Menschen protestieren 2015 in Athen
Reuters/Jean-Paul Pelissier
Griechenland

Eine Chronologie der Finanzkrise

Nach zwölf Jahren endet am Samstag die „verstärkte Überwachung“ („Enhanced Surveillance“) Griechenlands durch die EU. In Athen blieben wegen der Krise bereits mehrere Regierungen auf der Strecke. Immer wieder mussten die Euro-Partner eingreifen, um einen Kollaps des Landes und womöglich auch der Währungsunion zu verhindern. Eine Chronologie der Ereignisse:

Oktober 2009: Die sozialdemokratische Regierung unter Giorgos Papandreou legt die Haushaltsmisere offen. Die konservative Vorgängerregierung hinterlässt Schulden von 350 Mrd. Euro.

April 2010: Athen bekommt auf den Finanzmärkten praktisch keine Kredite mehr und muss als erstes Euro-Land in der Schuldenkrise um internationale Hilfe bitten.

Mai 2010: Die Euro-Staaten und der Internationale Währungsfonds (IWF) gewähren im Gegenzug für rigorose Sparmaßnahmen Notkredite in Höhe von 110 Mrd. Euro.

Oktober 2011: Die Hilfe reicht nicht, die Euro-Staaten arbeiten an einem zweiten Hilfsprogramm. Die Privatgläubiger Griechenlands werden zu einem Schuldenverzicht gedrängt und erlassen Athen schließlich Verbindlichkeiten in Höhe von 107 Mrd. Euro.

November 2011: Regierungschef Papandreou verzichtet auf Druck der Gläubiger auf eine Volksabstimmung über das neue Hilfspaket, tritt dann aber zurück.

März 2012: Die Euro-Finanzminister beschließen das zweite Hilfsprogramm. Griechenland bekommt von den Europäern 130 Mrd. Euro zugesagt. Der IWF ist mit weiteren 19,8 Mrd. Euro dabei.

Mai 2012: Bei der Parlamentswahl werden die Volksparteien Nea Dimokratia und PASOK abgestraft. Eine Regierungsbildung scheitert.

Juni 2012: Bei einer nochmaligen Wahl gewinnt die konservative Nea Dimokratia. Parteichef Antonis Samaras wird Regierungschef einer Dreiparteienkoalition.

April 2014: Griechenland strebt zurück auf die internationalen Finanzmärkte und gibt erstmals seit vier Jahren wieder Staatsanleihen aus.

Dezember 2014: Eine vorgezogene Präsidentschaftswahl durch das griechische Parlament scheitert. Für den 25. Jänner wird deshalb eine Neuwahl des Parlaments angesetzt.

Jänner 2014: Die linke SYRIZA-Partei von Alexis Tsipras gewinnt die Wahl mit dem Versprechen, die Sparpolitik zu beenden. Die Regierung stemmt sich gegen eine Verlängerung des Hilfsprogramms.

Februar 2014: Mitte des Monats stellt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein Ultimatum: „Am 28. (Februar), um 24.00 Uhr, isch over“, warnt er. In letzter Minute wird das Hilfsprogramm bis Ende Juni verlängert.

April 2014: Athens Finanzlage wird kritisch, öffentliche Einrichtungen werden verpflichtet, Finanzreserven an die Zentralbank zu überweisen.

Juni 2014: Tsipras setzt eine Volksabstimmung über die Bedingungen der Gläubiger für weitere Hilfe an – und ruft zur Ablehnung auf. Athen muss Kapitalverkehrskontrollen einführen und Börsen und Banken schließen. Bürger können täglich nur noch 60 Euro an Bankomaten erhalten.

Juli 2014: Bei dem Referendum lehnen mehr als 60 Prozent der Griechen die Gläubigervorschläge ab. Schäuble bringt ein vorübergehendes Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro ins Gespräch. Athen akzeptiert schließlich die meisten Gläubigerauflagen. Ein Euro-Sondergipfel gibt grünes Licht für ein drittes Rettungspaket in Höhe von bis zu 86 Mrd. Euro.

September 2014: Bei einer vorgezogenen Parlamentswahl siegt erneut SYRIZA, und Tsipras bleibt Regierungschef.

Jänner 2016: Die griechische Regierung gibt ihren Widerstand gegen die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) am dritten Hilfsprogramm auf. Der hält die griechische Schuldenlast aber auf Dauer nicht für tragfähig und verlangt weitgehende Erleichterungen für Athen.

Dezember 2016: Athen weist im Gesamtjahr 2016 erstmals wieder einen Haushaltsüberschuss aus.

Juli 2017: Die IWF-Führung erklärt sich grundsätzlich bereit, sich mit 1,6 Mrd. Euro am dritten Hilfsprogramm finanziell zu beteiligen, macht aber deutliche Schuldenerleichterungen zur Voraussetzung.

September 2017: Nach acht Jahren beendet die EU ihr Defizitverfahren gegen Griechenland.

Juni 2018: Der IWF wird sich laut EU-Diplomaten wegen des ungelösten Streits um die Schuldentragfähigkeit nicht mehr finanziell an dem Hilfsprogramm beteiligen.

August 2018: Der Chef des Euro-Rettungsfonds ESM, Klaus Regling, räumt rückblickend Fehler ein – für diese schlimmste Krise seit der großen Depression von 1929 habe es schließlich „kein Drehbuch“ gegeben. Am 20. August endet das dritte ESM-Hilfspaket. Für die Zeit nach dem Hilfsprogramm sagen die europäischen Gläubiger abhängig von der Erfüllung bestimmter Haushalts- und Reformvorgaben Schuldenerleichterungen zu.

Juli 2019: Bei der vorgezogenen Parlamentswahl wird Tsipras abgewählt, Kyriakos Mitsotakis, Chef der konservativen Nea Demokratia gewinnt mit absoluter Mehrheit. Mitsotakis hatte während des Wahlkampfes Steuersenkungen versprochen, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Juni 2020: Ein Prüfbericht der EU-Kommission moniert erhebliche Schwächen der Rettungsprogramme. Die Programme des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und dessen Vorläufers EFSF hätten nicht systematisch und streng auf langfristige Nachhaltigkeit der griechischen Wirtschaft geachtet, heißt es darin.

April 2022: Griechenland zahlt seine gesamten Schulden beim IWF vorzeitig zurück. Die Rückzahlung der Kredite des ESM und der EFSF wird noch Jahrzehnte dauern.

Juni 2022: Die Finanz- und Wirtschaftsminister der Euro-Länder sprechen sich dafür aus, die verstärkte Überwachung auslaufen zu lassen, da Griechenland den Großteil der verlangten Reformen erfolgreich umgesetzt habe.

August 2022: Ab 20. August endet die verstärkte Überwachung Griechenlands der EU-Kommission.