Ein Thermometer mit Sonnenschirm im Hintergrund, auf dem die Sonne zwischen den Werten 30 und 40 durchscheint
Getty Images/the_burtons
Klimakrise

Meteorologie braucht neue Begriffe

Hitzetage ab 30 Grad Celsius und Tropennächte mit der Tiefsttemperatur von 20 Grad oder mehr: Die Begriffe in der klassischen Klimatologie sind etabliert. Die Klimakrise aber bedarf neuer Termini. Tage, an denen die Temperaturen 35 Grad oder gar 40 erreichen, sind namenlos – für rasch verfügbare statistische Aussagen wären passende Kategorien aber wichtig.

Im angloamerikanischen Raum gibt es bereits länger Ausdrücke, die der Klimakrise geschuldet sind: Bei Extremhitze ist etwa die Rede von „triple digits“ („dreistelligen Zahlen“). Gemeint sind Temperaturen von zumindest 100 Grad Fahrenheit, das sind umgerechnet ca. 37,8 Grad. Erst voriges Monat hatten die „triple digits“ Hochkonjunktur, nachdem die Wetterdienste im US-Bundesstaat Texas erstmals an über 40 Tagen im Jahr Temperaturen von über 100 Grad Fahrenheit maßen.

Auch im Alpenraum steigt die Zahl der extremen Hitzetage rasant an. Das lässt sich am besten anhand der Klimanormalperioden zeigen, einem klimatologischen Zeitraum von 30 Jahren. Gab es zwischen 1951 und 1980 etwa auf der Hohen Warte in Wien im Schnitt acht Tage über 30 Grad, waren es in der Periode 1981 bis 2010 im Schnitt bereits fast doppelt so viele, nämlich 15 Tage – Tendenz steigend.

35 Grad früher die Ausnahme

Für Klimatologinnen und Klimatologen hätte es in den 1970er Jahren gar keinen Sinn gemacht, sich eine neue klimatologische Größe für 35 Grad zu überlegen. In den meisten Jahren wurde dieser Wert an keiner einzigen Station in Österreich erreicht. Eine aktuelle statistische Auswertung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zeigt, dass im Zeitraum 1961 bis 1990 35 Grad und mehr tatsächlich die absolute Ausnahme waren und diese Temperaturen als große Besonderheit galten.

Eine Anzeige in Los Angeles zeigt 113 Grad Fahrenheit an
APA/AFP/Frederic J. Brown
„Triple digits“: Auch hierzulande werden neue Begrifflichkeiten benötigt

Das hat sich in den letzten 20 Jahren stark geändert. Blickt man auf die Wetterstation der Hohen Warte in Wien, so wurden ab dem Jahr 2000 fast jedes Jahr 35 Grad oder mehr gemessen, mit dem Extremjahr 2015, in dem gar 17 Tage mit 35 Grad und mehr registriert wurden. Die Zahl der Hitzetage liegt heuer auch schon deutlich über dem ohnehin hohen Durchschnitt der vorigen Klimaperiode.

Schlechtes Wetter als Ansichtssache

Daher würde es auch in Europa neue Klimaparameter für Tage ab 35 und wohl auch für 40 Grad brauchen. Fachleute würden sie etwa benötigen, um bei weiteren extremen Hitzewellen rasch verfügbare statistische Aussagen bei der Hand zu haben. Auch für die Politik wären solche Begriffe für Temperaturgrößen relevant, etwa wenn an bestimmten Tagen „hitzefrei“ gegeben wird. Bei Wiens Fiakern sollen die Pferde ab 35 Grad im Stall bleiben, und auch in der Baubranche sind Schwellenwerte über 35 Grad maßgebend, um der Arbeit fernzubleiben.

Die Begriffe in der Meteorologie haben sich stets weiterentwickelt und relevante Größen etabliert. So gibt es neben weithin bekannten Ausdrücken schon seit Jahrzehnten weitere Aufzählungen wie etwa die Anzahl der „Heiztage“, also Tage mit einem Mittel unter 12 Grad. Passt sich die Sprache an die neuen Gegebenheiten an, verändert sich in der Folge wohl auch die allgemeine Sichtweise, wie Schlecht- und Schönwetter zu bewerten ist. In Zeiten großer Trockenheit und Dürre wird etwa Regen eher Segen sein als Schlechtwetter.