Die Reise erfolge auf Einladung Selenskyjs, so Dujarric weiter. Ein Thema werde die Schwarzmeer-Getreideinitiative sein, hieß es. Bei dieser spiele die Türkei eine entscheidende Rolle. Auch werde ein bilaterales Treffen Selenskyjs mit Guterres erwartet. Nach türkischer Darstellung soll es bei dem Treffen Selenskyjs mit Guterres und Erdogan auch um diplomatische Wege aus dem Krieg gehen.
Auf dem Dreiergipfel am Donnerstag werde unter anderem die „Beendigung des Krieges zwischen der Ukraine und Russland auf diplomatischem Wege erörtert“, hieß es in einer Stellungnahme des türkischen Präsidialamtes.
Auch AKW Saporischschja soll Thema werden
Die Vereinten Nationen hatten sich bezüglich möglicher Gespräche mit Selenskyj über ein Ende der Kampfhandlungen deutlich zurückhaltender gezeigt. „Es gibt eine Reihe von Fragen, die angesprochen werden: der Konflikt im Allgemeinen, die Notwendigkeit einer politischen Lösung dieses Konflikts“, sagte Dujarric auf die Frage, ob auch über Verhandlungen für einen dauerhaften Waffenstillstand gesprochen werde. Guterres betont immer wieder, er sei ein Freund der stillen Diplomatie, die Wege aus einem Konflikt hinter geschlossenen Türen verhandelt.
Ende Juli hatten die UNO und die Türkei Vereinbarungen vermittelt, aufgrund derer die Ukraine trotz des russischen Angriffskrieges wieder Getreide über ihre Schwarzmeer-Häfen ausführen kann. Die UNO befürchtet Lebensmittelknappheit und Hunger in armen Teilen der Welt, wenn die Ukraine als ein wichtiger Getreidelieferant ausfällt. Dujarric sagte weiter, es gebe „keinen Zweifel“ daran, dass auch die gefährliche Lage um das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja und eine angepeilte internationale Expertenmission zu dem Kraftwerk angesprochen werden.
Streit mit USA über russisches Raketenabwehrsystem
Erdogan versucht den Spagat zwischen dem Westen und Russland. Die Kämpfe zwischen der Ukraine und Russland betreffen auch das Schwarze Meer, dessen Anrainer auch die Türkei ist. Die türkische Regierung sperrte nach Beginn des Ukraine-Krieges den Bosporus und die Dardanellen, also die Verbindung vom Mittelmeer zum Schwarzen Meer, für russische Kriegsschiffe. Erdogan forderte damals auch Putin zum Abzug aus der Ukraine auf.
Streit mit dem Westen gab es allerdings wegen des Kaufes eines modernen russischen Raketenabwehrsystems im Jahr 2019 durch das NATO-Land Türkei. Damals wurde die Türkei aus dem F-35-Kampfflugzeugprogramm der USA ausgeschlossen. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine unterstützt die US-Regierung unter Präsident Joe Biden die Türkei jedoch wieder stärker.
NATO-Erweiterung zuerst blockiert
Offenbar wegen des Ausschlusses aus dem F-35-Programm bezog Erdogan auch Position gegen den NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands. Offiziell hieß es allerdings, dass die beiden Länder Terrororganisationen unterstützten.
Ankara hatte den Beginn des Prozesses zunächst als einziges NATO-Land blockiert und diese Haltung mit der angeblichen schwedischen und finnischen Unterstützung von „Terrororganisationen“ – gemeint war die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) – begründet. Ende Juni unterzeichneten die drei Länder dann eine Absichtserklärung, die auf die türkischen Vorbehalte einging.
Große Abhängigkeit der Türkei von Russland
Zugleich setzt Erdogan auf Russland als Partner. Die Türkei ist von Getreide, Energie und Touristinnen und Touristen aus Russland abhängig. 2020 stammten fast 34 Prozent der türkischen Gasimporte von dort. Über die Türkei verlaufen russische Gaspipelines. Obwohl die Türkei NATO-Mitglied ist, beteiligt sie sich nicht an den westlichen Sanktionen gegen Russland – was die Bedeutung des Landes etwa für russische Firmen steigert.
Die Zusammenarbeit zwischen Russland und Türkei soll offenbar enger werden, wie es Anfang August bei einem Treffen zwischen Erdogan und Putin in der russischen Schwarzmeer-Hafenstadt Sotschi hieß. Erdogan hatte bereits vor dem Treffen gesagt, dieses werde „eine ganz neue Seite in den türkisch-russischen Beziehungen aufschlagen“.
Moskau: Europa soll Türkei „dankbar sein“
Russland und die Türkei wollen ihre Zusammenarbeit in Wirtschafts- und Energiefragen ausweiten. Es seien „sehr wichtige Entscheidungen“ getroffen worden, sagte Russlands Vizeregierungschef Alexander Nowak. Bei ihrem Treffen in Sotschi einigten sich die beiden laut Kreml „trotz der derzeitigen regionalen und globalen Herausforderungen“ auf „konkrete Maßnahmen“ zur Stärkung der Zusammenarbeit in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft, Industrie, Finanzen und Tourismus. So sollen etwa für russische und türkische Unternehmen die Bedingungen für eine Zusammenarbeit erleichtert werden.
Angriffe vor Gipfeltreffen
UNO-Generalsekretär Antonio Guterres und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan kommen am Donnerstag in Lwiw mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammen. Vor dem Gipfeltreffen kam es erneut zu russischen Angriffen im Osten der Ukraine.
Auch das türkische Atomkraftwerk Akkuyu, das von einem russischen Staatsunternehmen gebaut wird, sei bei dem rund vierstündigen Treffen zur Sprache gekommen, sagte Nowak. Darüber hinaus hätten sich beide Seiten darauf geeinigt, dass die Türkei für russisches Gas künftig in Rubel zahlen werde. Der Kreml-Chef lobte auch das Pipelineprojekt „Turkstream“. Europa solle der Türkei dankbar für die ununterbrochenen Lieferungen von russischem Gas sein, sagte Putin weiter.
Waffengeschäfte mit Russland nicht ausgeschlossen
Mit Spannung erwartet worden war bei dem Treffen in Sotschi auch, ob Putin und Erdogan über einen möglichen Erwerb von türkischen Kampfdrohnen durch Russland sprechen würden. Im Zuge seines Krieges gegen die Ukraine hatte Moskau zuletzt Interesse an den Waffen vom Typ Bayraktar TB2 geäußert. Putin habe vorgeschlagen, gemeinsam mit der Türkei an den Drohnen des Unternehmens Baykar zu arbeiten, zitierte der Sender CNN Türk Erdogan.
Erdogan hatte bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges gesagt, er schließe Waffengeschäfte mit Russland nicht aus. Sollte Russland die Drohnen gemeinsam mit der Türkei entwickeln, bekäme Moskau damit auch Zugriff auf die Technik eines NATO-Mitgliedsstaates. Ob das Thema zur Sprache kam, wurde nicht bekannt.