Rakete mit Streumunition
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Bericht

Hunderte Streubombenopfer in Ukraine

Einem aktuellen Bericht zufolge ist die international geächtete Streumunition nach Angaben von Beobachtern in diesem Jahr weltweit nur in der Ukraine eingesetzt worden. Russland habe in seinem Angriffskrieg große Mengen davon abgeschossen, berichtete die Koalition gegen Streumunition (CMC) am Donnerstag in Genf. Seit Kriegsbeginn seien dadurch mehr als 200 Menschen getötet worden. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr gab es kein einziges Todesopfer. Streumunition zählt laut Völkerrecht zu den streng untersagten Kampfmitteln im Krieg.

In der Ukraine wurden im ersten Halbjahr 2022 mindestens 474 Zivilisten und Zivilistinnen aufgrund von Angriffen mit Streubomben verletzt, 215 wurden getötet. Vermutlich seien die Zahlen viel höher. Nicht alle Fälle würden erfasst, so die NGO Handicap International, ein CMC-Gründungsmitglied, in ihrem aktuellen Bericht „Streubomben Monitor 2022“.

Die russischen Streitkräfte hätten Hunderte von Angriffen mit Streumunition durchgeführt, doch auch die ukrainischen Streitkräfte hätten Streumunition mehrfach eingesetzt. Auf russischer Seite spricht die Koalition von Hunderten Einsätzen, die dokumentiert oder gemeldet wurden, aber nicht alle unabhängig geprüft werden konnten, auf ukrainischer Seite von drei, teilte die NGO mit.

Zerstörte Gebäude in Borodyanka
AP/CTK/Maca Vojtech Darvik
Zerstörte Gebäude in Borodjanka nahe Kiew. Streumunition kam laut Bericht auch in Wohngebieten zum Einsatz.

Bericht: Nur Opfer in Ukraine

In der Aussendung der NGO ist zu lesen: „Streumunition wurde in der Ukraine vor allem in bewohnten Gebieten eingesetzt. Dabei wurden nicht nur Zivilisten und Zivilistinnen getötet und verletzt, sondern auch die zivile Infrastruktur beschädigt: Häuser, Krankenhäuser, Schulen, Industrieanlagen, Spielplätze.“

In anderen Ländern seien im Berichtszeitraum 2021 (zuzüglich der Daten, die für 2022 bereits vorliegen) keine Opfer durch Angriffe mit Streumunition verzeichnet worden. Jedoch seien weltweit 149 Menschen Opfer von Blindgängern geworden. So sei die Zivilbevölkerung in Syrien, dem Irak und Laos davon besonders betroffen gewesen. 2020 gab es noch 360 Opfer.

Streubombeneinsatz „erheblich“ gestiegen

Einem aktuellen Bericht zufolge ist die international geächtete Streumunition nach Angaben von Beobachtern in diesem Jahr weltweit nur in der Ukraine eingesetzt worden. „Bisher gibt es Hinweise auf bis zu 700 Todesopfer bis Juni“, berichtete Loren Persi, der an dem „Streubomben Monitor 2022“ mitgearbeitet hat. „Für uns ist Russlands extensiver Einsatz von Streumunition in der Ukraine in den letzten sechs Monaten eine schreckliche Entwicklung“, so Mary Wareham von der NGO Human Rights Watch.

Viele kleine Sprengsätze in einem

Mit Streumunition werden viele kleinere Sprengsätze bezeichnet, die in Behältern aus Flugzeugen und Raketenwerfern abgeworfen oder abgeschossen werden. Sie werden wahllos und großflächig verteilt und explodieren. Viele landen als Blindgänger in Böden und töten oder verletzen Menschen noch Jahre später. Die allermeisten Opfer sind Zivilisten.

Auch in der aktuellen Aussendung der NGO heißt es: „Da bis zu 40 Prozent der Submunitionen nicht explodieren, ist zudem die Verseuchung mit explosiven Kriegsresten eine große Bedrohung für die ukrainische Zivilbevölkerung.“

Reste einer 300mm Rakete
APA/AFP/Sergey Bobok
Die Reste einer Rakete – eingeschlagen in der Nähe eines Spielplatzes, mitten in einem Wohngebiet

Russland und Ukraine keine Vertragspartner

Ein Übereinkommen von 2008 („Oslo-Vertrag“ )verbietet unter anderem den Einsatz, die Herstellung, den Transfer und die Lagerung von Streumunition und schreibt die Zerstörung von Beständen vor. 123 Staaten haben den Vertrag unterzeichnet. Darunter sind 24 NATO-Staaten, aber nicht die USA. Weder Russland noch die Ukraine gehören dem Übereinkommen an.

Die Koalition gegen Streumunition besteht aus Nichtregierungsorganisationen in aller Welt, die die Einhaltung des Übereinkommens überwachen. Die Konferenz der Vertragsstaaten des Oslo-Vertrages findet von 30. August bis 2. September in Genf statt.

Zerstörte Straße und Gebäude nahe Kiew
AP/Rodrigo Abd
Der Einsatz von Streumunition ist international geächtet

„Auch der Krieg hat Regeln“

Handicap International rief die Staaten dazu auf, den Einsatz dieser barbarischen Waffen systematisch zu verurteilen und die Verantwortlichen für ihren Einsatz zur Rechenschaft zu ziehen.

„Auch der Krieg hat Regeln, und der Oslo-Vertrag ist eine davon. Es muss alles getan werden, um sicherzustellen, dass alle Staaten dem Verbotsvertrag beitreten und dass diese barbarische Waffe endlich von den Kriegsschauplätzen verschwindet“, forderte Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Abteilung von Handicap International Deutschland.

Der fortgesetzte und wiederholte Einsatz von Streumunition in der Ukraine zeuge zudem von mangelnder Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung „und in einigen Fällen von der bewussten Absicht, sie zu treffen“.