Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Patricia Schlesinger,
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Fristlose Entlassung

RBB-Rundfunkrat zieht Schlussstrich

Die stark in die Kritik geratene und abberufene Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Patricia Schlesinger, wird fristlos entlassen. Diese Entscheidung teilte die amtierende Verwaltungsratsvorsitzende des öffentlich-rechtlichen ARD-Senders, Dorette König, am Montag nach einer Sitzung des Rats in Berlin mit.

Politiker unterschiedlicher Parteien haben bereits die fristlose Kündigung Schlesingers gefordert, die vor einer Woche vom Rundfunkrat – dem zweiten Kontrollgremium – abberufen worden war. König sagte, die Entscheidung sei mehrheitlich gefallen. Man wolle die Rechte des RBB gegenüber der 61-Jährigen im Interesse der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler bestmöglich wahren. Vor einer Woche war Schlesinger vom Rundfunkrat – dem zweiten Kontrollgremium – bereits abberufen worden.

Der Verwaltungsrat sei zudem der Überzeugung, dass die Strukturanalyse und Neuaufstellung nur glaubwürdig durch externe Unterstützung gelingen kann, wie König weiter sagte. Man wolle in den nächsten Tagen einen Fahrplan dafür entwickeln. Man habe die aktuelle RBB-Geschäftsleitung zugleich gebeten, zur Sicherstellung der Stabilität ihre Aufgaben zunächst weiter wahrzunehmen.

Debatte über öffentlich-rechtliche Anstalten in Deutschland

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die ehemalige Intendantin der ARD, Patricia Schlesinger. Sie wurde fristlos entlassen. Aus der Berliner Affäre ist mittlerweile eine Grundsatz-Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland geworden.

Vorwürfe der Freunderlwirtschaft

Die 61-Jährige sieht sich seit Ende Juni durch Berichte vor allem des Onlinemediums Business Insider zahlreichen Vorwürfen des Filzes und der Freunderlwirtschaft ausgesetzt. Sie war seit Jahresbeginn ARD-Vorsitzende und seit 2016 RBB-Intendantin. Von beiden Ämtern trat sie zurück.

Der RBB-Verwaltungsrat hat sich in der Krise um Schlesinger für die Berufung eines Interimsintendanten ausgesprochen, so König. Aktuell führt der nach RBB-Angaben derzeit krankgeschriebene Verwaltungsdirektor Hagen Brandstäter die Geschäfte, der wegen der Aufarbeitung der Krise ebenfalls in der Kritik steht.

Rundfunk Berlin Brandenburg in Berlin
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Die RBB-Geschäftsleitung geriet in der Causa Schlesinger immer stärker unter Druck – nun fiel die Entscheidung für eine fristlose Entlassung

Umstrittene Beraterverträge

Im Zentrum des Skandals steht neben der abberufenen Intendantin auch der zurückgetretene RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf. Beide wiesen die Vorwürfe zurück. Es geht unter anderem um umstrittene Beraterverträge für ein RBB-Bauprojekt, um Abstimmungen zwischen beiden zum Gehalt und Boni für Schlesinger.

Und um Aufträge für den Ehemann und Ex-„Spiegel“-Journalisten Gerhard Spörl bei der Messe Berlin – wo Wolf bis vor kurzem in Personalunion auch Chefaufseher war.

Generalstaatsanwaltschaft ermittelt

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen alle drei wegen Untreue und Vorteilsannahme. Es gilt die Unschuldsvermutung. Es läuft zudem eine externe Untersuchung einer Anwaltskanzlei, noch liegen dazu keine Ergebnisse vor.

Die Debatte in der Öffentlichkeit dreht sich auch um fehlendes Fingerspitzengefühl und Moral. Es geht bei den Vorwürfen zudem um Details wie Abendessen in der Privatwohnung Schlesingers auf RBB-Kosten, Reisen, Massagesitze in einem teuren Dienstwagen und eine grüne Pflanzenwand in der Chefetage – das alles in einem notorisch klammen Sender mit der schlechtesten ARD-Quote im Programm.

Umstrittenes Bonussystem für Führungskräfte

Das umstrittene Bonussystem für RBB-Führungskräfte, das erst auf öffentlichen und internen Druck hin bekannt wurde, führte ebenso zu Verärgerung. Schlesinger bekam zudem eine kräftige Gehaltserhöhung um 16 Prozent auf 303.000 Euro.

Vor Tagen noch wollte der geschäftsführende Intendant Brandstäter im brandenburgischen Landtag keine Zahlen nennen, wie hoch sein Bonus und der der Führungsriege war – zum Beispiel von Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus, Betriebsdirektor Christoph Augenstein und der Juristischen Direktorin Susann Lange.

Kurz darauf versuchte es die Führung dann mit einer kleinen Rolle vorwärts und legte die Gehälter samt Boni offen – Schlesingers Zahlen allerdings nicht. Man wolle dieses Jahr auch keine Boni und wolle darauf hinwirken, dass das System, das es sonst in der ARD nicht gibt, eingestampft werde, sagte Brandstäter.

Vorgänge beim RBB nach derzeitigem Stand „singulär“

Die Intendantin des Bayerischen Rundfunks (BR), Katja Wildermuth, hält die Missstände beim RBB aber für einen Einzelfall innerhalb der öffentlich-rechtlichen ARD. In einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag-Ausgabe) sagte sie: „Nach meinem Kenntnisstand und nach dem, was wir jetzt wissen: Ja, die Vorgänge im RBB sind singulär.“

Wildermuth sagte dazu im „SZ“-Interview: „Viele Wochen haben wir in Gesprächen um umfassende Aufklärung gebeten, vieles jedoch auch nur scheibchenweise oder aus der Presse erfahren. Da ist das Vertrauen verloren gegangen.“