Bundeskanzleramt in Wien
ORF.at/Roland Winkler
Energiesicherheit

Regierung berät mit E-Wirtschaft

Nachdem eine der Maßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung im Winter vorerst am Widerstand der Opposition gescheitert ist, berät die Regierung Sonntagabend mit Vertretern der E-Wirtschaft. Laut Kanzleramt geht es darum, die Versorgungssicherheit für Haushalte und Industrie trotz der erwarteten Kürzung oder Einstellung der Gaslieferung durch Russland sicherzustellen. Und es geht darum, ob und wie der Strom- vom Gaspreis entkoppelt werden kann.

Ins Bundeskanzleramt geladen sind Verbund-Chef Michael Strugl, E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch und Wien-Energie-Chef Michael Strebl. Einen entsprechenden Bericht der „Kronen Zeitung“ bestätigte das Kanzleramt. Es gehe darum, angesichts der jüngsten Preissprünge auf dem Energiemarkt die Versorgungssicherheit für Haushalte und Unternehmen sicherzustellen – und zu klären, was aufseiten der Anbieter dafür nötig ist.

Von Regierungsseite nehmen neben Bundeskanzler Karl Nehammer, Finanzminister Magnus Brunner (beide ÖVP), ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher sowie Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und die beiden Klubobleute August Wöginger (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne) an den Beratungen teil.

Zuletzt hatte diese Woche die Regierung für ihre Gaslenkungsverordnung nicht die nötige Zweidrittelmehrheit im Parlament gefunden. Auch wenn es in den nächsten Tagen oder Wochen noch eine Einigung mit der SPÖ geben sollte, wird sich damit etwa eine Reaktivierung des stillgelegten Kohlekraftwerks Mellach laut Verbund-Chef Strugl für diesen Winter nicht mehr ausgehen.

Gaskraftwerke sollen umrüsten

In der von Gewessler eingebrachten Lenkungsmaßnahmenverordnung werden Energieversorger und große Industriebetriebe zur Umrüstung aufgefordert, um im Fall eines Gasmangels oder russischen Lieferstopps andere Brennstoffe wie Kohle, Öl und Biomasse einzusetzen. Dafür ist eine Entschädigung vorgesehen. Die Verordnung betrifft unter anderem das steirische Mellach, aber auch Fernwärmekraftwerke, etwa jene der Wien Energie, die von Gas auf Öl umgestellt werden sollen. Ziel ist es, Gas zu sparen, falls Russland den Gashahn ganz zudreht.

Regierung berät mit Energieunternehmen

Die Bundesregierung hat die Chefs Österreichs führender Energieunternehmen zu einem Energiegipfel geladen. Die steigenden Preise sind Thema bei dem Treffen am Sonntag.

Ein Kostenersatz für Brennstoffe sei nur in dem Ausmaß vorgesehen, in dem Öl oder Kohle teurer wären als Gas, hieß es zuletzt aus dem Energieministerium. Die SPÖ ist gegen diesen Kostenersatz und argumentiert mit den hohen Übergewinnen der Energieerzeuger durch die Preissprünge.

23 Energieerzeuger mit Umstiegsmöglichkeit

Die E-Control hat laut Ministerium neben dem Kraftwerk Mellach noch 23 andere Unternehmen eruiert, die ihre Anlagen von Gas auf andere Energiequellen umrüsten könnten – damit könnte der Gasverbrauch um bis zu 16 Prozent gesenkt werden.

Europaweites Problem

Nicht nur Österreich, sondern praktisch alle europäischen Staaten versuchen derzeit – teils gemeinsam auf EU-Ebene, teils bilateral und teils im Alleingang – Alternativen zu russischem Gas zu organisieren. Die Energiepreise sind in Europa wegen der hier teils extremen Abhängigkeit von Russland viel stärker gestiegen als in anderen Teilen der Welt. Das könnte in den nächsten Jahren auch zu einem weitreichenderen industriepolitischen Problem werden.

Der Chef des Feuerfestkonzerns RHI Magnesita, Stefan Borgas, hatte zuletzt gegenüber der „Kleinen Zeitung" klargemacht, dass energieintensive Industrien in den nächsten Jahren aus Europa abwandern könnten, da die Wettbewerbsfähigkeit sonst nicht mehr gegeben sei. Blieben die Energiepreise in Europa weiterhin so hoch, würde das bedeuten, dass „Europa nicht mehr wettbewerbsfähig Stahl, Zement, Kupfer etc. herstellen kann“ und große Anlangen in Europa stillgelegt würden. Damit mache sich Europa von anderen Regionen abhängig, so der RHI-Chef.

Deutscher Finanzminister gegen Merit-Order-System

Am Wochenende stellte sogar der wirtschaftsliberale deutsche Finanzminister Christian Lindner das derzeitige Preisbildungssystem bei Energie an Europas Energiebörsen indirekt infrage. Auf dem Strommarkt habe die Politik mit dem Merit-Order-System einen „Profit-Autopiloten eingerichtet“.

Aufgrund der geltenden Regeln würden die Produzenten von Solar-, Wind- und Kohlestrom automatisch so bezahlt, als hätten sie teures Gas gekauft. „Die Gewinne steigen zulasten der Verbraucher Milliarde um Milliarde“, so Lindner.

Preis richtet sich nach teuerster Anlage

Als Merit-Order wird die Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Kraftwerke bezeichnet. Kraftwerke, die billig Strom produzieren, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind etwa Windkraftanlagen. Am Ende richtet sich der Preis aber nach dem zuletzt geschalteten und somit teuersten Kraftwerk, um die Nachfrage zu decken – derzeit sind das wegen der hohen Gaspreise Gaskraftwerke. Dadurch sind auch die Strompreise deutlich gestiegen.