiebung forderten. Für Kogler soll die Bepreisung aber gleichzeitig mit dem beschlossenen Klimabonus starten. Auch um das „System zu etablieren".

Wann kommt das Klimaschutzgesetz?

Keine Festlegung bei Pensionserhöhungen

Auch auf bei den anstehenden Pensionserhöhungen wollte sich Kogler noch nicht festlegen, auch das sei eine „Spur komplizierter“. Die diese Woche vorliegende gesetzliche Berechnung der Erhöhung werde wohl zwischen fünf und sechs Prozent liegen – und dann gebe es mehrere Möglichkeiten. Kogler ließ durchblicken, dass er „kleinere“ Pensionen etwa mit Sockelbeträgen wieder stärker erhöhen will. Eine andere Möglichkeit sei, heuer zwei bis zweieinhalb Prozent draufzuschlagen und im nächsten Jahr das bei einem Abflauen der Inflation auszugleichen.

Vorstellung zu Pensionserhöhungen

Deutliche Worte zur Ukraine

Deutlich wurde Kogler bei seiner Unterstützung von Waffenlieferungen an die Ukraine: Österreich dürfe das als neutrales Land natürlich nicht, er unterstütze aber ein maximales Vorantreiben der EU-Sanktionen gegen Russland. Man dürfe die Ukrainer bei diesem „bestialischen, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ in ihrer Situation nicht alleine lassen.

„Grüner Pazifismus“: Waffenlieferungen und Sanktionen

Dazu, was passiere, wenn die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine nicht aufrechterhalten werden könne, fragte Kogler: „Welche Nachbarstaaten werden die nächsten sein, die von Russland angegriffen werden?“ Natürlich würden alle Frieden wollen, aber auch hier gäbe es keine einfache Lösung: „Das ist eine ganz schwierige Abwägungsfrage, das kann nicht heißen, dass die Ukraine dem Untergang geweiht ist.“

„Wir leben in einer Zeitenwende“

Zur Koalition mit der ÖVP und dem in Umfragen festgestellten Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Regierung befragt, sagte Kogler, es würden die Ergebnisse zählen, und die „können sich sehen lassen“. „Wir leben in einer Zeitenwende“, sagte Kogler, das betreffe vor allem die Energiewende. „Und da sind die Grünen dort, wo sie hingehören, in die Verantwortung.“ Mit den demnächst ausbezahlten Hilfspaketen als Teuerungsausgleich würde sich die Meinung, dass die Regierung nichts unternehme, vielleicht auch wieder ändern.

Vertrauensverlust in die Regierung

COFAG: Kogler verweist auf Untersuchungen

Zur vom Rechnungshof scharf kritisierten Konstruktion der Coronavirus-Hilfsagentur COFAG sagte Kogler, die Grünen hätten etwa bei erster Gelegenheit abgeschafft, dass der dortige Chef mit einem weiteren Posten ein doppeltes Gehalt beziehe. Es habe alles schnell gehen müssen, aber das sei jetzt alles Gegenstand von Untersuchungen und beim Rechnungshof gut ausgehoben.

Es bleibe abzuwarten, bis der Endbericht vorliege. Die offenen Fragen könnten auch im Parlament oder in einem einen kleinen Untersuchungsausschuss diskutiert werden. Auf bestehende Strukturen – und in dem Fall die COFAG nach dem Muster der Abbaumanagementgesellschaft des Bundes (ABBAG) – zu setzen sei angesichts des Zeitdrucks naheliegend gewesen. Ob das Finanzministerium 1,3 Millionen Anträge abzuwickeln geschafft hätte, sei fraglich.

Kogler verwies auf den in seinem Portfolio angesiedelten NPO-Fonds, dort sei man den Vorgaben gefolgt und habe Kritik einstecken müssen, weil alles länger gedauert habe, bis es zu Auszahlungen kam.

Debatte über die COFAG

Verteidigt wurde von Kogler der Sideletter der Regierung, in dem unter anderem die Aufstellung des ORF festgelegt wurde. Dabei sei es darum gegangen, einen „türkisen Durchgriff“ zu verhindern und „kompetente und unabhängige“ Personen zu fördern.

Koalitionspartner ÖVP, Korruptionsvorwürfe und Postenschacher

Impfpflicht und Vertrauensverlust

Auch das Vorgehen bei der Impflicht – diese zunächst zu beschließen, dann auszusetzen und dann wieder abzuschaffen – rechtfertigte Kogler mit der Veränderung der Pandemie und der Ablöse der Delta- durch die Omikron-Variante. Ziel sei es gewesen, die Impfquote zu erhöhen, das sei aber nicht erreicht worden, ließ Kogler durchaus Verständnis an der Kritik durchblicken. Zur derzeitigen Coronavirus-Politik der Regierung verweist er auf andere Länder, die praktisch alle Maßnahmen abgeschafft haben – und auf den Variantenmanagementplan für den Herbst.

Impfpflicht als demokratiepolitischer Fehler?

Keine Spekulationen über Neuwahl und Ampelkoalition

Kogler will jedenfalls, das machte er im Gespräch deutlich, mit der ÖVP weiterregieren: Ob die Grünen einen neuerlichen Kanzlerwechsel der ÖVP tolerieren würden, ist für Kogler „nicht die primäre Frage“. Die Regierung müsse arbeitsfähig sein und Ergebnisse liefern. Auch über eine mögliche Ampelkoalition, die derzeit laut Umfragen eine Mehrheit hätte, wollte er nicht spekulieren. Ein monatelanger Wahlkampf mit weitgehendem Stillstand in der Politik würde dem Land nicht guttun.

Auch über seine persönliche Zukunft wollte er noch keine Auskunft geben: Er sei bis 2025 als Bundessprecher gewählt – und „ein leidenschaftlicher Teamplayer“. Für die 2024 regulär anstehende Nationalratswahl würde seine Partei dann über eine Aufstellung entscheiden, wenn es so weit sei.

Analyse: Rolle als Krisenmanager

In der anschließenden Analyse in der ZIB2 mit dem Politologen Peter Filzmaier und Innenpolitikjournalistin Daniela Kittner vom „Kurier“ schloss man aus Koglers Aussagen zum Koalitionsklima, dass die Turbulenzen in der Regierung „sicher nicht zu Ende seien“. Laut Kittner sei „offensichtlich, dass in der Koalition weiterhin mit personellen Überraschungen zu rechnen sei“. Die Grünen würden sich etwas vormachen oder sich eine eigene Realität zusammenzimmern, wenn sie glauben würden, nicht von der „massiven Vertrauenskrise“ betroffen zu sein, so auch Filzmaier.

Analyse: Kogler im „Sommergespräch“

Grünen-Bundessprecher und Vizekanzler Werner Kogler war zu Gast im ORF-„Sommergespräch“. Die Journalistin Daniela Kittner („Kurier“) und der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier analysieren seine Aussagen.

Angesichts der Energie- und Teuerungskrise habe Kogler sich als Krisenkommunikator und -manager präsentieren müssen und hätte deshalb sehr konkrete Lösungsansätze präsentiert, statt nur als Warner aufzutreten. Dass sich Kogler bei der Frage einer Übergewinnbesteuerung „weit hinausgelehnt“ habe, lasse für Kittner darauf schließen, dass ein Kompromiss in der Regierung möglich sein könnte. Sowohl Kittner als auch Filzmaier hoben positiv hervor, dass sich Kogler klar und deutlich für die Unterstützung der Ukraine im Krieg positioniert habe.