FFP2-Maske auf einem Federpennal mit Buntstiften
APA/dpa/Sebastian Gollnow
Start ohne Masken, Tests

Schulen dürfen begründet selbst verschärfen

Das neue Schuljahr startet ohne allgemeine Test- und Maskenpflicht für Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte. „Wie in allen anderen Lebensbereichen gilt es auch im Schulbereich, mit Covid-19 leben zu lernen“, so das Bildungsministerium. Doch bekommen die Schulleitungen anlassbezogen die Möglichkeit, auf zwei Wochen befristet Antigen-Tests bzw. Masken vorzuschreiben – etwa wenn in einer Klasse Infektionsfälle auftreten.

Entscheidet sich die Schule für diesen Schritt, sind Tests für die Teilnahme am Präsenzunterricht verpflichtend. Andere Maßnahmen bzw. solche über die zwei Wochen hinaus bedürfen der Zustimmung der Bildungsdirektion bzw. des Ministeriums. Eine Verpflichtung zu PCR- oder Antigen-Tests gibt es zu Schulbeginn bzw. bei derzeitiger Risikolage nicht. PCR-Tests dürfen überhaupt nur vom Bildungsministerium angeordnet werden.

Zu Schulbeginn empfiehlt das Ministerium die Durchführung von Tests auf freiwilliger Basis: Wie im Vorjahr sollen die Schülerinnen und Schüler nach Möglichkeit am ersten Schultag bereits mit einem gültigen (PCR-)Test in die Schule kommen. Außerdem werden in der ersten Schulwoche am Montag, Dienstag und Mittwoch an allen Schulen Antigen-Tests angeboten, die Schüler, Lehrer und Verwaltungspersonal nutzen können.

Schulen dürfen befristet auch Masken anordnen

Und bei Masken? Hier können Schulleitungen in begründeten Fällen, also etwa Infektionsfällen in Klassen, bis zu zwei Wochen eine Maskenpflicht anordnen (Mund-Nasen-Schutz in Volksschule/AHS-Unterstufe/Mittelschule/Sonderschule, FFP2-Maske in der Oberstufe). Wie bei der Testpflicht ist das „durch das Infektionsgeschehen am Schulstandort evidenzbasiert zu begründen“. Mit Zustimmung der Bildungsdirektion ist wiederum eine längere Dauer als zwei Wochen möglich.

„Wenn Sie sich gesund fühlen, dann müssen Sie“

Das neue Schuljahr wird ohne verpflichtende Tests und Maskenpflicht beginnen. Es könne also so begonnen werden, wie das letzte beendet wurde – generell gelte „stärkere Eigenverantwortung“, sagte ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek bei einer Pressekonferenz in Wien. Trotz Kritik bleibt es dabei, dass symptomlose Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler ab der Sekundarstufe I trotz Infektion mit einer FFP2-Maske in den Unterricht kommen dürfen. „Wenn Sie sich gesund fühlen, dann müssen Sie. Wenn ich mich nicht gesund fühle, dann soll ich nicht“, so Polaschek vor Medienvertreterinnen und -vertretern.

Symptomlose Lehrer und Schüler dürfen in Schule

Symptomlose Lehrerinnen und Lehrer dürfen mit FFP2-Maske an den Bundesschulen unterrichten (an den Pflichtschulen entscheiden das die Länder als Dienstgeber), symptomlose Schülerinnen und Schüler dürfen ebenfalls mit FFP2-Maske den Unterricht besuchen. Daran hält ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek ungeachtet der Kritik daran fest, wie er am Montag in einer Pressekonferenz sagte („Es gibt keinen Grund, den Bildungsbereich anders zu behandeln als andere Lebensbereiche“).

Ausgenommen sind Kinder an Volksschulen – bei ihnen wird angenommen, dass sie nicht den ganzen Tag eine FFP2-Maske tragen können. Für Kinder unter elf Jahren gelte im Positivfall ein Betretungsverbot, wie Polaschek sagte. Für symptomlose Schüler (ebenjene ab elf Jahren) bzw. Lehrer muss es an Schulen einen Raum geben, in dem die Maske abgenommen werden darf.

Die Entscheidung, ob sich jemand in der Lage fühlt, trotz Infektion zu unterrichten bzw. am Unterricht teilzunehmen, liege (bei Symptomlosigkeit) bei der jeweiligen Person selbst, so Polaschek („stärkere Eigenverantwortung“). Wer sich gesund fühle, habe die Möglichkeit zum Schulbesuch, wer sich krank fühle, solle zu Hause bleiben. Liegen Symptome wie Husten, Heiserkeit etc. vor, müssen die Betroffenen jedenfalls zu Hause bleiben.

Distance-Learning: Bildungsdirektion entscheidet

Und Distance-Learning? Über das zentrale Element der vergangenen Pandemiejahre kann die Schulleitung autonom nicht verfügen. Zwar darf sie „ortsungebundenen Unterricht“ anordnen, doch ist dafür die Zustimmung der Bildungsdirektion nötig. Außerdem muss bis zur achten Schulstufe eine Betreuung angeboten werden. Generell gilt laut Erlass des Bildungsministeriums: Präsenzunterricht soll kontinuierlich stattfinden.

Schüler und Schülerinnen müssen also grundsätzlich am Unterricht teilnehmen – Ausnahmen gibt es nur bei einer Verkehrsbeschränkung aufgrund einer Infektion oder wenn Schüler, Erziehungsberechtigte oder im Haushalt lebende Personen einer Risikogruppe angehören bzw. sich Schüler „wegen im Zusammenhang mit Covid-19 stehenden Gründen nicht in der Lage sehen, am Präsenzunterricht teilzunehmen“. Das muss allerdings per Attest belegt werden.

Keine flächendeckenden Schließungen mehr

Flächendeckende Schulschließungen werde es heuer nicht mehr geben, kündigte Polaschek an. Was die Matura angehe, werde man sich mit Fachleuten beraten. „Wir werden uns anschauen, ob wir wie bisher mit der Matura weitermachen oder ob es Änderungsbedarf gibt“, so Polaschek. Man sei auf alles Szenarien vorbereitet, sagte der Minister. Und er sei froh, dass es eine Gesamtstrategie gebe, die auch die Schulen umfasse.

FCG: Gewisse Sicherheit durch freiwillige Antigentests

Lehrervertreter begrüßten die Regeln am Montag. Es sei ein Start mit sehr viel Normalität, sagte der oberste Lehrergewerkschafter Paul Kimberger (FCG). Er rechnet mit einer breiten Teilnahme an den freiwilligen Tests zu Schulbeginn – sie würden eine gewisse Sicherheit bringen, so Kimberger. Wichtig sei der Gewerkschaft auch gewesen, dass die Schulen in diesem Jahr wieder autonom für bis zu zwei Wochen Masken und (Antigen-)Testpflicht erlassen können.

Kritisch sieht er, dass auch infizierte Schüler und Lehrer mit FFP2-Maske in die Schule kommen dürfen. „Wir sind der Meinung, dass infizierte Personen in der Schule nichts verloren haben.“ Es sei unrealistisch, dass jemand stundenlang ununterbrochen Maske trage. Kritik kam von Kimberger auch daran, dass es wegen Verzögerungen beim Ausschreibungsverfahren noch keine Lösung für Schul-PCR-Tests im kommenden Schuljahr gibt.

Elternverband: „Rahmenbedingungen lassen Vorgehen zu“

Im Bundeselternverband sei man froh darüber, dass Kinder und Jugendliche ohne Einschränkungen ins neue Schuljahr starten können, betonte Sprecher Marcus Dekan. „Wir glauben auch, dass die Rahmenbedingungen derzeit das vorgeschlagene Vorgehen durchaus zulassen.“ Die freiwilligen Antigen-Tests zu Beginn des Schuljahrs seien zwar nicht perfekt, aber immerhin eine gewisse Sicherheitsschranke nach der Rückkehr aus den Ferien.

Infizierte an den Schulen sehen auch die Elternvertreter skeptisch. Allerdings rechnet Dekan ohnehin damit, dass Eltern ihre Kinder auch symptomfrei nicht infiziert zum Unterricht lassen und auch infizierte Lehrer nicht ihren Dienst antreten werden. Die Idee, dass Infizierte ihre Maskenpause in einem speziellen Raum verbringen sollen, hält Dekan ebenso wie Kimberger nicht für praktikabel angesichts des Raummangels in vielen Schulen.

Bundesschulsprecherin Öllinger mit Testappell

Die scheidende Bundesschulsprecherin Susanna Öllinger von der ÖVP-nahen Schülerunion appellierte an Schülerinnen und Schüler, die freiwillige Testmöglichkeit zu Beginn des Schuljahrs zu nutzen. Je nach Entwicklung des Infektionsgeschehens sollten diese Tests auch weitergeführt werden, immerhin hätten sie sich im vergangenen Schuljahr bewährt.

Dass es keine Maskenpflicht mehr gibt, wird von der Bundesschülervertretung befürwortet, solange die Infektionslage es hergebe. Infizierte an Schulen findet hingegen auch die Schülervertretung problematisch. Sollte diese Regelung Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen haben, brauche es hier eine Änderung, so Öllinger.

SPÖ: „Schlicht unverantwortlich“

Harsche Kritik kam von SPÖ-Bildungssprecherin Petra Tanzler. Für offene Schulen brauche es maximale Schutzvorkehrungen wie Testen und Luftfilteranlagen in jeder Klasse. „Einfach nur zu hoffen, dass es schon irgendwie gehen wird, ist zu wenig und beim dritten Corona-Schulstart in Folge schlicht unverantwortlich.“ Auch abseits CoV sieht Tanzler viele offene Fragen: Weder zu Teuerung noch bildungspolitischen Herausforderungen habe es von Polaschek „auch nur den Hauch einer Antwort“ gegeben.

NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre begrüßte zwar, dass in den Schulen wieder etwas Normalität einkehrt. Das allein sei allerdings zu wenig: Sie forderte Maßnahmen für mehr Chancengerechtigkeit, Integration und gegen den Lehrermangel.

Die Bundesjugendvertretung warnte per Aussendung, dass die Pandemie noch nicht vorbei sei. Sie forderte etwa Klarheit für die Schulen, was bei Infektionsfällen in der Klasse passiert. Infizierte Schüler in den Klassen sieht die BJV ebenfalls kritisch. „Eine reine Durchseuchungsstrategie bei Kindern und Jugendlichen darf es nicht geben.“

Hutter: „Mit zwei blinden Augen in den Herbst“

In der Wissenschaft werden die lockeren Schulregeln unterschiedlich aufgenommen. Für den Epidemiologen Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien ist der Verzicht auf Masken und Tests ein Fehler – auch wenn Schutzmaßnahmen an den Schulen schwer vermittelbar seien, wenn sonst fast überall darauf verzichtet werde.

Er wäre für einen PCR-Test pro Woche, um wenigstens auf diesem Weg ein Bild von der Lage zu bekommen. Denn da nur noch wenig getestet werde und eine andere Teststrategie fehle, gehe man nun „mit zwei blinden Augen in den Herbst“, warnte er im „Standard“ (Montag-Ausgabe).

Infizierte in Schule für von Laer „unsinnig“

Auch Virologin Dorothee von Laer von der Med-Uni Innsbruck sprach dort von einem „Blindflug“. Ein Schulstart „ohne große Restriktionen“ ist für sie trotzdem gerechtfertigt, geht sie doch auf Basis ihr zugänglicher Daten von einer Durchseuchung von mehr als 90 Prozent unter Kindern aus. Dass Lehrer und Kinder über zehn Jahre infiziert mit FFP2-Maske in die Schule kommen dürfen, sei hingegen „unsinnig“. Bei steigenden Infektionszahlen müsste aus ihrer Sicht als Erstes wieder Maskenpflicht eingeführt werden.

NÖ und Salzburg: Keine infizierten Lehrkräfte in Klassen

Niederösterreich kündigte Montagabend an, einen eigenen Weg zu gehen und von der Regelung des Bundes keinen Gebrauch zu machen. Das sagte Bildungslandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) im „NÖ heute“-Interview. „Wer krank ist, ist krank und soll in Krankenstand gehen und zu Hause bleiben. Für infizierte Lehrerinnen und Lehrer, die keine Symptome haben, aber unbedingt arbeiten gehen wollen, werden wir andere Lösungen wie administrative Tätigkeiten finden“, so Teschl-Hofmeister – mehr dazu in noe.ORF.at.

Auch in Salzburg wollen die Gesundheits- und Schulbehörden die neuen Regeln nicht umsetzen. Salzburg bleibe dabei, dass infizierte Lehrer und Schüler zu Hause bleiben müssen, sagt Bildungslandesrätin Daniela Gutschi (ÖVP): „Wir haben eine Fürsorgepflicht als Arbeitgeber für die Bediensteten – und auch den Eltern und Schülern gegenüber“ – mehr dazu in salzburg.ORF.at.