Menschen auf der Straße
ORF.at/Roland Winkler
Inflation

Steilvorlage für Herbstlohnrunde

Die Herbstlohnrunde wirft angesichts der hohen Inflation – im Juli 9,3 Prozent – ihren Schatten voraus. Auch der gesetzliche Mindestwert bei der Pensionserhöhung auf Basis der Inflation wurde am Donnerstag bekanntgegeben, die Anpassungszahl liegt bei 5,8 Prozent, könnte aber in den Verhandlungen noch erhöht werden. Den Auftakt für die Lohnrunde machen traditionell die Metaller – auch hier legt man sich die Latte hoch, wie die Gewerkschaft am Donnerstag zeigte.

Bei der Juli-Inflation sind weiterhin Treibstoffpreise die Haupttreiber. Spürbar ist die Teuerung auch bei der Haushaltsenergie und in der Gastronomie. Der wöchentliche Einkauf wurde ebenfalls deutlich teurer: Der Preisanstieg des Miniwarenkorbes war im Juli mit 19,1 Prozent mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Inflation. Rechnet man die Ausgaben für Treibstoffe, Energie, Nahrungsmittel und Gastronomie heraus, kommt man auf eine Teuerungsrate von 3,7 Prozent.

Die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke stiegen im Durchschnitt um 12,5 Prozent. Für Milch, Käse und Eier bezahlten Kundinnen und Kunden um 17,4 Prozent mehr, für Fleisch um 13,9 Prozent. Gemüse verteuerte sich um 12,5 Prozent, Brot und Getreideerzeugnisse um 11,2 Prozent – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Metaller: Nicht unter dieser Inflationsrate

Angesichts der hohen Inflation ist ein heißer Herbst bei den Lohnverhandlungen so gut wie sicher. Am 19. September startet die Herbstlohnrunde mit der Forderungsübergabe der Gewerkschaften an die Arbeitgeber der Metalltechnischen Industrie. Für die Arbeitnehmer stellte Chefverhandler Rainer Wimmer (PRO-GE) am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal klar, dass die Verhandlungsbasis eine „rollierende Inflation“ von sechs, sieben Prozent ist: „Wir werden ganz sicher nicht unter dieser Inflationsrate abschließen, sondern im Gegenteil, wir werden einen Reallohnzuwachs verhandeln.“

Eine konkrete Zahl für das geforderte Plus nannte er nicht, diese werde er beim Verhandlungsstart bekanntgeben. Basis für die Kollektivvertragsverhandlungen sind traditionell die Inflationsrate der vergangenen zwölf Monate und der Produktivitätszuwachs.

Dieser Einschätzung schloss sich der Fachverband Metalltechnische Industrie (FMTI) an. Er verwies gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal auf die besonders fordernden und außergewöhnlichen Rahmenbedingungen. Die hohe Inflation betreffe Unternehmen wie Arbeitnehmer gleichermaßen, es brauche daher „Vernunft, Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein“.

Verhandlungen werden „sehr, sehr, sehr schwierig“

Peter Kostelka, Präsident des SPÖ-Pensionistenverbandes forderte am Donnerstag erneut eine Anhebung für die Senioren und Senorinnen von um die zehn Prozent, dafür äußerte Wimmer Verständnis. Angesprochen darauf, ob das auch die Latte für die Gewerkschaften ist, sagte deren Chefverhandler: „Wir werden jetzt über Prozente nicht sprechen, aber ich verstehe total die Forderung, die der österreichische Pensionistenverband mit seinem Obmann Dr. Peter Kostelka aufgestellt hat.“ Die Lohnverhandlungen würden jedenfalls „sehr, sehr, sehr schwierig“ werden, sagte der PRO-GE-Chef.

Kräftige Pensionserhöhung erwartet

Auch die Pensionserhöhung sollte angesichts der Teuerung kräftig ausfallen. Die Anpassungszahl liegt laut Statistik Austria bei voraussichtlich 5,8 Prozent, der Wert ergibt sich aus den durchschnittlichen Inflationswerten von August 2021 bis Juli 2022.

Die Politik kann freilich auch höhere Zuwendungen als die 5,8 Prozent beschließen. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) deutete gegenüber der APA an, dass es wieder eine soziale Staffelung geben werde. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) hatte acht bis zehn Prozent bereits von sich aus ins Treffen gebracht.

ÖVP-Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec wollte sich auf keine Zahl festlegen, forderte aber ebenfalls ein deutliches Plus und eine generelle Erhöhung: „Wer heute in Pension ist, hat Anspruch auf volle Inflationsanpassung und braucht zusätzliche Maßnahmen, um die Teuerung abzufedern.“

Pensionistenvertreter Kostelka zu Pensionen

Peter Kostelka, Präsident des SPÖ-Pensionistenverbandes, spricht über die Forderungen nach einer Pensionserhöhung über den gesetzlichen Anpassungswert hinaus.

Kostelka: Rasch verhandeln

Auf genaue zusätzliche Maßnahmen zur vollen Inflationsanpassung lege sie sich vorab bewusst nicht fest, so Korosec: „Wie die Maßnahmen im Detail aussehen werden, wird sich im Zuge der Gespräche zeigen, plakative Forderungen im Vorfeld halte ich nicht für zielführend.“ Die Seniorenbund-Präsidentin betonte, dass es sich dabei um ein breites Bouquet an verschiedenen Maßnahmen handeln könne. Wichtig seien Schnelligkeit und Treffsicherheit.

Kostelka erneuerte am Donnerstag, dass die „Verhandlungsbasis“ aus seiner Sicht bei zehn Prozent liegt. „Die Pensionisten dürfen aber nicht ein weiteres Jahr viel weniger bekommen, als die aktuelle Teuerung ausmacht. Die Preise für Essen, Heizen und Wohnen sind dramatisch gestiegen und steigen laut Prognosen noch weiter an“, argumentierte Kostelka. Es müsse nun rasch im Rahmen eines Pensionsgipfels verhandelt werden. Für SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried ist eine „sofortige vorgezogene Pensionserhöhung“, die die gesamte Teuerung abgelten soll, „das Gebot der Stunde“.

NEOS: „Zukunftsvergessen und unverantwortlich“

Grünen-Chef Werner Kogler plädierte indes bereits im ORF-„Sommergespräch“ ebenfalls dafür, die unteren Einkommen proportional stärker zu erhöhen. Kogler kann sich eine soziale Staffelung mit höheren Sockelbeträgen für die unteren Einkommen vorstellen. Eine andere Möglichkeit wäre, heuer um zwei bis 2,5 Prozent über den gesetzlichen Wert zu gehen, dafür im kommenden Jahr unter der Inflation zu erhöhen.

FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch sprach sich ebenfalls für eine große Erhöhung aus: „Alles unter zehn Prozent wäre aus heutiger Sicht ein Hohn und könnte nur als Almosen bezeichnet werden. Unsere Eltern und Großeltern werden von ÖVP und Grünen enteignet und in die Armut getrieben.“

NEOS sprach sich am Donnerstag für eine Erhöhung der Pensionen gemäß den gesetzlichen Vorgaben, also eine Erhöhung um 5,8 Prozent, aus, allerdings mit Einmalzahlungen für „die Allerkleinsten“, wie NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker forderte. Dass die Chefs von Seniorenbund und Pensionistenverband jedes Jahr das Gesetz infrage stellten, sei „zukunftsvergessen und unverantwortlich“. Gäbe es einen höheren Pensionsanstieg, käme das System noch mehr in Schieflage, und die Umverteilung von Jung zu Alt werde weiter verstärkt.

Forderung nach Pensionserhöhungen

Pensionistenvertreter fordern angesichts der Teuerung eine deutlich größere Erhöhung der Pensionen, als es der gesetzliche Anpassungswert vorsieht. Die Regierung zeigt sich verhandlungsbereit und stellt eine soziale Staffelung in Aussicht.

Modell „in den nächsten Wochen“

Wie hoch die Pensionserhöhung tatsächlich ausfallen wird, muss noch verhandelt werden. Brunner kündigte an, dass die Bundesregierung „jene, die besonders unter der Teuerung leiden, stärker entlasten“ werde. „Die Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, werden nicht im Stich gelassen. Das sind insbesondere Bezieherinnen und Bezieher kleiner Pensionen.“ Wie in den vergangenen Jahren wird es also wohl eine soziale Staffelung geben.

Die Bundesregierung habe das ganze Jahr bereits viele Maßnahmen gegen die Teuerung umgesetzt, unterstrich Brunner wie bereits insgesamt 600 Euro Teuerungsausgleich und eine Einmalzahlung für Pensionistinnen und Pensionisten. „Wir werden jetzt in der Koalition das Gespräch führen und in den nächsten Wochen ein Modell für die Pensionserhöhung vorlegen“, so Brunner. Wichtig sei wie bei allen Antiteuerungsmaßnahmen, „dass sie sozial treffsicher sind“, deshalb sei das Ziel, „gerade jene, die es am dringendsten brauchen, stärker zu entlasten“.

Plakolm: „Nicht das geringste Verständnis“ für SPÖ

In der Debatte zeichneten sich auch ÖVP-interne Unstimmigkeiten ab. Denn ÖVP-Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm sprach sich gegen eine starke Erhöhung hoher Pensionen und für mehr „Generationengerechtigkeit“ aus. „Zwischen dem, was die automatische Pensionsanpassung voraussichtlich ausmachen wird, und der Forderung des Pensionistenverbands liegen mehr als 700 Mio. Euro pro Jahr“, kritisierte Plakolm. „Über eine halbe Milliarde, die jährlich in den Schuldenrucksack der Jugend gepackt wird, statt für Bildung oder junge Familien verwendet zu werden, ist unverantwortlich.“

Die Position der SPÖ-Pensionistenvertretung rief am Donnerstag Plakolm erneut auf den Plan: „Für die wiederholte Forderung von Herrn Kostelka, Höchstpensionen von 5.000 Euro oder noch mehr um zehn Prozent zu erhöhen, habe ich nicht das geringste Verständnis“, kritisierte sie in einer Aussendung. „Ich kann nur im Namen aller Enkel und Urenkel inständig bitten, nicht jedes Jahr aufs Neue mehr auszugeben, als wir haben.“