Erdrutsch verlegt Gemeindestraße
APA/ZOOM.TIROL
Unwetter

Weiter Warten auf neues Warnsystem

Gewitter und Stürme in ganz Europa haben vergangene Woche zahlreiche Menschen das Leben gekostet. Einmal mehr kam Kritik auf, durch ein besseres Warnsystem hätte sich manches vermeiden lassen. Mit größerer Verspätung wurde nun eine Verordnung in Begutachtung geschickt, die Warnungen künftig auf die österreichischen Handys bringen soll. Doch auch das wird noch dauern.

Binnen Minuten schlug das Wetter in Kärnten um, von blauem Himmel zur wetterlichen Endzeitstimmung. Die Menschen am St. Andräer See in Kärnten hatten keine Zeit, Schutz zu suchen. Zwei Mädchen starben durch umstürzende Bäume. Auch in Niederösterreich gab es zwei Todesopfer.

Wie Meteorologinnen und Meteorologen und Behörden vor solchen plötzlichen Wetterphänomenen warnen sollen, ist umstritten. Fachleute der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) geben an, die Gewitterlinie von letztem Donnerstag habe sich schnell heftiger entwickelt als von den Vorhersagemodellen berechnet. Eine Gewitterwarnung habe schon seit dem Vortag bestanden. Vom Ablauf her sei nichts falsch gelaufen, hieß es am Montag vonseiten der ZAMG gegenüber ORF.at. Bei Gewittern bleibe immer eine Unschärfe bestehen, anders als bei großen Stürmen wie „Kyrill“ im Jahr 2007. Die Frage sei aber dennoch: Wie können die Bürgerinnen und Bürger im Notfall verlässlich erreicht werden?

Dienste, App und Sirenen

Derzeit gibt es bereits Warnungen via SMS, Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Userinnen und User bei entsprechenden Diensten registrieren. Das Innenministerium bietet zudem eine eigene App namens KATWARN an, die ebenfalls vor Katastrophen warnt, so sie heruntergeladen ist. Auch das in Österreich gut ausgebaute Sirenenalarmsystem bleibt bestehen.

Luftschutzsirene in einer ländlichen Ortschaft
ORF.at/Lukas Krummholz
Österreichs Sirenen heulen mit Ausnahme von Wien jeden Samstag zur Probe auf. Einmal im Jahr gibt es den bundesweiten Test

Manchen Fachleuten reichten die Warnungen vorige Woche nicht aus. Harald Eitner von der Katastrophenschutzabteilung des Landes Steiermark kritisierte, die 20 Minuten Vorwarnzeit hätten nicht gereicht, um die Bevölkerung zu warnen. Der Meteorologe Jörg Kachelmann monierte auf Puls24, man hätte in Österreich rechtzeitig warnen können: „Bei dieser Wetterlage dürfte niemand sterben.“

Neues System ohne Registrierung

In Zukunft soll ohnehin ein neues System warnen, und zwar unabhängig von Registrierung oder Download. Mit der Cell-Broadcast-Technologie soll jede Person, die sich an einem gefährdeten Ort befindet, eine Push-Nachricht aufs Handy bekommen. Das System basiert auf dem Netz an Funkmasten, in die sich alle Handys regional einwählen. Dazu muss der Besitzer oder die Besitzerin sich nicht eigens anmelden, zudem werden keine Daten gespeichert.

Doch für diese Technologie braucht es den Aufbau einer eigenen Infrastruktur bei Mobilfunkbetreibern und den behördlichen Stellen, die Warnungen auslösen können (die neun Landeswarnzentralen und das Innenministerium). Die schon bestehenden Möglichkeiten, etwa wenn nach richterlichem Beschluss der Standort eines Handys via Funkmasten eruiert wird, reichen nicht aus. Dazu bedarf es eines eigenen Zusammenspiels von Hard- und Software-Komponenten und Zusatzfunktionen, die man erst organisieren müsse, hieß es auf Anfrage von ORF.at etwa bei A1. Man werde die Initiative unterstützen, doch müssten Finanzierung und technische Fragen erst geklärt sein. Dazu warte man auf die Verordnung, so A1. Der Mobilfunker ist neben Drei und Magenta einer der drei Anbieter, die die Cell-Broadcast-Technologie anwenden sollen.

Verteilte Kompetenzen

Die Verordnung ging laut Finanzministerium, das für die Digitalagenden zuständig ist, am Wochenende in die vierwöchige Begutachtung, ist allerdings nicht öffentlich einsehbar. Auch die Begutachtung kommt spät: Die entsprechende EU-Richtlinie ging von einer Umsetzung Mitte Juni aus. Nicht nur die Abstimmung zwischen Ministerium mit Mobilfunkern, der Regulierungsbehörde RTR und den Bundesländern ist schwierig. Das Ministerium übernahm die Aufgabe des Landwirtschaftsministeriums, zuständig für die Umsetzung aber ist das Innenministerium. Die Länder, denen die eigentliche Warnkompetenz obliegt, sind für die Herstellung ihrer Auslösesysteme wiederum selbst verantwortlich.

Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (ÖVP) sagt in einer Stellungnahme zu ORF.at, er habe seit „Beginn meiner Amtsübernahme“ einen klaren Fokus auf das Thema gelegt. Fast 90 Prozent der Bevölkerung verfüge über ein Smartphone, es sei daher naheliegend, dass dieses auch vor Katastrophen warne. „Besonders die letzten Wochen haben gezeigt, wie wichtig und notwendig eine schnelle und einfache Information an die Menschen ist“, so Tursky.

Der Präsident des Zivilschutzverbands ist Turskys Parteifreund Andreas Hanger. Er ging im Gespräch mit dem Ö1-Mittagsjournal am Montag auch nicht auf die Kritik der Zögerlichkeit ein. Ob man durch Warn-SMS Unglücke wie jüngst vermeiden hätte können, „das müsste man sich wirklich im Detail anschauen. Ich bin aber auch sehr dagegen, dass man immer sofort einen Schuldigen sucht, wenn so etwas passiert“, so Hanger. „Ich kenne jetzt die Hintergründe nicht, wieso es zu dieser zeitlichen Verzögerung gekommen ist, halte aber schon fest, es ist einfach wichtig, dass sie jetzt kommt und möglichst rasch umgesetzt wird.“

Schon lange erfolgreich im Einsatz

Die Cell-Broadcast-Technologie ist jedenfalls alles andere als neu, seit Jahren wird sie in den USA, den Niederlanden, Kanada und Japan genutzt. Auch in Bangladesch ist sie im Einsatz und hat dort „in den vergangenen Jahren sehr viel verändert“, wie der Klimaforscher Saleemul Huq vom internationalen Zentrum für Klimawandel und Entwicklung (ICCAD) voriges Jahr dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte. Da war die Debatte über neue Warnsysteme nach den verheerenden Fluten im deutschen Ahrtal 2021 in vollem Gange.

Huq wollte nicht in den Kopf, wie ein Land wie Deutschland das Cell-Broadcast-System noch nicht auf die Beine bekommen habe. Auch dort wurde mit der Umsetzung nur schleppend begonnen. Vergangenes Monat hatte das deutsche Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wissen lassen, man arbeite mit Hochdruck daran. Ein erster Test war nun für Dezember geplant. In Österreich sind noch keine Termine angesetzt.

Die ZAMG betonte, dass das Warnsystem in Österreich aber alles in allem gut funktioniere. Das sehe man an Sirenenwarnungen, die regelmäßig in Österreich getestet würden. Das Zusammenspiel mit dem Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagement (SKKM) funktioniere. In Deutschland hingegen habe man gerade anlässlich der schweren Überschwemmungen im Ahrtal erkannt, dass zu viele Sirenen im Lauf der Zeit abgebaut worden waren oder nicht funktionierten. Diese werden seither mühsam wieder aufgebaut.