Twitter-Hauptquartier in San Francisco
Reuters/Stephen Lam
Twitter

Ex-Sicherheitschef mit schweren Vorwürfen

Der ehemalige Sicherheitschef von Twitter wirft dem Unternehmen laut Medienberichten schwere Mängel beim Datenschutz vor. Die „Washington Post“ und der Sender CNN zitierten am Dienstag aus einem 84-seitigen Bericht von Peiter Zatko an die US-Börsenaufsicht SEC, an das Justizministerium und die US-Wettbewerbsbehörde vom vergangenen Monat, in dem der Ex-Sicherheitschef von „gravierenden und schockierenden Schwachstellen“ schreibt.

Die Rede ist von veralteten Servern, angreifbaren Betriebssystemen und Führungskräften, die eine Reihe von Hackerangriffen auf die Twitter-Daten vertuscht hätten – sowohl vor den Aufsichtsbehörden als auch vor dem Verwaltungsrat. Zatko wirft Twitter in dem Bericht auch vor, den Kampf gegen Spams und Bots hintanzustellen – Priorität habe die wachsende Zahl der Nutzerinnen und Nutzer. Und: Twitter habe seine Schutzmaßnahmen übertrieben dargestellt.

Zatko habe seine Kolleginnen und Kollegen davor gewarnt, dass die Hälfte der Server veraltet und anfällig für Angriffe sei, wie aus den Anwürfen hervorgeht. Twitter-Chef Parag Agrawal habe die Vorwürfe gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zurückgewiesen, wie es heißt. Einen Tweet Agrawals vom Mai bezeichnete Zatko in dem Bericht den US-Medien zufolge sogar als eine Lüge. Agrawal hatte versichert, Twitter tue alles, um Spams so schnell wie möglich zu entdecken und zu entfernen.

Zugang zu Telefonnummern von Nutzern?

Führungskräfte würden „wegschauen“, auch von einer Bedrohung der „nationalen Sicherheit und der Demokratie“ ist die Rede, wird aus dem Bericht zitiert. Zu den Kritikpunkten gehört auch, dass zu viele Twitter-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter Zugang zu zentralen Systemen des Dienstes und Nutzerdaten wie Telefonnummern hätten.

Peiter Zatko
Reuters/U.s. federal government
Zatko war zwischen 2010 und 2013 für die Defense Advanced Research Projects Agency tätig, eine Behörde des US-Verteidigungsministeriums. Das Bild stammt aus dieser Zeit.

Auch behauptet Zatko, dass die indische Regierung Twitter gezwungen habe, einen Vertreter aus ihren Reihen auf die Gehaltsliste zu setzen. Diese Person hätte laut Zatkos Angaben Zugang zu sensiblen Nutzerdaten gehabt, wie es in den US-Medienberichten hieß.

Twitter: Vorwürfe „gespickt mit Ungereimtheiten“

Eine Twitter-Sprecherin sagte der „Washington Post“ und CNN, das Unternehmen habe zwar keinen Zugang zu detaillierten Vorwürfen Zatkos, nach bisherigen Erkenntnissen wiesen diese jedoch viele „Ungenauigkeiten“ auf. Auch seien die Vorwürfe „gespickt mit Ungereimtheiten“. Das Unternehmen versicherte, die Sicherheit und der Schutz der Daten hätten Priorität. Zatko wolle mit den Anschuldigungen seinem früheren Arbeitgeber schaden. Ein Statement des indischen IT-Ministeriums liegt nach Anfrage noch nicht vor.

Munition für Musk

Der Vorwurf Zatkos, der Kampf gegen Spams und Bots genieße bei Twitter keine Priorität, könnte auch eine Rolle im aktuellen Ringen zwischen dem Konzern und Tech-Milliardär Elon Musk spielen. So behauptet Musk, dass das Unternehmen keine verlässlichen Methoden habe, um die Zahl von Fake-Accounts auf der Plattform zu ermitteln.

Musk machte das Thema von gefälschten Profilen und automatisierten Bot-Accounts zu einem zentralen Argument in seinem Versuch, aus der rund 44 Mrd. Dollar schweren Twitter-Übernahme auszusteigen. Twitter will vor Gericht erreichen, dass Musk zum Vollzug des Deals verpflichtet wird.

Twitter gibt seit Jahren die Schätzung ab, dass die Zahl der Fake-Accounts unter fünf Prozent liegt. Musk behauptet, dass es viel mehr sein müssen – und wirft dem Dienst vor, ihm den Zugang zu Daten vorzuenthalten, mit denen er das beweisen könne. Twitter machte zugleich stets deutlich, dass die Zahl nur auf einer Schätzung basiere und gab zusätzlich an, dass täglich eine Million gefälschter Profile gelöscht werde.

Zatko vor Geheimdienstausschuss?

„Washington Post“ und CNN berichteten am Dienstag, der Geheimdienstausschuss des US-Senats wolle Zatko anhören. Der ehemalige Hacker, bekannt unter dem Namen „Mudge“, war Ende 2020 von Dorsey eingestellt worden, um die Sicherheit der Plattform zu verbessern. Zatko hatte zuvor die Konten zahlreicher Prominenter gehackt. Er war im Jänner bei Twitter wegen „unproduktiver“ Führung und „schlechter Ergebnisse“ entlassen worden.

Twitter will umstrukturieren

Als Reaktion auf die Vorwürfe strukturiert Twitter nun seine Teams um, die sich mit der Reduzierung von schädlichen Inhalten und gefälschten Nutzerkonten befassen. Das Social-Media-Unternehmen werde sein Team für den Bereich Health Experience, das an der Reduzierung von Fehlinformationen und schädlichen Inhalten arbeitet, mit dem Serviceteam, das für die Überprüfung von Profilen und für die Entfernung von Spam-Accounts zuständig ist, in einer neuen Arbeitsgruppe zusammenlegen.

Die Gruppe soll unter dem Namen „Health Products and Services (HPS)“ agieren, hieß es in der E-Mail am Dienstag an die Mitarbeiter, die von der Nachrichtenagentur Reuters eingesehen wurde. HPS wird von Ella Irwin geleitet, die erst im Juni ins Unternehmen kam. Die Umstrukturierung „spiegelt unser anhaltendes Engagement wider, Prioritäten zu setzen und unsere Teams auf die Verfolgung unserer Ziele zu fokussieren“, sagte ein Twitter-Sprecher.