Ermittler am Anschlagsort nahe Moskau
AP/Investigative Committee of Russia
Attentat auf Dugin-Tochter

Russlands Geheimdienst beschuldigt Ukraine

Am Sonntag ist Darja Dugina, die Tochter des rechtsnationalistischen russischen Ideologen Alexander Dugin, in Moskau von einer Autobombe getötet worden. Nun warf Russland dem ukrainischen Geheimdienst vor, hinter dem Attentat zu stecken. Die Ukraine hatte bereits im Vorfeld jede Verwicklung dementiert und Russland beschuldigt, den Anschlag als Vorwand für weitere Aggressionen nutzen zu wollen.

Die 29-Jährige – eine glühende Verfechterin des russischen Krieges gegen die Ukraine – starb in der Nacht auf Sonntag, als ihr Auto in einer Moskauer Vorstadtsiedlung explodierte. Der russische Geheimdienst FSB beschuldigte nun die ukrainischen Geheimdienste, für das Attentat verantwortlich zu sein. Die „Ermordung“ von Dugina sei „von ukrainischen Spezialeinsatzkräften vorbereitet und ausgeführt worden“, behauptete der Geheimdienst am Montag laut Berichten russischer Nachrichtenagenturen.

Russlands Geheimdienst veröffentlicht Video

Ausgeführt habe die Tat eine 1979 geborene ukrainische Staatsbürgerin, die im Juli nach Russland eingereist sei. Sie habe sich im gleichen Haus wie Dugina eingemietet und diese beschattet. Am Abend des Attentats habe sie die gleiche Veranstaltung besucht wie Dugina und deren Vater. Das Auto der 29-Jährigen war auf dem Heimweg explodiert. Anschließend sei die angebliche Attentäterin nach Estland ausgereist.

Später veröffentlichte der FSB ein Video, das die angebliche Mörderin zeigen soll. Mehrere aneinander geschnittene Aufnahmen in dem rund zwei Minuten langen Clip sollen zeigen, wie die angebliche Ukrainerin in Russland ankommt, das Haus ihres mutmaßlichen Opfers betritt und dann nach der Tat das Land wieder verlässt. „Russische Propaganda lebt in einer fiktionalen Welt“, kommentierte der ukrainische Präsidentenberater Mykhailo Podolyak.

Eine ukrainische Frau und ihr zwölfähriges Kind seien für die Sprengung des Autos der Propagandistin Dugina verantwortlich gemacht worden. „Überraschenderweise haben sie das ‚estnische Visum‘ nicht vor Ort gefunden“, sagte er in Anspielung auf die Behauptung des FSB, die Frau sei inzwischen nach Estland geflohen.

Ukraine „hat absolut nichts damit zu tun“

Russlands Präsident Wladimir Putin sprach nach dem Mord an Dugina der Familie der 29-Jährigen sein Beileid aus. In einem Telegramm an ihren Vater schrieb Putin am Montag: „Ein hässliches, brutales Verbrechen hat das Leben von Darja Dugina zerstört, eines glänzenden, talentierten Menschen mit einem echten russischen Herz, gut, liebevoll, hilfsbereit und offen.“ Journalistin, Gelehrte, Philosophin, Kriegskorrespondentin, sie habe den Menschen, dem Vaterland ehrlich gedient und durch Taten gezeigt, was es bedeute, eine Patriotin Russlands zu sein, schrieb Putin weiter.

Darya Dugina
Reuters/Tsargrad.tv
Die Kriegsunterstützerin Dugina war öffentlich präsent

Noch vor dieser Anschuldigung hatte die Ukraine jede Beteiligung an dem Attentat zurückgewiesen. „Die Ukraine hat absolut nichts damit zu tun, wir sind kein krimineller Staat wie Russland und definitiv kein terroristischer Staat“, so Präsidentenberater Mychailo Podoljak. Es gebe in Russland permanent Versuche, den Konflikt weiter zu eskalieren, um einen Vorwand für eine Generalmobilmachung zu schaffen. „Sie werden den Vorfall nutzen, um den ideologischen Druck auf die russische Gesellschaft zu erhöhen“, so Podoljak.

Tatsächlich lasteten russische Kommentatoren das Attentat direkt der Ukraine an, ohne Beweise vorzulegen. Margarita Simonjan, Chefredakteurin des russischen Senders RT und eine zentrale Propagandistin, sah die Ukraine in der Verantwortung und forderte einen Beschuss der Ukraine.

Angebliche russische Partisanenbewegung

Zuvor war ein Manifest aufgetaucht, in dem sich eine bisher unbekannte russische Partisanenbewegung zu dem Anschlag bekennt. Eine Bewegung namens „Nationale Republikanische Armee“ reklamiere das Attentat für sich, sagte der im ukrainischen Exil lebende Ex-Duma-Abgeordnete Ilja Ponomarjow am Sonntag in einem online veröffentlichten Video.

„Dieser Anschlag schlägt eine neue Seite des russischen Widerstands gegen den Putinismus auf. Eine neue – aber nicht die letzte“, sagte Ponomarjow. Laut Ponomarjow sollen die russischen Partisanen in den vergangenen Monaten bereits mehrere Aktionen ausgeführt haben, etwa kleinere Brandanschläge auf Verwaltungsgebäude. Der 47-Jährige deutete weitere Anschläge in den kommenden Monaten an – etwa gegen Regierungsbeamte und Mitglieder des Sicherheitsapparats, die „Handlanger“ von Kreml-Chef Wladimir Putin seien. Die Glaubwürdigkeit dieser Behauptung ist offen.

Zahlreiche Spekulationen

Unter Beobachtern keimten entlang der politischen Linien jedenfalls zahlreiche Spekulationen über die Urheber und Hintergründe der Tat auf – etwa, dass Russlands Geheimdienst selbst hinter dem Anschlag stecke, um einen Vorwand für weitere Aggressionen gegen die Ukraine zu schaffen oder um Dugin zum Märtyrer zu machen.

Andere spekulierten, der Anschlag sei ein Warnsignal an mit dem Kriegsgeschehen unzufriedene Ultranationalisten oder diene dazu, den Druck auf russische Propagandisten zu erhöhen. Es wurde auch spekuliert, dass es sich gar nicht um ein politisches Attentat gehandelt habe, sondern Geld der Hintergrund sei. Beim derzeitigen Wissensstand sei es mutig, „irgendetwas auszuschließen“, so der britische Russland-Experte Keir Giles auf Twitter.

Wegen Propaganda auf Sanktionsliste

Die Politologin und Publizistin Dugina stand nach Berichten Moskauer Medien auf der Sanktionsliste Großbritanniens wegen der Verbreitung von Propaganda und Falschnachrichten über die von Putin am 24. Februar befohlene Invasion. Laut einer Erklärung des US-Finanzministeriums vom März wurde Dugina auch auf eine US-Sanktionsliste gesetzt.

Russischer Ideologe Alexander Dugin
picturedesk.com/AP/Francesca Ebel
Dugin steht auf der Sanktionsliste der EU

Ihr Vater Dugin vertritt seit Langem eine Ideologie, die die Vereinigung russischsprachiger Gebiete in einem neuen russischen Großreich anstrebt. Aus dieser Überzeugung heraus unterstützt er auch den russischen Militäreinsatz in der Ukraine. Schon seit der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 steht Dugin auf der Sanktionsliste der EU. In der Ukraine sind mehrere seiner Bücher verboten.