Frau steht an Bankomat
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Antiteuerungspläne

Lob für Entlastung, Sorgen wegen Kosten

Am Freitag endet die Begutachtung für zwei Maßnahmenpakete gegen die Teuerung. Konkret handelt es sich um die lang versprochene Abschaffung der kalten Progression (Teuerungsentlastungspaket Teil II) und um die Indexierung von Sozialleistungen (Teuerungsentlastungspaket Teil III). Während für die einen die Maßnahmen nicht weit genug gehen, sorgen sich die Länder um die Mindereinnahmen.

Schon vor der politischen „Sommerpause“ hatte die ÖVP-Grünen-Regierung ihre kurzfristigen Maßnahmen auf den Weg gebracht. Die Einmalzahlungen sollen ab September ausgeschüttet werden. Ab dem kommenden Jahr sollen die längerfristigen Pakete schlagend werden. Bestimmte Sozialleistungen wie die Familienbeihilfe, das Krankengeld (ab 1. Jänner 2023) und die Studienbeihilfe (ab 1. September 2023) werden an die Teuerung angepasst – für das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe gilt das nicht.

Zugleich wird gemäß den Plänen die kalte Progression abgeschafft. Die Grenzbeträge der Progressionsstufen (mit Ausnahme der höchsten Steuerstufe) und die negativsteuerfähigen Absatzbeträge sollen automatisch um zwei Drittel des Werts der Vorjahresinflation angehoben werden. Das restliche Drittel der Mehreinnahmen, die der Staat inflationsbedingt über die Einkommenssteuer lukriert, soll jedoch vom Gesetzgeber gesteuert ausgeschüttet werden.

Grundsätzlich werden die zwei Pakete durch die Bank weg gelobt. Im Gegensatz zu den kurzfristigen Einmalzahlungen würden die in Begutachtung befindlichen Pläne auf eine langfristige und nachhaltige Abfederung der Teuerung abzielen. Kritik flammt vereinzelt auf, weil die ÖVP-Grünen-Regierung mehr berücksichtigen sollte. Zudem geht es freilich auch um das Budget, das durch die Maßnahmen zusätzlich belastet wird.

Länder kritisieren mangelnde Verhandlungen

In Bezug auf die Abschaffung der kalten Progression verweisen einige Bundesländer auf die daraus entstehenden Mindereinnahmen. So heißt es etwa aus Bregenz, dass künftig Kompensationsleistungen durch den Bund erforderlich sein werden. In eine ähnliche Richtung argumentieren Kärnten, Wien und Salzburg. Die Landesregierungen kritisieren, dass „im Vorfeld keinerlei Gespräche“ mit den am Finanzausgleich beteiligten Gebietskörperschaften geführt worden seien.

Gesetzlich ist das im Finanzausgleichsgesetz festgelegt, wie auch der Städtebund, der den Entwurf ablehnt, schreibt. Der Bund hat nämlich noch „vor der Inangriffnahme steuerpolitischer Maßnahmen“ mit den Gebietskörperschaften Verhandlungen zu führen. Das sei nicht passiert. Ähnlich äußerten sich die Länder zu der geplanten Indexierung der Sozialleistungen. Auch diese würden zulasten der Länder gehen. Nach Ansicht des Landes Burgenland seien „Mindereinnahmen in einer derartigen Größenordnung angesichts der derzeit ohnehin sehr angespannten Budgetsituation kaum verkraftbar“.

Von den bisher veröffentlichten Länderstellungnahmen haben lediglich Tirol und Niederösterreich gar keine Einsprüche erhoben – auch keine Zahlen zu den Mindereinnahmen genannt. Das Finanzministerium geht in seinen ergänzenden Beilagen wegen der Abschaffung der kalten Progression von Mindereinnahmen in Höhe von 18 Milliarden Euro bis 2026 aus. Die Valorisierung von Sozialleistungen wird weitere vier Milliarden Euro in den kommenden vier Jahren veranschlagen.

In einem kürzlich erschienenen Fachartikel stellten die Ökonomen Peter Brandner und Josef Baumgartner eigene Berechnungen zur Abschaffung der kalten Progression auf. Sie wiesen auf ein „budgetäres Problem“ und eine „systematische Überkompensation“ hin. Durch das im Gesetzesentwurf präferierte Modell („Tarif auf Rädern“) werde das Budget mehr belastet als der Staat durch die kalte Progression überhaupt einnehme, so die Conclusio, über die die „Wiener Zeitung“ vor wenigen Tagen berichtete.

Erläuterungen für Rechnungshof mangelhaft

Der Rechnungshof (RH) merkt zusätzlich an, dass die Abschaffung der kalten Progression nicht nur Mindereinnahmen bedeute, sondern auch einen höheren Aufwand in der Finanzverwaltung. Zudem sind die Berechnungen der Mindereinnahmen durch das Finanzministerium für den RH nicht gänzlich nachvollziehbar.

WIFO-Chef zu steigenden Preisen und Maßnahmen

WIFO-Chef Gabriel Felbermayr sprach in der ZIB2 über die steigenden Preise in Österreich und über mögliche Maßnahmen.

Außerdem mangelt es an Zahlen zu den Kosten, die etwa beim Personal oder in der IT anfallen werden. Mit der Anpassung profitieren zudem Männer mehr als Frauen, weshalb weitere Maßnahmen verfolgt werden müssen, um den Gender Pay Gap zu verringern, so Prüfer und Prüferinnen des Rechnungshofs. Die Arbeiterkammer (AK) begrüßt den Plan, vermisst in der Umsetzung allerdings die Anpassung weiterer Beträge (z. B. Reisekosten). Zudem müsse klar definiert sein, wem das dritte Drittel zukommen soll.

Der Dachverband der Sozialversicherungsträger hielt sich kurz und verwies darauf, dass in den Erläuterungen ein falscher Paragraf genannt wird (statt § 33 Abs. 6 Z 3 EStG 1988 müsste § 33a Abs. 6 Z 3 EStG 1988 stehen). Die Wirtschaftskammer begrüßte die Abschaffung, weil sie eine „nachhaltig entlastende Wirkung für Steuerzahler“ habe. Bemängelt wird allerdings, dass „zahlreiche weitere steuerliche (Grenz-)Beträge nicht von der Inflationsanpassung erfasst werden“. In einem nächsten Schritt sollten diese einbezogen werden.

Anpassung an Inflation für viele zu spät

Anders reagierte die Wirtschaftskammer (WKO) auf die Valorisierung von Sozialleistungen. „So angemessen dies auch scheint, fehlt eine Entlastung von Betrieben“, so die Interessensvertretung. Man dürfe nicht vergessen, dass mit der CO2-Steuer ab 1. Oktober eine „neue Form der Belastung“ auf Unternehmen zukomme. Die WKO fordert, dass der Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) von derzeit 3,9 Prozent auf 3,7 Prozent gesenkt wird.

Der Rechnungshof weist hingegen darauf hin, dass eine Senkung der Dienstgeberbeiträge zu Mindereinnahmen des FLAF führen würde. Die geplanten Unterstützungsleistungen seien zu begrüßen, allerdings besteht die Gefahr, dass Auszahlungen und Einzahlungen des FLAF weiter auseinanderklaffen. Die Prüferinnen und Prüfer betonten abermals, dass die finanziellen Auswirkungen der geplanten Maßnahmen nicht ordnungsgemäß abgebildet wurden.

Kriegsopfer- und Behindertenverbände begrüßten in ihren Stellungnahmen die Maßnahmen. Gleichzeitig forderten sie, dass das Arbeitslosengeld und die Notstandsunterstützung ebenfalls an die Teuerung angepasst werden. Gerade Menschen mit Behinderungen seien überproportional von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen, mit der steigenden Inflation sei ihre Existenz bedroht. Dass die Valorisierung ab dem kommenden Jahr greift, sei angesichts der Preisentwicklung zu spät.

Arbeitslosengeld ausgenommen

Ähnlich äußerte sich auch der Frauenring. Ein Leben mit Kind werde immer teurer, weshalb eine Vorziehung der Inflationsanpassung auf den Herbst 2022 nötig sei. Auch der Frauenring bedauert, dass viele Leistungen, die Armut verhindern, im aktuellen Gesetzesvorschlag nicht berücksichtigt wurden. „Es sind gerade Frauen, die aufgrund vieler Faktoren Teilzeit arbeiten und beispielsweise die Mindestsicherung oder Sozialhilfe zur Aufstockung benötigen, um einigermaßen überleben zu können.“

Zuletzt hatte der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Wolfgang Katzian, eine nachhaltige Entlastung gefordert und sich gegen Einmalzahlungen ausgesprochen. Dementsprechend begrüßte der ÖGB das Entlastungspaket, bemängelte allerdings gleichzeitig, dass die automatische jährliche Valorisierung von bestimmten Leistungen nicht gewährleistet sei. Die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes forderte unter anderem eine dauerhafte Erhöhung des Pendlerpauschales und des amtlichen Kilometergeldes.

Auch die Studierendenvertretung zeigte sich über die jährliche Valorisierung erfreut. Was ihrer Meinung nach nicht nachvollziehbar sei, ist, dass im Gegensatz zu allen anderen Maßnahmen die Studienbeihilfe erst mit 1. September 2023 an die Teuerung angepasst wird. Der Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) forderte für seinen Stand ebenfalls eine Valorisierung ein. Steuerfreibeträge, Sachbezüge oder der gesetzliche Kostenersatz sollten an die Inflation angepasst werden. Aus Sicht der Anwälte besteht kein Grund, warum das nicht geschehen sollte.