Tigray: WHO-Chef kann „hungernden Verwandten“ nicht helfen

Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, kann seinen „hungernden Verwandten“ in der umkämpften äthiopischen Region Tigray nicht helfen. Das teilte er gestern vor Journalisten und Journalistinnen mit. Weder könne er Geld schicken, noch wisse er, wer noch lebt und wer tot ist.

Tedros war vor seiner Tätigkeit bei der WHO Gesundheits- und Außenminister in Äthiopien. Er stammt aus der Tigray-Region und war Mitglied der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF). Vor wenigen Tagen warf Tedros der Weltgemeinschaft mit Blick auf die Tigray-Krise Rassismus vor.

Die schlimmste humanitäre Krise in der Welt erhalte nicht dieselbe internationale Aufmerksamkeit wie der Ukraine-Krieg. „Vielleicht ist der Grund die Hautfarbe der Menschen“, sagte der WHO-Chef.

Tausende Tote seit Beginn der Kämpfe

Der bewaffnete Konflikt in Äthiopien hatte im November 2020 mit einer Offensive der äthiopischen Streitkräfte begonnen, nachdem die in Tigray regierende TPLF die Autorität der Zentralregierung immer wieder infrage gestellt hatte.

Erst im März hatten sich beide Seiten nach eineinhalb Jahren auf eine Waffenruhe geeinigt, vor allem um dringend benötigte humanitäre Hilfsgüter in die vom Rest des Landes abgeschnittene Region zu bringen. Nach aktuellen UNO-Angaben leidet die Hälfte von Tigrays Bevölkerung Hunger.

Seit Beginn der Kämpfe wurden den Vereinten Nationen zufolge Tausende Menschen getötet und mehr als zwei Millionen weitere in die Flucht getrieben. Die UNO wirft allen Konfliktparteien schwere Menschenrechtsverletzungen vor.

Kaum Möglichkeiten, um mit Familien in Kontakt zu treten

Im Jahr 2020 wies der WHO-Chef Vorwürfe eines äthiopischen Generals zurück, er habe bei der Beschaffung von Waffen für die Rebellen in Tigray geholfen. „Es gab Berichte, in denen behauptet wurde, ich würde in dieser Situation Partei ergreifen. Das ist nicht wahr“, twitterte er damals.

Wegen des Konflikts ist die Tigray-Region von der Außenwelt quasi abgeschnitten. Die Finanzdienstleistungen wurden eingestellt, weshalb Überweisung nicht möglich seien, sagte der frühere Minister. Auch über Mittelsmänner sei es derzeit schwierig, sagten mehrere Personen gegenüber BBC.

Tote nach Luftangriff

Bei einem Luftangriff der äthiopischen Luftwaffe auf die Stadt Mek’ele in der Rebellenregion Tigray wurden zuletzt mindestens vier Menschen getötet, darunter zwei Kinder. Neun weitere Menschen wurden verletzt, wie der Leiter eines Krankenhauses in der Hauptstadt der Region der Nachrichtenagentur AFP sagte.

In einer Erklärung der äthiopischen Regierung wurde die Bevölkerung von Tigray aufgefordert, sich von Gebieten fernzuhalten, „in denen sich militärische Ausrüstung und Ausbildungseinrichtungen der TPLF befinden“.