ORF – Informationsstand bei der Leichtathletik – Weltmeisterschaft
ORF
„50 Pieces“

Als der ORF silbern wurde

1972 wurde, gerade auch in der Gestaltung, ein Wendejahr für den ORF. Als sich Architekt Gustav Peichl aufmachte, die vier Landesstudios in Salzburg, Linz, Innsbruck und Dornbirn zu konzipieren, nahm er das Wort Rundfunk nicht nur wörtlich – und entwarf die kreisrunden „Peichl-Torten“ als neue Zentralen. Neu war auch die Farbe Silber, mit der der ORF Richtung Zukunft im Space Age aufbrechen soll.

Die Silberfarbe des Außenanstrichs habe man bisher nur im Raumfahrtzentrum Cape Kennedy verwendet, wusste damals die Programmzeitschrift „HÖRZU“. Die Nähe zur Raumfahrt war durchaus symbolisch zu verstehen und bewusst gewählt. Es war die Zeit der Sputnik- und Apollo-Raumfahrtprogramme, und ein weltweites Weltraumfieber hatte Kunst, Architektur und Design erfasst.

1969 landeten die ersten Menschen auf dem Mond. David Bowie schickte Major Tom für immer in den Weltraum, und ORF-Chefdesigner Erich Sokol und sein Team tauchten den ORF in gleißendes Silber. Die neue „Hausfarbe“ stand für Fortschritt, Technik, Utopie und sollte den modernen ORF der Zukunft repräsentieren.

ORF-Kamera im Fernsehstudio am Küniglberg
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TV-Studio-Kameras für das neue Space Age

In coolem technoiden Silber glänzte damals alles, was den ORF nach außen und innen darstellte: Kameras, Dienstkleidung, ORF-Fahrzeuge, der (längste abgeschaffte) ORF-Hubschrauber, Broschüren und eben auch die Architektur. Zusammen mit dem Logo, dem „ORF-Auge", ergab das eine in Österreich bis dahin beispiellose Form des Corporate Design.

Peichl-Torte statt Franziskanerkloster

50 Pieces

Corporate Design für reformierten Rundfunk

Ein reformierter Rundfunk auf dem neuesten Stand der Technik, das war das große Aufbauprojekt von Gerd Bacher, der 1967 an die Spitze des ORF getreten war. Er musste den ORF nicht nur dem Proporz entreißen, sondern auch eine veraltete technische Infrastruktur erneuern beziehungsweise überhaupt erst aufbauen lassen. Mit dem Bau der neuen ORF-Landesstudios wurde Architekt Peichl beauftragt.

ORF-Generalintendant Gerd Bacher für neue Architektur und gegen den Firlefanz

50 Pieces

Für Kritik sorgte die Tatsache, dass ein und dasselbe Baumodell in allen vier Bundesländern realisiert werden sollte. Manche hätten lieber regionale Architekten und Architektur zum Zug kommen lassen. Das war nicht im Sinne Bachers. „Wir wollten mit den Landesstudios ja nicht die Länder repräsentieren, sondern den ORF in den Ländern“, meinte er dazu 2005 gegenüber dem ORF-Zeitgeschichte-Experten Andreas Novak. So viel Selbstbewusstsein brach auch auf der symbolischen Ebene mit den Gepflogenheiten des Proporzes.

Am Ende musste auch Bacher an den Marterpfahl

50 Pieces

Buchhinweis

Andreas Novak, Oliver Rathkolb: Die Macht der Bilder, Kral Verlag 2017.

Aufregung um Landesstudio Salzburg

In Bachers Heimatstadt Salzburg gingen die Wogen besonders hoch. Dass Peichl und der ORF Major Toms Raumschiff gerade im Nonntal zu Füßen der Festung Hohensalzburg landen ließen, ärgerte die Traditionalisten. Auf dem fröhlich-expressiven Studioneubau, mit dem sich der reformierte ORF zum ersten Mal architektonisch selbst darstellte, ruhten die Argusaugen des Stadtvereines Salzburg, der sich die Bewahrung des Stadtbildes zum Ziel gesetzt hatte.

Fotostrecke mit 15 Bildern

Ü-Wagen Citroen – Landesstudio Burgenland
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Ü-Wagen-DS des Landesstudios Burgenland. Damals sah die Dienstkleidung noch aus wie in einem Beastie-Boys-Video.
ORF – Informationsstand bei der Leichtathletik – Weltmeisterschaft
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Man nannte es: ORF-Informationsstand
„ORF-Farbzug“, „Salzburger Festspiele.“
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Der ORF bei den Salzburger Festspielen. Damals wie heute mit den Ü-Wagen in Silber.
Silbernes Cover zeigt Satelliten
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Satellitenfernsehen MUSS silber sein
Konferenz über strategische Abrüstung (SALT-Konferenz) in Wien
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Der ORF bei der SALT-Konferenz in Wien
ORF-Hubschrauber
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Als der ORF noch Hubschrauber hatte, waren diese: silbern
ORF Zentrum Regieplatz
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In der ORF-Energiezentrale im ORF-Zentrum
ORF-Kamera im Fernsehstudio am Küniglberg
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ORF-TV-Kameras: Damals war es das Space-Design
„Ü-Wagen“, Ü-Wagen „ORF-Zentrum“
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Ü-Wagen vor der Tankstelle im ORF-Zentrum. Die Farbe Silber hat sich bis heute erhalten.
„30. Hahnenkammrennen in Kitzbühel“, ORF Übertragungswagen beim traditionellen Hahnenkammrennen in Kitzbühel
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30. Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel: Auch der Schneeanzug der Mitarbeiter war silbern
Blick auf den Haupttrakt des ORF Zentrums am Küniglberg in Wien, Eingang, Haupteingang
ORF
Blick auf den Haupttrakt des ORF-Zentrums auf dem Küniglberg in Wien, Haupteingang
ORF-Logos aus dem Jahr 1983
ORF
Die ORF-Logos 1983
Dreharbeiten zur ORF-Show „Talentebus“
ORF
Dreharbeiten zur ORF-Show „Talentebus“
Regie und Schnittplatz im ORF-Zentrum am Küniglberg in Wien
ORF
Regie und Schnittplatz im ORF-Zentrum auf dem Küniglberg in Wien
ORF-Kamera im ORF-Zentrum
ORF
Eine TV-Kamera in den 1970er Jahren

Es war ausgerechnet der Silberanstrich im Corporate-Design-Stil, der knapp vor der Fertigstellung ins Visier der Stadtbildschützer und -schützerinnen geriet. Nur 14 Tage vor der Eröffnung rückten Architekt Peichl, der Vizebürgermeister von Salzburg höchstpersönlich und ein Baubeamter des Magistrats Salzburg aus, um an Ort und Stelle zu klären, ob der Anstrich fortgesetzt werden könne. Er konnte.

Tausende stürmen das Landesstudio: Architekt Peichl stellt sich

50 Pieces

„Studios fürs Jahr 2000“

Die Programmzeitschrift „HÖRZU“ lobte zumindest die „hellen, farbenfrohen Büroräume“ in der sonst etwas bespöttelten „silbergrauen, supermodernen Aluminiumschöpfung“. Diese knüpfte an die Tradition der klassischen Moderne an. Freiliegende technische Elemente ließen die Funktion der Gebäude deutlich hervortreten. Ihre ästhetische Aufwertung fand historische Vorbilder in der Technikfaszination des Futurismus und fügte sich nahtlos in die silberne Technoästhetik des ORF-Corporate-Design.

Darüber hinaus war blitzendes Aluminium der Baustoff der Stunde. Und mit der witzig-ironischen Konnotation von Bauteilen ragte Peichls Entwurf weit über eine nur funktionelle Moderne hinaus. Peichl gehörte der Architektengeneration von Hans Hollein, Günther Domenig und Haus-Rucker-Co an. Bei Peichls Landesstudios erinnerten die Ausblasöffnungen der Außenwände an Kanonen und Schießscharten – dieses ironisch-martialische Detail entsprach wohl auch Bachers kämpferischem Selbstverständnis.

„Das Studio fürs Jahr 2000“ nannte es „HÖRZU“. Der wohl ironisch gemeinte Titel traf aber den Kern der Bacher-Reformen. Die Studios sollten optisch in die Zukunft weisen und den ständig wachsenden Anforderungen eines modernen Studiobetriebes Genüge tun. Peichls Entwurf sah einen zentralen Empfangsraum vor, um das sich Kreissegmente unterschiedlicher Größe flexibel gruppierten. Diese Segmente der „Peichl-Torten“ sollten für künftige Erweiterungen ausbaubar sein.

Fernsehausbau in Bundesländern

Zunächst einmal sollten die silberglänzenden Studios dem damals schnell wachsenden Fernsehen Raum bieten. Die tägliche Bundesländersendung um 19.00 Uhr wurde im selben Jahr eingeführt und stand in der Publikumsgunst bald ganz vorne. Anfang 1974 erreichte die Anzahl der Zuschauer und Zuschauerinnen erstmals die Zweimillionengrenze. Das ORF-Jubiläumprojekt „50 Pieces“ versammelt ein Best-of dieser Österreich-Bilder aus dem Gründungsjahr 1972.

Ein Polizist ahndet „Anstandsverletzungen“ in Linz

50 Pieces

Preise für Architekt und Bauherrn

Für Architekten Peichl begründete der Bau der vier Landesstudios seinen internationalen Durchbruch. Schon 1971, noch in der Bauphase, hatte er mit Hinweis auf die Studiobauten den Großen Österreichischen Staatspreis für seine „menschbezogene, technisch-funktionelle Architektur“ bekommen. 1975 folgte der Reynolds Memorial Award, der damals bedeutendste US-amerikanische Architekturpreis.

ORF-Hubschrauber
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Hubschrauber in Rot-Weiß-Rot und Silber

Die Zentralvereinigung der Architekten Österreichs zeichnete den ORF für die Landesstudios mit dem Preis als "Bester Bauherr“ aus. Und für sein Corporate Design, das eine klar nach außen hin erkennbare Identität schuf, wurde dem ORF noch 1980 eine besondere Ehre zuteil. Die Rundfunkanstalt wurde als einziger österreichischer Teilnehmer zur Linzer Schau „Design ist unsichtbar“ eingeladen, bei der sich das Who’s who der internationalen Design- und Architekturwelt die Klinke in die Hand gab.