Callcenter-Mitarbeiter sollen mit US-Software „westlicher“ klingen

Das im Silicon Valley ansässige Unternehmen Sanas hat eine umstrittene Software entwickelt, um den Akzent von Callcenter-Mitarbeitern und -Mitarbeiterinnen in ein „amerikanisches Standard-Englisch“ zu verwandeln. Die Beschäftigten sollen „westlich“ klingen, wie mehrere Medien berichteten.

Die Idee erinnert an den US-Film „Sorry to Bother You“ aus dem Jahr 2018. Darin hat ein junger Afroamerikaner in seinem Job als Verkäufer in einem Callcenter Schwierigkeiten – bis er sich eine „weiße Stimme“ aneignet. Plötzlich schießen seine Verkaufszahlen in die Höhe.

Akzente sind eine Hürde für Millionen von Callcenter-Beschäftigten, vor allem in Ländern wie den Philippinen und Indien. Eine ganze Industrie versucht, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beizubringen, wie westliche Kunden und Kundinnen klingen.

Unternehmen will Voreingenommenheit entfernen

Das US-Medium SFGATE.com berichtete, dass Sanas mit der Technologie in Echtzeit den Akzent umwandeln kann. Weil Callcenter aus Kostengründen ausgelagert werden, liegt der Fokus darauf, Nichtamerikaner zu Amerikanern „zu machen“. Eingesetzt wird die Software bereits bei rund 1.000 Beschäftigten in Indien und den Philippinen.

Gegenüber dem „Guardian“ erzählte Sharath Keshava Narayana, ein Mitbegründer von Sanas, dass die Motivation hinter der Software seine eigene Vergangenheit sei. Er habe im indischen Bangalore in einem Callcenter gearbeitet und sei wegen seines indischen Akzents diskriminiert worden. Er habe sich „Nathan“ nennen müssen.

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit ausländischem Akzent würden von Kunden nicht den Respekt erhalten, der ihnen gebührt, sagte Marty Massih Sarim, Präsident von Sanas. „Aber wenn wir diese Voreingenommenheit beseitigen können, wird es zu einem wirklichen Gespräch – und beide Seiten verlassen den Anruf mit einem besseren Gefühl.“

Kritiker: Vorurteile werden verstärkt

Die Akzentneutralisierung wird freilich auch kritisch gesehen. An sich sei die Software eine gute Sache, weil Auszubildende nicht mehr gezwungen werden müssten, ihren Akzent abzutrainieren – das sei ein äußerst mühsamer Prozess, sagt der indisch-amerikanische Soziologe Aneesh Aneesh im „Guardian“. Er hat sich lange mit den Problemen in Callcentern beschäftigt.

Es bestehe aber die Gefahr, dass die künstliche Neutralisierung von Akzenten eine Art „Gleichgültigkeit gegenüber Unterschieden“ darstelle, die die Menschlichkeit der Person am anderen Ende des Telefons mindere, so Aneesh. Die Software ignoriere die Probleme der Branche. Sie würde Vorurteile nicht entfernen, sondern diese verstärken, lautet die Kritik.

Sanas erklärte, dass die Probleme, mit denen Callcenter-Mitarbeiter konfrontiert sind, natürlich „falsch“ seien. „Aber sollen wir die Mitarbeiter trotzdem leiden lassen? Ich habe diese Technologie für sie entwickelt, weil ich nicht möchte, dass er oder sie das durchmacht, was ich durchgemacht habe“, so Sanas-Mitbegründer Narayana.