Weinflasche mit Bild von Adolf Hitler
AP/Claudia Gazzini
Nach russischer Doku?

Winzer verspricht Aus für Hitler-Wein

Seit Jahrzehnten sorgen italienische Weine mit Mussolini- und Hitler-Etiketten für Empörung. Der neue Chef jenes Weinguts, das die Flaschen herstellt, verspricht nun, diese aus dem Sortiment zu nehmen. Ausschlaggebend dafür soll unter anderem ein russischer Dokumentarfilm sein.

Seit 1995 gehören Weine der selbst ernannten „historischen Linie“ („Linea Storia“) zum Geschäft des friulanischen Weinguts Vini Lunardelli. Seine Flaschen sind mit 125 unterschiedlichen Etiketten versehen, die unter anderem das Abbild von Sisi, Che Guevara und Napoleon zeigen, aber auch Diktatoren wie Stalin und Franco, Mussolini und Hitler aufgedruckt haben. Die Weine werden online und in Supermärkten verkauft.

Allein die Motivsammlung „Der Führer“ enthält 35 Etiketten mit Fotos von Hitler sowie von nationalsozialistischen Funktionären und Generälen wie Göring, Hess, Himmler und Rommel. Auf einigen Etiketten zeigt Hitler den in Österreich verbotenen Nazi-Gruß. Kundinnen und Kunden können das Weinetikett sogar mit Zitaten aus dem Nationalsozialismus versehen lassen.

„Absolut kein Nazi“

„Leider ist das meistgefragte Label in unserer historischen Reihe Adolf Hitler. Vor allem bei Touristen aus Deutschland, aber auch bei vielen Briten, Nordländern, Franzosen und Russen“, sagte Winzer Andrea Lunardelli zum US-amerikanischen Magazin „Vice“. Tatsächlich stammen von über 20.000 Flaschen, die jedes Jahr weltweit verkauft werden, 12.000 vom deutschen Diktator. Auf nur halb so viele Flaschen kommt etwa Mussolini.

Weinflaschen mit Bildern von Adolf Hitler und Benito Mussolini
APA/AFP/Gabriel Bouys
Trotz vieler Beschwerden und Boykottaufrufe floriert das Geschäft mit den Weinen mit den zweifelhaften Etiketten

Dabei beteuerte Lunardelli, dass er „absolut kein Nazi“ sei. Man könne ihm nichts vorwerfen: „Mich interessieren diese Etiketten nicht, es kommt auf unseren Wein an. Und der ist gut.“ Außerdem verwende er „nur Bilder, die in jedem Geschichtsbuch zu sehen sind. Das italienische Gesetz erlaubt den Vertrieb von Bildern aus dem Faschismus und der Nazi-Zeit“, so Lunardelli.

Auch sein Unternehmen insistiert auf seiner Website, dass seine „historische“-Weinlinie nicht politisch motiviert sei: „Das ist nur eine kommerzielle Seite. Wir lehnen jede Art von politischer Propaganda ab.“ Die Flaschen seien viel mehr für Menschen gedacht, die sich „der Geschichte erinnern“ wollen.

Respektlosigkeit gegenüber Nazi-Opfern

Ganz anders sieht das die jüdische Menschenrechtsorganisation Simon- Wiesenthal-Zentrum, das schon seit den 1990ern gegen den Wein ankämpft. „Wenn die Leute solche Flaschen kaufen, gehen sie nach Hause und stoßen auf das an, wofür Hitler stand. Und das ist empörend“, sagte Rabbi Abraham Cooper, führendes Mitglied des Wiesenthal-Zentrums. Der Wein richte sich klar an faschistische Sympathisantinnen und Sympathisanten, die die Nazi-Verbrechen glorifizieren.

„Antisemitismus, Rassismus und Hass sind nicht mit Adolf Hitler in einem Bunker gestorben. Und jetzt, im Jahr 2022, vermarkten Leute damit Wein“, so Cooper. Auch das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus in Deutschland äußerte sich: „Die Marketingstrategie ist respektlos gegenüber allen Opfern des Nazi-Regimes und ihren Nachkommen.“

Morddrohungen aus Russland

Lunardelli versprach nun italienischen Medienberichten zufolge, alle 125 Weine der „historischen Linie“ ab 2023 – wenn er das 1967 von seinem Vater Alessandro gegründete Weingut in Pasian di Prato in der Provinz Udine übernimmt – zu entfernen. „Ab dem nächsten Jahr wird die gesamte ‚historische Linie‘ mit den Etiketten von Persönlichkeiten wie Hitler und Mussolini verschwinden“, zitierte ihn die italienische Tageszeitung „La Stampa“.

Er möge die Linie nicht und habe die Kontroverse darum satt, so Lunardelli. Kürzlich habe er sogar Morddrohungen aus Russland erhalten, nachdem das russische Staatsfernsehen Rossija 1 Anfang Mai einen Dokumentarfilm aus dem Jahr 2018 über neonazistische Bewegungen in Italien mit Aufnahmen der Weine wiederholt hatte. Außerdem sei seine Lebensgefährtin aus der Ukraine. „Wir möchten nicht mehr mit Nazismus in Verbindung gebracht werden“, sagte der Winzer.

Halbherziger Rückzieher

Skeptisch über Lunardellis Rückzieher zeigt sich der Direktor internationaler Beziehungen des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Shimon Samuels. Schon früher seien diese Weine aus dem Sortiment genommen worden, nur um später wieder in Weingeschäften, Supermärkten und Restaurants zurückzukehren. 2007 mussten sich Weinhändler vor einem Gericht in Bozen wegen „Verharmlosung des Faschismus“ verantworten, wurden aber freigesprochen. Auch zahlreiche italienische Parlamentarier hatten in der Vergangenheit immer wieder vergeblich gegen die Weine protestiert.

2009 hatte ein französisches Ehepaar die Weinflaschen mit dem Hitler-Abbild in einem Supermarkt in Varese entdeckt und für europaweite Empörung gesorgt. Drei Jahre später gab es eine weitere Beschwerde in einem Restaurant im Raum Verona. Zuletzt berichtete die „Kleine Zeitung“ über eine österreichische Touristin, die in einem Supermarkt in Jesolo die Flaschen gesehen und in sozialen Netzwerken gepostet hatte. Wieder gab es einen internationalen Aufschrei.

Aber besonders dann feierte Lunardelli laut eigenen Angaben immer die größten Erfolge, wenn seine Weine für Empörung sorgten. Und auch sein aktueller Rückzieher selbst ist nur halbherzig: Der Kräuterlikör „Amaro del Duce“ werde weiter auf dem Markt bleiben, „weil er zusammen mit einem anderen Unternehmen produziert wird“, rechtfertigte sich der Winzer. Im Internet sind außerdem „Nostalgieweine“ („Vini nostalgici“) eines anderen Weinguts in Venetien zu finden, das Flaschen mit Hitler- und Mussolini-Etiketten verkauft. Darauf dass auch sie nächstes Jahr verschwinden, deutet nichts hin.