Polen: Berlin und Paris führen Union als „De-facto-Oligarchie“

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat Deutschland und Frankreich vorgeworfen, die Europäische Union wie eine „De-facto-Oligarchie“ zu führen. In einem Meinungsbeitrag in der französischen Tageszeitung „Le Monde“ zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine schrieb der polnische Regierungschef heute, Warnungen aus Polen zur russischen Expansionspolitik seien überhört worden. Der Konflikt in der Ukraine habe „die Wahrheit über Europa enthüllt“, so Morawiecki.

Europa habe sich geweigert, auf „die Stimme der Wahrheit“ aus Polen über die „imperialistischen“ Ambitionen von Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu hören. Das zeige ein größeres Problem, mit dem die EU konfrontiert sei.

Auf dem Papier seien zwar alle Mitgliedsstaaten gleich, aber „die politische Praxis zeigt, dass die deutsche und die französische Stimme ein vorrangiges Gewicht haben“, schrieb Morawiecki weiter. „Wir haben es mit einer formalen Demokratie und einer ‚De-facto-Oligarchie‘ zu tun, innerhalb derer die Macht von den Stärksten ausgeübt wird.“

Sorge um Einstimmigkeitsprinzip

Die EU habe „immer mehr Schwierigkeiten, die Freiheit und Gleichheit aller Mitgliedsstaaten zu respektieren“, hieß es. „Wir hören auch immer häufiger, dass nicht mehr die Einstimmigkeit, sondern die Mehrheit über die Zukunft der gesamten Gemeinschaft entscheiden soll“, fügte Morawiecki hinzu und kritisierte, dass das die EU einem Modell näherbringen würde, „in dem die Stärksten und Größten über die Schwächsten und Kleinsten herrschen“. Er forderte zu einer „Rückkehr zu den Prinzipien“ der EU auf.

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar hatte sich Polen an die Spitze der Länder gestellt, die Moskau verurteilen. Warschau forderte stets schärfste EU-Sanktionen gegen Russland sowie enorme Waffenlieferungen an Kiew.