Ein Kipplaster inmitten eines großen Kohlehaufens in der Canyon Coal’s Khanye Mine nahe Bronkhorstspruit, Südafrika
Reuters/Siphiwe Sibeko
Exporte steigen

Südafrikas Crux mit der Kohle

Seit Mitte August dürfen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union keine Kohle mehr aus Russland importieren. Nach dem Angriff auf die Ukraine hatten die EU-Länder gemeinsam sieben Sanktionspakete beschlossen, darunter ein Kohleembargo, das Russlands Wirtschaft schwächen soll. Als Exportprofiteur tritt nun vermehrt Südafrika auf. Während die Profite steigen, rückt die Abkehr vom fossilen Brennstoff noch weiter in die Ferne.

Die Energiekrise hat in den vergangenen Wochen alle Länder auf den Plan gerufen. In Österreich wollte die ÖVP-Grünen-Regierung unter anderem das klimaschädliche Kohlekraftwerk Mellach reaktivieren, um bei einem Gasengpass mit Kohle Strom erzeugen zu können (die Opposition stimmte jedoch am Dienstag dagegen). In Deutschland stehen mindestens zwei Steinkohlekraftwerke ebenfalls vor dem Neustart, und selbst das kohlereiche Polen sucht Alternativen zu russischer Kohle, um für den Winter gerüstet zu sein.

Fündig werden viele Staaten derzeit in Südafrika. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters hatten europäische Länder bereits in den ersten fünf Monaten des Jahres 2022 rund 40 Prozent mehr Kohle aus Südafrikas Exportzentrum Richards Bay Coal Terminal (RBCT) importiert als im gesamten Jahr 2021.

Wochen später berichtete der Kohleexporteur Thungela Resources, dass die Exporte über RBCT nach Europa im Jahresvergleich (Halbjahr 2021 zu Halbjahr 2022) um 720 Prozent gestiegen seien. Thungela Resources ist Teil eines Konsortiums, dem die große Exportanlage gehört. In den vergangenen Monaten hatten insbesondere Frankreich, Spanien und Polen Kohle aus Südafrika importieren lassen, wie das US-Medium Quartz berichtete.

Güterzug beladen mit Kohle in der Canyon Coal’s Khanye Mine nahe Bronkhorstspruit, Südafrika
Reuters/Siphiwe Sibeko
Südafrika gilt als einer der weltgrößten Kohleexporteure und profitiert vom Embargo gegen Russland

Kohleindustrie großer Wirtschaftszweig

Bereits vor dem Embargo galt das Land an der Südspitze Afrikas als einer der größten Kohleexporteure der Welt. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) exportieren nur Indonesien, Australien, Russland und die USA mehr Kohle ins Ausland. 94 Prozent der Kohleproduktion in Afrika im Jahr 2020 entfielen auf Südafrika, wo nach Angaben der Arbeitgeberorganisation Minerals Council South Africa mehr als 90.000 Personen in der Kohleproduktion beschäftigt sind, indirekt verdienen rund 200.000 Beschäftigte ihr Geld in der Industrie.

Wetterextreme & Klimakrise

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut dem aktuellen IPCC-Bericht aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Der kriegsbedingte Anstieg der europäischen Nachfrage erfolgt jedoch vor dem Hintergrund, dass Südafrika seine eigene Strominfrastruktur von der Kohle zu entwöhnen versucht. Kohle ist in Sachen CO2-Emissionen doppelt so klimaschädlich wie Gas. Deshalb versichern Regierungen weltweit den Kohleausstieg. Für Südafrika ist das Ziel freilich besonders schwer zu erreichen: Der Staat erzeugt seinen Strom hauptsächlich aus Kohle.

Der Staat leidet wegen seiner überwiegend überalterten und maroden Kohlekraftwerke unter einer Energiekrise, die die Konjunktur beeinträchtigt und Investoren abschreckt. Der staatliche Stromversorger musste in den vergangenen Jahren immer wieder bestimmte Ortsteile mehrere Stunden lang gezielt vom Netz nehmen, um dessen Überlastung zu vermeiden.

„Weil ich ein Kohlefundamentalist bin“

Um Südafrika bei der Energiewende zu helfen, hatten die EU, die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich dem Land auf der COP26-Klimakonferenz 8,5 Milliarden US-Dollar (rund 8,56 Mrd. Euro) für die kommenden fünf Jahre zugesichert, zumeist handelt es sich dabei um Kredite. Laut einem Szenario der Internationalen Agentur für Alternative Energien (IRENA) könnte Südafrika bis 2030 etwa 23 Prozent seines Verbrauchs durch alternative Energieträger abdecken.

Dass Südafrika in naher Zukunft seine Energieproduktion umstellen wird, darf aber bezweifelt werden. So hatte etwa Energieminister Gwede Mantashe den heimischen Kohleproduzenten im Jänner dieses Jahres versichert, dass man auch im Jahr 2030 noch ausgiebig auf den Brennstoff setzen werde – „weil ich ein Kohlefundamentalist bin“, wurde er in mehreren Medien zitiert. Mantashe war selbst jahrelang in der Kohleindustrie tätig und vertrat als Gewerkschafter die Arbeitnehmer.

Ein Vorarbeiter überblickt die Arbeiten in der Canyon Coal’s Khanye Mine nahe Bronkhorstspruit, Südafrika
Reuters/Siphiwe Sibeko
Südafrika greift auf sein reiches Kohlevorkommen zurück

Im vergangenen Jahr wurde zusätzlich – nach 14 Jahren Bauzeit – eines der weltweit größten Kohlekraftwerke fertiggestellt. Die Anlage Medupi nahe dem Ort Lephalale kostete 122 Milliarden Rand (rund sieben Mrd. Euro) und soll eine Lebensdauer von 50 Jahren haben. Das einzige Problem, so der Kohleexporteur Thungela Resources, sei die marode Infrastruktur, etwa die Bahnverbindung zum Exportzentrum. Würde man diese verbessern, könnte man mehr Kohle exportieren.

Keine Gesprächsbasis mit Kohleindustrie

Aber es gibt auch Schritte, die einen Kulturwandel in Südafrika zumindest andeuten. So kündigte zum Beispiel der größte Stromerzeuger des Landes, Eskom, kürzlich an, mit dem Zentrum für erneuerbare Technologien (SARETEC) zusammenarbeiten, um seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen weiterzubilden bzw. umzuschulen. Ziel müsse die Abkehr von Kohlekraftwerken sein – selbst wenn das noch Jahre dauern könnte. Eskom will einer Aussendung zufolge eine eigene Ausbildungseinrichtung für erneuerbare Energien errichten.

Grafik zum Energiemix Südafrikas
Grafik: ORF.at; Quelle: Climate Transparency

Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, der selbst in der Bergbauindustrie groß geworden ist, aber im Gegensatz zu seinem Regierungskollegen Mantashe nicht als Hardliner gilt, hatte Ende 2020 die Klimakommission Presidential Climate Commission (PCC) errichtet, die sich auch mit der Energiewende beschäftigen soll. Zuletzt versprach er, die Stromerzeugung auszubauen und vermehrt auf erneuerbare Energie zu setzen.

Doch mit der Kohleindustrie, die derzeit trotz Teuerung enorme Profite erzielt, gebe es nach Ansicht des PPC-Direktors Crispian Olver aber kaum eine Gesprächsbasis. „Die Industrie hat Wahnvorstellungen, und ich habe wirklich Mühe, ein nüchternes Gespräch mit der Industrie zu führen“, sagte er Ende Juli bei einer Konferenz in Johannesburg. Vertreter der Kohleindustrie versicherten, dass sie keine Klimaleugner seien. Erneuerbare Energien seien aber auch kein Allheilmittel. Man versuche lediglich, die steigende Kohlenachfrage in Europa zu befriedigen.