Kraftwerk Donaustadt
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„Pandemieeffekt“ vorbei

Treibhausgase stark gestiegen

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) sieht den „Pandemieeffekt“ bei Treibhausgasemissionen in Österreich als vergangen an. Das Ministerium verwies am Mittwoch auf eine neue Prognose des Umweltbundesamts („Nowcast“), sie liefert eine Einschätzung und vorläufige Trends für das Jahr 2021. Ausgewiesen wurde ein Anstieg der Emissionen um rund 4,8 Prozent.

Nach den vorläufigen Zahlen wurden im Vorjahr 77,1 Mio. Tonnen Treibhausgase emittiert. Vergleichszeitraum ist das „Ausnahmejahr“ 2020, das den Beginn der Pandemie mit ausgedehnten Lockdowns markierte. „Wir müssen unsere Anstrengungen weiter massiv erhöhen“, so Gewessler. Dennoch ist für das Umweltministerium mit Verweis auf bestimmte Bereiche ein „deutlicher Reduktionstrend“ erkennbar.

Im Verkehrsbereich stiegen die Emissionen gegenüber 2020 erwartungsgemäß durch den höheren Absatz an Treibstoffen um 4,3 Prozent bzw. 0,9 Mio. Tonnen. Das Ministerium wies aber darauf hin, dass ein deutlicher Rückgang im Vergleich zur vorpandemischen Zeit erkennbar sei. Gegenüber 2019 seien die Emissionen um zehn Prozent bzw. um 2,4 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent zurückgegangen. Gewessler nannte das „erfreulich“.

„Mehrere Faktoren“

Für das vorläufige Ergebnis gibt es mehrere Faktoren: So spielte die wirtschaftliche Erholung nach einem deutlichen Rückgang 2020 eine Rolle, messbar am Bruttoinlandsprodukt, das um rund 4,5 Prozent stieg, heißt es im „Nowcast“. Die Witterung 2021 war von deutlich tieferen Temperaturen geprägt, dadurch zeigte sich bei den Heizgradtagen ein Anstieg um 12,5 Prozent gegenüber 2020.

Treibhausgase wieder gestiegen

Welche Folgen der Klimawandel hat, zeigt sich bereits diesen Sommer anhand von Dürren, Wasserknappheit und Waldbrände in weiten Teilen Europas. Insgesamt 77,1 Millionen Tonnen Treibhausgase wurden 2021 in die Luft geblasen. Dabei müsste es deutlich nach unten gehen, denn bis 2040 soll Österreich klimaneutral werden.

Die Umweltministerin kündigte an, auch die Wirtschaft, Industrie und Energie verstärkt in den Fokus zu nehmen – „mit dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG), dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), der Förderaktion ‚Raus aus Öl und Gas‘ oder mit der ökosozialen Steuerreform", so Gewessler. Es sei „völlig klar, dass für eine gute und klimafreundliche Zukunft noch mehr kommen muss. Denn die Emissionen müssen Jahr für Jahr sinken.“

Westausfahrt und Westeinfahrt bei Auhof
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Emissionsanstieg 2021 im Jahresvergleich auch im Verkehr – doch Rückgang im Vergleich zur vorpandemischen Zeit

Starker Anstieg bei Industrie und Energieerzeugung

In der industriellen Produktion und in der Energieerzeugung, die dem Emissionshandel zugeordnet sind, waren im Jahr 2021 deutliche Emissionssteigerungen zu verzeichnen, so der „Nowcast“: Der Anstieg um rund 6,2 Prozent bzw. rund 1,7 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent sei insbesondere auf die deutlich höhere Stahl- (plus 18 Prozent bzw. plus 1,6 Mio. Tonnen CO2) und Zementproduktion (plus 0,2 Mio. Tonnen CO2) sowie auf die höhere Stromproduktion aus Gaskraftwerken (plus 0,3 Mio. Tonnen CO2) zurückzuführen.

„In der Industrie und heimischen Stromproduktion ist nach wie vor die Abhängigkeit von Öl und Gas, allem voran aus Russland, sehr deutlich. Darum werden wir bis 2030 unseren Strombedarf zu 100 Prozent aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse decken können und auch unsere Wärmeversorgung in Österreich auf klimafreundliche Alternativen umstellen“, kündigte Gewessler an.

Höherer Verbrauch von Öl und Gas in Gebäuden

Im Sektor Gebäude bewirkten die deutlich höhere Anzahl der Heizgradtage und der damit verbundene Heizöl- (plus 7,0 Prozent) und Erdgasverbrauch (plus 15,6 Prozent) eine Steigerung der Emissionen um 11,3 Prozent bzw. 0,9 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent. Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern sei auch in diesem Bereich stark spürbar, so Gewessler. Sie verwies etwa auf das Ende von neu verbauten Gasheizungen in Neubauten ab 2023.

Altbauten in Wien-Ottakring
ORF.at/Roland Winkler
Auch der Mehrbedarf an Heizöl und Erdgas ließ die Emissionen steigen

Wenig Veränderung in Landwirtschaft

Im Sektor Landwirtschaft blieben die Emissionen laut vorläufigen Zahlen 2021 auf ähnlichem Niveau wie 2020. Die abnehmenden Trends der vergangenen Jahre in der Abfallwirtschaft und bei den fluorierten Treibhausgasen (F-Gase) setzten sich auch 2021 fort. Insgesamt zeigten die vorläufigen Zahlen für die Wirtschaftssektoren, die nicht dem Europäischen Emissionshandel unterliegen, im Jahr 2021 Emissionen in der Höhe von etwa 48,4 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent. Damit sei die Höchstmenge für 2021 um 0,4 Mio. Tonnen unterschritten worden.

Kritik und Forderungen von NGOs

WWF Österreich reagierte mit der Forderung nach einem umfassenden Klimaschutz- und Energiesparprogramm. Parallel zu einer Mobilitätswende müssten „umweltschädliche Subventionen in Milliardenhöhe abgebaut sowie wertvolle Naturräume besser geschützt werden“, so Klimasprecher Thomas Zehetner. Gegen „anhaltenden Flächenfraß“ brauche es einen Bodenschutzvertrag.

Greenpeace kritisierte Österreichs Untätigkeit und jahrzehntelange Abhängigkeit von Öl und Gas. Wichtige Gesetze, etwa zu Klimaschutz und Energieeffizienz, seien ausständig, das in Verhandlung befindliche Erneuerbare-Wärme-Gesetz sei lückenhaft. Es hat zum Ziel, Öl- und Gasheizungen Schritt für Schritt aus den Haushalten zu verbannen, baue aber über die Option „grünes Gas“ eine Hintertür ein, damit auch nach 2040 noch Gasheizungen im Betrieb sein können.

Laut dem Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz müssen für die Erreichung des Ziels Klimaneutralität 2040 pro Jahr die Treibhausgasemissionen um etwa 4,5 Mio. Tonnen CO2 sinken, erinnerte Global 2000 – 2021 stiegen sie um 3,5 Mio. Tonnen. „Angesichts der fatalen Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen sollte es selbstverständlich sein, dass Gasheizungen auf klimafreundliche Heizgeräte ausgetauscht werden. Der zuletzt vorgelegte Entwurf des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes ist deshalb dringend nachzubessern“, forderte Klima- und Energiesprecher Johannes Wahlmüller.

VCÖ: Senken von Tempolimits als rasche Maßnahme

Die Emissionen des Verkehrs waren im Pandemiejahr 2021 zwar niedriger als im Jahr 2019, aber um über 50 Prozent höher als 1990, analysierte die Mobilitätsorganisation VCÖ. Rasch wirksam wären niedrigere Tempolimits. „Österreich kann seine Klimaziele nur mit weniger Lkw-Verkehr und weniger Autoverkehr erreichen“, sagte VCÖ-Experte Michael Schwendinger.

Emissionen EU-weit fast so hoch wie vor Pandemie

Am Dienstag legte die EU-Statistikbehörde Eurostat aktuelle Zahlen vor: Die EU stieß im ersten Quartal dieses Jahres fast so viele klimaschädliche Gase wie im gleichen Zeitraum vor der Pandemie aus. Zwischen Jänner und März wurden laut Eurostat 1.029 Mio. Tonnen CO2 und andere Treibhausgase ausgestoßen. Im gleichen Quartal 2019 waren es 1.035 Mio. Tonnen. Verglichen mit den ersten drei Monaten der Pandemiejahre 2020 und 2021 stiegen die Emissionen um sieben und sechs Prozent an.

Grund für den weiteren Anstieg sei vor allem die wirtschaftliche Erholung von der Viruskrise, schrieb Eurostat. So sei der Ausstoß klimaschädlicher Gase im Vergleich zum ersten Quartal im vergangenen Jahr in allen Wirtschaftssektoren gestiegen, bei den Haushalten jedoch gleich geblieben.

Bei den Ländern hatten nur die Niederlande und Finnland einen Rückgang der CO2-Emissionen von jeweils minus neun Prozent. In Österreich stieg der Ausstoß laut Eurostat um elf Prozent und lag deutlich über dem Vor-Pandemie-Niveau. Am meisten Zuwachs verzeichneten Bulgarien (plus 38 Prozent), Malta (plus 21 Prozent) und Irland (plus 20 Prozent).