Bundeskanzleramt
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ÖVP-Inseratenaffäre

WKStA will Daten aus Kanzleramt

Im Zuge der Ermittlungen rund um die ÖVP-Inseratenaffäre will die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) elektronische Daten aus dem Bundeskanzleramt einsehen. Dazu sollen E-Mail-Postfächer, Laufwerke und Office-Dokumente von sämtlichen Beschäftigten, die von Dezember 2017 bis Oktober 2021 im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und strategische Kommunikation tätig waren, sichergestellt werden.

Der Zeitraum fällt in die Amtszeit des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP). Betroffen sind auch alle Mitarbeiter im Bereich der Informationstätigkeit der Bundesregierung (insbesondere Informationsinitiativen, Mediaplanung – und Budget), insgesamt dürften schätzungsweise an die 100 Personen von den Durchsuchungen erfasst sein.

Bei der Inseratenaffäre geht es um den Verdacht, dass Mitglieder der ÖVP um den damaligen Außenminister Kurz beginnend mit dem Jahr 2016 rechtswidrig Budgetmittel des Finanzministeriums genutzt haben sollen, um gefälschte Meinungsumfragen erstellen zu lassen und diese in der Tageszeitung „Österreich“ platziert zu haben.

Ziel soll es gewesen sein, auf diesem Wege die öffentliche und die ÖVP-parteiinterne Meinung zu beeinflussen, um Kurz den Aufstieg zum ÖVP-Obmann und österreichischen Bundeskanzler zu ermöglichen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

WKStA: Zu wenige E-Mails in Postfächern

Die Staatsanwaltschaft argumentiert nun ihr Ansinnen damit, dass frühere enge Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Kurz massenhaft E-Mails gelöscht und ihre Handys getauscht hätten und nun möglicherweise Beweismaterial fehlt. Es zeige sich nämlich jetzt schon, dass „die Beschuldigten im Zuge der Umsetzung ihres Tatplanes per E-Mail oder mittels Chatnachrichten kommunizierten“.

Sebastian Kurz
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Kurz ist im Oktober 2021 als Bundeskanzler zurückgetreten und wenig später auch aus der Politik

Die erforderliche Beweiserhebung sei auf andere Weise nicht möglich, „weil die Beschuldigten großflächige Löschungen von ihren elektronischen Daten vorgenommen haben“, heißt es in der Begründung, die der APA vorliegt.

So sollen im sichergestellten E-Mail-Postfach eines Kurz-Sprechers fast sämtliche E-Mails von 10. Jänner 2020 bis 3. August 2021 gelöscht worden sein. Für diesen Zeitraum würden sich lediglich 242 „unique“ E-Mails – also nach Deduplizierung – im Postfach befinden, die fast allesamt aus dem Outlook-Ordner „Kalender“ und „Posteingang/Flüge“ stammen.

„E-Mails ab dem 5. August 2021 wurden ebenfalls praktisch durchgehend gelöscht, wobei die Löschungen im Rahmen der IT-forensischen Aufbereitung nachvollzogen werden konnten. Das erste nicht gelöschte E-Mail stammt vom 5. Oktober 2021, 17:28 Uhr, daher unmittelbar vor der Durchsuchung am darauffolgenden Tag“, so die WKStA.

Einschränkung der Ermittlungen „nicht möglich“

Durch die Sicherstellung Tausender weiterer Daten hofft die WKStA, über Umwege „Informationen über die Auftragsvergaben und die Verwendung der Ergebnisse der Umfragen in der Öffentlichkeitsarbeit“ gewinnen zu können. „Eine Einschränkung auf konkrete Personen ist mangels Kenntnis der konkreten Strukturen und Zuständigkeiten sowie operativen Abläufe innerhalb des umfangreichen Mitarbeiterstabs nicht möglich.“

WKStA will Daten von BKA-Mitarbeitern

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) will in der ÖVP-Inseratenaffäre die elektronischen Daten von Dutzenden Mitarbeitern des Bundeskanzleramts (BKA) öffnen. Die Staatsanwaltschaft argumentiert ihr Ansinnen damit, dass frühere enge Mitarbeiter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) massenhaft Mails gelöscht und ihre Handys getauscht hätten und nun möglicherweise Beweismaterial fehlt.

Kurz-Anwalt Werner Suppan sieht diesen Schritt als weiteres Zeichen dafür, „dass die Ermittlungen der WKStA bisher nicht Vorwerfbares zutage gebracht haben“. „Weil man nichts gefunden hat, muss man immer weiter graben. Die WKStA wird aber auch hier nichts finden, weil sich niemand etwas zuschulden hat kommen lassen.“

Das Büro von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) teilte – laut ZIB2 – mit, dass man kooperieren werde. Man sehe allerdings die Aktion zu breit angelegt – und man möchte die Privatsphäre nicht involvierter Mitarbeiter geschützt wissen, hieß es.

Gegenteilig fiel der Kommentar der FPÖ aus: „Die Luft für die im Korruptionssumpf versinkende ÖVP wird immer dünner“, meinte deren U-Ausschuss-Fraktionschef Christian Hafenecker in einer Aussendung. Er interpretiert die Anordnung der WKStA als „klares Zeichen dafür, dass den schwarzen ,Tatortreinigern’ jetzt das Handwerk gelegt wird“.

Sobotka sieht negativen Verlauf von U-Ausschuss

Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) bewertete den Verlauf des ÖVP-U-Ausschusses negativ. „Ich habe den Eindruck, dass es zunehmend eskaliert. Sogar der Verfahrensrichter im U-Ausschuss moniert, man könne leicht den Eindruck eines Tribunals gewinnen“, sagte Sobotka dem „profil“.

Der Nationalratspräsident beklagte einen „Vernichtungsfeldzug“ gegen die ÖVP – nicht nur im U-Ausschuss. Die medialen Spekulationen über die Zukunft von Kanzler und Parteiobmann Karl Nehammer etwa seien „klar aus dem Oppositionsbereich“ gekommen. Die Regierung sei stabil, aber ihr Außenauftritt ist für Sobotka unbefriedigend.

„Mir wird alles vorgeworfen“

Nach wie vor findet Sobotka es „bedenklich, unter welchen Bedingungen Kurz schlussendlich weichen musste“: „Dass man eine Regierung mit bloßen Anzeigen allein fast stürzen kann, irritiert mich doch sehr. Ich hätte gern Beweise für ein belegbares Fehlverhalten am Tisch.“

Dass ihm selbst – im U-Ausschuss – Parteilichkeit vorgeworfen wird, kommentierte Sobotka trocken: „Mir wird alles vorgeworfen. Ich bin in meinen 40 Jahren in der Politik unzählige Male angezeigt worden. Nie ist etwas rausgekommen. Es ist ein klares Muster, es heißt: Der Kurz muss weg. Der Blümel muss weg. Die Köstinger muss weg. Dieser Widerling Sobotka sitzt noch immer da.“