Tobias Pötzelsberger, Julia Schmuck und Herbert Kickl (FPÖ)
ORF/Roman Zach-Kiesling
„Sommergespräche“

Kickl sieht FPÖ „sehr stabil“

Zu einer Vielzahl an Themen hat FPÖ-Obmann Herbert Kickl im ORF-„Sommergespräch“ mit dem Moderationsduo Tobias Pötzelsberger und Julia Schmuck Stellung genommen. Die Palette reichte von Teuerung, Energiekrise, Pandemie, Ukraine-Krieg, Arbeit der Regierung bis hin zu jüngst zutagegetretenen internen Querelen innerhalb der FPÖ. Hierzu unterstrich Kickl, dass die Partei „sehr stabil“ sei – auch wenn sich manche etwas anderes wünschen würden. Misstrauen gegen seine Person ortet er in der FPÖ nicht.

Angesprochen auf die Causa rund um eine auf dem Handy des mittlerweile aus der FPÖ ausgetretenen Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein gefundene anonyme Anzeige gegen Parteifreunde der Wiener FPÖ, verwies Kickl auf die laufenden Ermittlungen. Ob also die Anzeige von Jenewein eingebracht wurde, würden wohl die Vernehmungen ergeben, so Kickl – dann, wenn Jenewein nach dessen Suizidversuch wieder vernehmungsfähig sei.

Er habe als „verantwortlicher Chef“ dienstrechtliche Konsequenzen gezogen, so Kickl, zugleich gab er an, davon auszugehen, dass Jenewein von sich aus die Partei verlassen habe. Hätte Jenewein das nicht gemacht, wäre hier wohl die FPÖ Wien in diese Richtung aktiv geworden, sagte der FPÖ-Chef. Kickl betonte, in der Causa Aufklärung zu wollen, das könne aber nur Jenewein leisten, so Kickl.

Kickl zur Causa Jenewein

„Misstrauen richtet sich ja nicht gegen mich“

Beim FPÖ-Präsidium vergangene Woche, das von der Causa Jenewein überschattet war, sei er einstimmig für den Parteivorsitz vorgeschlagen worden, so Kickl, der das „Misstrauen“ innerhalb der Partei nicht gegen sich gerichtet sieht, wie er angab. Beim Parteitag im September werde er „ein sehr gutes Ergebnis“ einfahren, auf einen Prozentsatz wollte er sich nicht festlegen. Dass er im Falle einer klaren Bestätigung am Parteitag in der Folge Spitzenkandidat für die kommende Wahl werde, sei dann naheliegend („ein Automatismus“).

„Wir wollen wieder regieren“

Dass sich alle anderen Parteien bei einigen Themen von der FPÖ abgrenzen und die Blauen bzw. Kickl vielfach isoliert seien, ließ der FPÖ-Chef nicht gelten: Auch in der Vergangenheit sei das oft der Fall gewesen, dann habe sich die FPÖ auf einmal in der Regierung befunden. Das Rezept sei auch nun klar: Man müsse „als Erster über die Ziellinie gehen“, auch hätten sich die anderen Parteien in der Vergangenheit dann „beweglich gezeigt“. Man wolle „wieder regieren“ und den „Bundeskanzler stellen“, so Kickl.

FPÖ will regieren und Kanzler stellen

Angesprochen auf den Ton und teils enorm harsche Sager gegen politische Mitbewerber bei diversen Reden, sprach er von „Empfindlichkeit“. Wenn von der anderen Seite Anwürfe kämen, höre man nie Kritik. Er sei etwa schon mit Joseph Goebbels verglichen worden – da fehle ebenso Sensibilität. Man bleibe sich in der Politik nichts schuldig. Er teile zwar aus, könne aber auch einstecken, erklärte Kickl. Ob man so Gräben in der Gesellschaft wieder zuschütten könne? „Mit der FPÖ hätte es diese Gräben gar nicht gegeben“, so Kickl.

Herbert Kickl (FPÖ)
ORF/Roman Zach-Kiesling
Kickl legte das „Sommergespräch“ angriffig an

„Aufhören, Gas und Öl zu verteufeln“

Auch die Klimakrise war Gesprächsthema: In der Vergangenheit sei „viel Schindluder getrieben worden“, viel sei übertrieben dargestellt worden, so Kickl sinngemäß. Generell vermisse er Vergleichbarkeit – man könne nicht sagen, was beim Klima „der Normalzustand“ sei („Das ganze Klima ist ein Wandel“). Generell könne man „Statistiken drehen und wenden“, wie man wolle.

Kritik an der aktuellen Klimapolitik

Kickl riet hierbei dazu, mit „mehr Besonnenheit“ zu agieren, man werde das Weltklima mit dem Ausstieg aus Gas und Kohle nicht retten können. Der Plan von Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) bis 2030 sei nicht umsetzbar, so Kickl sinngemäß. Man müsse „aufhören, Gas und Öl zu verteufeln“. Wenn man „alles sofort“ wolle, „endet das in einem Desaster“, so Kickl.

„In falsche Sanktionsstrategie verrannt“

An dieser Stelle folgte die Überleitung zu den Russland-Sanktionen. Wenn Österreich etwa sage, man mache bei den Sanktionen nicht mehr mit, was Österreich dann bekomme? Hier antwortete Kickl ausweichend und verwies auf Ungarn, wo man einen anderen Weg gegangen sei. Den Einwand, dass trotz der Freundschaft von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban und Russlands Präsident Wladimir Putin für Ungarn nicht mehr gekommen sei, ließ Kickl nicht gelten. Man habe sich in „eine falsche Sanktionsstrategie verrannt“.

Kickl über die Sanktionen gegen Russland

Die russische Wirtschaft liege mitnichten am Boden, so Kickl. Putin sitze „fest im Sattel“. Auch werde etwa, wie er in einem Zeitungsbericht gelesen habe, in Moskau ein normales Leben geführt, die Leute würden „arbeiten gehen“. Hierzulande stehe man hingegen einer massiven Teuerung gegenüber und sei mit Gasknappheit konfrontiert. Selbst wenn Wohnungen noch geheizt werden könnten, stehe die Industrie vor gravierenden Engpässen („Hasardieren“).

„Auch die andere Seite verstehen“

Die Ukraine könne auch trotz der Waffenlieferungen den Krieg nicht gewinnen, weswegen Hochrüsten der falsche Weg sei, so Kickl. Man müsse versuchen, „auch die andere Seite zu verstehen“. Kickl gab hierbei den Russland-Versteher und den USA-Kritiker: Die USA hätten in diesem Konflikt eskaliert, gleichzeitig müsse man aber Verständnis für Sicherheitsinteressen Russlands haben.

Verständnis für Russland, Kritik an USA

Putin habe das gemacht, „was die Amerikaner überall in der Welt tagtäglich machen“, so Kickl. „Die europäischen Interessen sind weder die russischen noch die amerikanischen – es sind die europäischen“, so Kickl, der den US-Imperialismus aus europäischer Sicht als „inakzeptabel“ bezeichnete.

Man müsse „raus aus der Eskalationsspirale“, am Ende müsse sich die Ukraine bewegen, das schließe auch Gebietsverluste mit ein, so Kickl. Es gehe darum zu deeskalieren, dann könne mit der Zeit wieder Vertrauen aufgebaut werden, glaubt Kickl.

„Verblutenden wird Pflaster raufgepickt“

Auch die Teuerung war freilich Thema: Man müsse „die große Ursache bekämpfen“, so Kickl – mittlerweile sei alles bereits derart in Fahrt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen gar nicht mehr reichen würden („Einem Verblutenden wird ein Pflaster raufgepickt“). Durch die Sanktionen werde die „Preisspirale betrieben“, da würden auch keine Maßnahmen mehr nutzen, so Kickl.

Rezepte gegen Teuerungen

Schnelligkeit vor Treffsicherheit

Nur ein Ende der Sanktionen nütze, sonst werde es „finster“. Man rede nicht von zwei Grad weniger in Wohnungen, sondern von einem Zusammenbruch der Wirtschaft. Mehrwertsteuer auf Energie senken und CO2-Zertifikate verschenken wären die Lösungsansätze, so Kickl. Schnelligkeit sei wichtiger als Treffsicherheit („Wer schnell hilft, hilft doppelt“). Hierbei verwies Kickl auf die Gasvorkommen in Niederösterreich, auf diese könne man mittels Fracking zugreifen.

Am Ende war auch die Bundespräsidentschaftswahl Thema – hierbei wollte sich Kickl nicht auf ein erreichbares Ergebnis für den FPÖ-Kandidaten Walter Rosenkranz einlassen. Kickl sprach lieber über die Programmatik: Verlust von Selbstbestimmung, „von der EZB überrumpelt“, „von einer Asylwelle überrollt“. Kickl sagte, dass man generell schärfer mit der EU umgehen solle – schließlich sei auch Ungarn im Zuge dessen nichts passiert.

Analyse: Kickl hält „Deckel auf dem Druckkochtopf“

In der anschließenden Analyse in der ZIB2 mit dem Politologen Peter Filzmaier und „profil“-Journalistin Eva Linsinger war gleich die Situation innerhalb der FPÖ Thema. Auf die Frage, ob Kickl glaubhaft sei, antwortete Linsinger: „Das möchte Kickl glauben. Aber die Realität schaut anders aus.“ Die FPÖ lebe vom „Krawall“ – und diesen gebe es nun einmal auch in den eigenen Reihen.

Deshalb hätte sich die FPÖ bisher noch bei jeder Regierungsbeteiligung „selbst in die Luft gesprengt“. Kickl habe Mühe, den „Deckel auf dem Druckkochtopf“ seiner Partei zu halten und würde folglich einen äußeren Feind suchen. Schließlich würde ein solcher, so stellte auch der Politologe Peter Filzmaier fest, „nach innen einen“. Diese Strategie habe Kickl gekonnt durchgezogen.

Analyse des „Sommergesprächs“

Im ORF-„Sommergespräch“ war FPÖ-Chef Herbert Kickl zu Gast. Er kritisierte vor allem die Sanktionen gegen Russland und deren Auswirkungen auf die Inflation in Österreich.

Von Klima bis Russland: Alle dafür, FPÖ dagegen

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der FPÖ sei es, immer jene Position zu kommunizieren, bei der alle anderer Meinung sind. Egal ob Ausländerinnen und Ausländer, Pandemie, Klimakrise oder nun eben Russland, so Filzmaier. Es seien die „einfachen“ Botschaften, die bei der FPÖ-Wählerschaft auch gut ankommen würden. Dazu zähle etwa auch der Vorstoß, alle Sanktionen aufzuheben. Gerade in der Leugnung der menschengemachten Klimakrise würde die FPÖ ihre bereits aus der Pandemie bekannte Wissenschaftsskepsis fortsetzen, meinte Linsinger.

Kickls Kurs „zu radikal“

Weder Linsinger noch Filzmaier sehen die FPÖ, so wie von Kickl angekündigt, in naher Zukunft in der Regierung. „Es gibt keine willigen Koalitionspartner“, Kickls Kurs sei „zu radikal“, meinte Linsinger. Noch unrealistischer sei es, dass die FPÖ stärkste Partei bei der nächsten Nationalratswahl werde.

Ähnlich äußerte sich Filzmaier zur Präsidentschaftswahl: „Hoch werden’s es nicht mehr gewinnen.“ Das wisse Kickl auch. Strategisches Ziel seien nicht die Prozentpunkte, sondern das Setzen von typischen FPÖ-Themen. Nicht zuletzt würde das auch durch die anderen rechten Mitbewerber vorangetrieben werden.

In die Hände spiele der FPÖ Linsinger zufolge, dass es derzeit eine „ausgeprägte Proteststimmung im Land“ gebe. „Nach all den Krisen ist die Unzufriedenheit mit ÖVP und den Grünen hoch. Das nutzt der SPÖ und der FPÖ." Und werde sich wohl auch in den Wahlergebnissen widerspiegeln, so ihre Prognose.