Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
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Macron und Baerbock

Suche nach Ersatz für russisches Gas

Deutschland und Frankreich suchen nach Alternativen für Gas aus Russland. Während der französische Präsident Emmanuel Macron in Algerien Ersatz zu finden hofft, kündigte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in Marokko eine intensivere Zusammenarbeit in Sachen Energie an. Sie setzt dabei auf grünen Wasserstoff aus Marokko für Deutschland.

Frankreich bezieht jetzt schon Gas aus seiner ehemaligen Kolonie Algerien und will das nun ausbauen. Auch andere EU-Staaten zählen auf zusätzliche Lieferungen von algerischem Erdgas durch Leitungen, die nach Spanien und Italien führen. Bereits im April hatte Italien mit Algerien ein Abkommen zum Ausbau der Gaslieferungen abgeschlossen, um künftig nicht mehr so viel Gas aus Russland importieren zu müssen. Zur französischen Delegation bei der Reise gehört auch die Generaldirektorin des Energiekonzerns Engie, Catherine MacGregor.

Frankreich und Algerien wollen ihre Zusammenarbeit ausbauen und ein neues Kapitel in ihrer von der Kolonialvergangenheit belasteten Beziehung aufschlagen. „Wir wollen zusammen die Zukunft bauen“, sagte Macron am Donnerstag in Algier zum Auftakt eines dreitägigen Besuchs in dem nordafrikanischen Land. Beabsichtigt seien gemeinsame Projekte im Bereich Industrie, Forschung sowie in Sport und Kultur – und eben auch auf dem Energiesektor. Algeriens Präsident Abdelmadjid Tebboune betonte ebenfalls, dass die Beziehungen auf allen Gebieten ausgebaut werden sollten.

Pipeline aus Algerien in Almeria, Spanien
Reuters/Jon Nazca
Die „Medgaz“-Pipeline aus Algerien endet in Almeria in Spanien

Brutaler Algerien-Krieg

Im Algerien-Krieg kämpften 1954 bis 1962 algerische Unabhängigkeitsverfechter gegen die französische Kolonialmacht, die das Land seit 1830 beherrschte und den Befreiungskampf brutal unterdrückte. Der Krieg mit Hunderttausenden Toten war in Frankreich lange mit Tabus behaftet. Präsident Emmanuel Macron bemühte sich zuletzt darum, die Versöhnung voranzutreiben.

Frankreich mit großem AKW-Problem

Frankreich hat derzeit auch Stromprobleme: Vier französische Atomreaktoren sollen wegen Korrosion abgeschaltet bleiben. Der französische Energiekonzern EDF teilte am Donnerstag mit, die Reaktoren sollten erst zwischen dem 1. November und dem 23. Jänner nächsten Jahres wieder ans Netz gehen. Betroffen sind die Reaktoren Cattenom 1, 3 und 4 sowie Penly 1.

Von 56 Reaktoren sind derzeit nur 24 in Betrieb. 32 sind abgeschaltet – entweder aufgrund routinemäßiger Wartungsarbeiten oder zur Bewertung von Korrosionsrisiken. Die gesamte Stromproduktion für 2022 bewertet EDF nun „am unteren Ende der Prognose von 280 bis 300 Terawattstunden (TWh)“, wie der Konzern mitteilte.

Strom muss importiert werden

Wenn die eigene Produktion nicht ausreicht, um Frankreichs Bedarf zu decken, importiert EDF Strom aus anderen europäischen Ländern. Die Notarbeiten in den von EDF betriebenen Atomkraftwerken verschlimmerten zuletzt die finanziellen Probleme des hoch verschuldeten staatlich kontrollierten Unternehmens.

Die französische Regierung hatte im Juli angekündigt, es im Zuge der Wiederbelebung der französischen Atomindustrie vollständig verstaatlichen zu wollen. Macron hatte Anfang des Jahres den Bau von bis zu 14 neuen Atomkraftwerken gefordert, um die Abkehr des Landes von fossilen Brennstoffen zu unterstützen. Frankreich deckt etwa 70 Prozent seines Stroms aus Atomkraft.

D: Wasserstoff aus Marokko soll Energiewende befördern

Deutschland setzt indes auf Wasserstoff. Bei einem Besuch in Marokko kündigte die deutsche Außenministerin Baerbock eine intensivere Zusammenarbeit der beiden Staaten unter anderem bei der Energieversorgung und in der Sicherheitspolitik an. Marokko sei ein „enorm wichtiger Partner“ für Deutschland und die gesamte EU, sagte Baerbock am Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem marokkanischen Außenminister Nasser Bourita. Unter anderem bei der Herstellung und dem Export grünen Wasserstoffs für die Energiewende wollen Rabat und Berlin künftig stärker kooperieren.

Deutsche Außenministerin Annalena Baerbock
Reuters/Lisi Niesner
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock

Deutschland und die EU dürften sich „nie wieder abhängig machen von Ländern, die unsere Werte nicht teilen“, sagte Baerbock in Anspielung auf die Gasversorgungskrise in Europa und die Drosselung russischer Gasexporte in die EU-Staaten.

„Beste Voraussetzungen“

Die „Entwicklung und Förderung eines grünen Wasserstoff- und Power-to-X-Sektors“ solle künftig einer der Schwerpunkte der deutsch-marokkanischen Zusammenarbeit sein, hieß es in einer gleichzeitig mit der Pressekonferenz veröffentlichten gemeinsamen deutsch-marokkanischen Erklärung. Mit „Power-to-X“ werden verschiedene Technologien bezeichnet, mit denen überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien gespeichert wird. Bereits 2020 hatten Berlin und Rabat eine gemeinsame Absichtserklärung zur Entwicklung und Förderung grüner Wasserstofftechnologie unterzeichnet.

In einer vor ihre Abreise vom deutschen Auswärtigen Amt verschickten Mitteilung erklärte Baerbock, Marokko habe „beste Voraussetzungen“, zu einer „wichtigen Säule der europäischen Energiewende“ zu werden. Das Potenzial für mehr „wirtschaftliche Zusammenarbeit und menschlichen Austausch“ zwischen Deutschland Marokko sei „riesig“.