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APA/Helmut Fohringer
Trotz Kritik

Regierung hält an Russland-Sanktionen fest

Angesichts der Teuerung haben sich in den vergangenen Tagen jene Stimmen gemehrt, die die Russland-Sanktionen infrage gestellt haben. Neben der FPÖ kamen diese erstmals, wenn auch vereinzelt, aus der ÖVP. Die Regierung bekräftigte am Sonntag, an den Sanktionen festhalten zu wollen, würden diese doch sehr wohl Wirkung zeigen. Unterdessen warnte NEOS vor einer Spaltung innerhalb der Gesellschaft – einer aktuellen Umfrage zufolge wohl nicht ganz zu Unrecht.

Die Position zu den Sanktionen sei unverändert, heißt es seitens der Regierung. Die Sanktionen seien notwendig, um dem völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine entgegenzutreten.

Das Außenministerium erklärte in einer Stellungnahme, dass die Sanktionen „ein flexibles Werkzeug“ seien und jederzeit angepasst werden können. Daher werde der entsprechende EU-Ratsbeschluss zu den Wirtschaftssanktionen in Brüssel auch halbjährlich überprüft.

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ORF.at/Christian Öser
Die hohen Energiepreise lösten eine Debatte über die Russland-Sanktionen aus

„Die Sanktionen wirken“

Gleichzeitig bekräftigte das Ressort die Wirksamkeit der Sanktionen. „Die Sanktionen wirken – jeden Tag ein Stück mehr. Die russische Wirtschaft wird dieses Jahr um mindestens sechs Prozent schrumpfen, andere Prognosen sprechen sogar von bis zu zehn Prozent. Für die EU erwartet die EU-Kommission hingegen ein Wachstum von rund 2,7 Prozent.“

„Wir wollen eine regelbasierte Weltordnung, nicht das Gesetz des Dschungels, wo sich der Stärkere einfach holen kann, was er will. Wir können und werden es nicht zulassen, wenn im 21. Jahrhundert versucht wird, mit Panzern und Raketen Fakten zu schaffen und Grenzen zu verschieben“, so das Außenministerium.

Und weiter: Putin rechne damit, „dass wir uns als pluralistische offene Demokratien auseinanderdividieren lassen, dass wir nicht den Willen haben, ihm rote Linien aufzuzeigen“. Die größte Stärke der EU sei die Einigkeit, die es zu bewahren gelte.

EU-Flaggen vor EU-Kommission in Brüssel
Reuters/Yves Herman
„Die größte Stärke der EU ist die Einigkeit, die müssen wir uns bewahren“, so das Außenministerium

NEOS-Appell gegen Spaltung

Ähnlich äußerte sich am Sonntag auch der außenpolitische Sprecher der NEOS: „Wenn jetzt die Sanktionen gegen Russland infrage gestellt werden, dann sind ein paar österreichische Politiker auf die von Russland verbreitete Propaganda hereingefallen“, sagte Helmut Brandstätter in einer Aussendung.

„Wir dürfen nicht den Fehler machen, hier in Europa untereinander zu streiten. Die Spaltung ist genau das, was Putin will“, so der NEOS-Abgeordnete. Er forderte, den Druck auf Putin aufrechtzuerhalten.

Umfrage: Geteilte Meinung in Bevölkerung

Die Bevölkerung sieht die Sanktionen unterdessen höchst unterschiedlich. 38 Prozent wollen sie ganz zurücknehmen (26 Prozent) beziehungsweise lockern (zwölf Prozent), 39 Prozent wollen sie wie bisher fortführen (19 Prozent) beziehungsweise sogar noch verschärfen (20 Prozent). Der Rest legte sich nicht fest, so der aktuelle APA/ATV-„Österreich Trend“ von Peter Hajek.

42 Prozent glauben nicht, dass die Sanktionen gegen Russland Wirkung zeigen – und zwar „weder jetzt noch in der Zukunft“. Elf Prozent sind bei dieser Frage der Meinung, „ja, das sieht man schon jetzt deutlich“, 28 Prozent glauben an eine mittel- oder langfristige Wirkung. 19 Prozent trauten sich keine Beurteilung zu oder machten keine Angabe. Und: 70 Prozent der Befragten gaben an, die Teuerung als Problem zu sehen. Befragt wurden 1.615 Personen.

Grafik zu einer Umfrage zu Russland-Sanktionen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Hajek/ATV/APA

ÖVP für Evaluierung

Ausgelöst wurde die Debatte über die Sanktionen am Freitag vom oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). Man müsse diese überdenken, falls es im Herbst zu Energieengpässen kommt, sagte er in der „Krone“ und der „Kleinen Zeitung“. Auch Tirols ÖVP-Obmann Anton Mattle, der sich gerade im Wahlkampf befindet, zeigte sich „offen“ für den Vorstoß, die Sanktionen auf „Treffsicherheit zu überprüfen“.

Die Bundes-ÖVP stellte am Freitag klar, dass man geschlossen hinter den EU-Sanktionen gegen Russland stehe: „Wenn wir dem militärischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine nichts entgegensetzen, würden wir das Signal senden, dass Völkerrechtsbruch toleriert wird. Letztlich brächten wir damit unsere eigene Sicherheit in Gefahr.“

Analyse von Paul Krisai

Krisai zu den Sanktionen und deren Wirkung.

Als Reaktion auf eine unrechtmäßige Verhaltensweise müssten Sanktionen unter Berücksichtigung verschiedenster Parameter aber regelmäßig evaluiert werden. Das habe auch Stelzer zum Ausdruck gebracht, betonte man. Auch aus dem Kanzleramt hieß es, dass die Sanktionen „von Zeit zu Zeit evaluiert werde müssen“, wie Oe24 am Samstag eine Sprecherin von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zitierte.

Karas entschieden gegen Ende der Sanktionen

Unterdessen schrieb Othmar Karas (ÖVP), Vizepräsident des Europaparlaments am Sonntag auf Twitter: „Wer jetzt der Lockerung oder dem Ende von Sanktionen das Wort redet, der schwächt die europäische Einigkeit, stärkt Putins Spaltungsstrategie und dessen barbarische Expansionspläne. Wir haben in dieser Frage vor der Geschichte zu bestehen – nicht vor der nächsten Wahl.“ Es sei Aufgabe der Regierung, nun Maßnahmen gegen die Inflation zu treffen – „die Ursache der neuen Teuerungswelle sind aber nicht nur die Sanktionen, sondern Putins kriegerisches Treiben“.

Kickl fordert Volksbefragung

FPÖ-Chef Herbert Kickl forderte daraufhin am Samstag eine Volksbefragung, die „so bald wie möglich“ durchgeführt werden müsse. Er begrüße die „Stimmen der ökonomischen Vernunft“ innerhalb der ÖVP und unterstütze sie auch, sagte Kickl in einer Aussendung am Samstag und kündigte entsprechende parlamentarische Anträge an.

„Diese Sanktionen haben keinerlei Auswirkung auf den Krieg, die sind aber ein Anheizer der Teuerung und ein Knieschuss für die heimische Wirtschaft“, so Kickl. Für die FPÖ stehe der Erhalt des Wohlstandes im eigenen Land im Vordergrund.

Kassa im Supermarkt
ORF.at/Zita Klimek
70 Prozent der Bevölkerung sehen die Teuerung als Problem, Kickl will daher eine Volksbefragung zu den Sanktionen

„Verheerende Wirkung“ auf russische Wirtschaft

Was die Wirksamkeit betrifft heißt es dazu in einem Artikel der „Foreign Policy“ („FP“): Die Sanktionen seien „weit davon entfernt, wirkungslos oder enttäuschend zu sein“, sondern hätten im Gegenteil zusammen mit dem Rückzug westlicher Unternehmen eine „verheerende Wirkung auf die russische Wirtschaft ausgeübt“. Die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage sei eine starke, wenn auch unterschätzte Ergänzung zu der sich verschlechternden politischen Lage, in der sich Putin befinde.

Weiter heißt es: „Mit Blick auf die Zukunft gibt es für Russland keinen Weg aus der wirtschaftlichen Misere, solange die verbündeten Länder geschlossen den Sanktionsdruck gegen Russland aufrechterhalten und erhöhen.“ Die russische Wirtschaft sei „in jeder Hinsicht“ ins Taumeln geraten. Jetzt sei es nicht an der Zeit, auf die Sanktionsbremse zu treten, so „FP“.