Ukrainisches Artilleriefeuer
EVN
Ukraine

Kiew startet Offensive Richtung Cherson

Die ukrainische Armee hat eine Großoffensive gestartet. Ziel sei die Rückeroberung der seit Monaten von russischen Truppen besetzten Großstadt Cherson im Süden des Landes, so Kiew. In der gesamten Region liefen „starke Artillerieangriffe auf feindliche Stellungen“, sagte der stellvertretende Chef des Regionalrats, Serhij Chlan, am Montag dem Fernsehsender Prjamyj TV.

„Das ist die Verkündung dessen, worauf wir seit dem Frühling gewartet haben – der Anfang vom Ende der Besatzung in der Region Cherson“, sagte Chlan. Ziel ist es demnach, die russischen Truppen auf das andere Ufer des Dnipro zurückzustoßen.

Das nahe der von Russland annektierten Halbinsel Krim gelegene Cherson war Anfang März als erste Großstadt der Ukraine nach dreitägiger Belagerung von der russischen Armee eingenommen worden.

Offensive „in verschiedene Richtungen“

Das zuständige Militärkommando Süd teilte am Montag mit, die Offensive gehe in verschiedene Richtungen inklusive der Region um die Großstadt Cherson. Ähnlich äußerte sich die Sprecherin des ukrainischen Südkommandos, Natalia Humenjuk, gegenüber dem Internetportal Hromadske: „Die Streitkräfte der Ukraine haben Offensivhandlungen in vielen Abschnitten im Süden der Ukraine begonnen.“

Demnach sollen Einheiten der Donezker Separatisten und unterstützender russischer Marineinfanterie zum Rückzug gezwungen worden sein. Humenjuk sagte, die jüngsten Angriffe auf russische Nachschubwege hätten „zweifellos den Feind geschwächt“. Innerhalb der vergangenen Woche seien unter anderem zehn Munitionsdepots der Russen getroffen worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Weitere Angaben zu der Offensive machte sie nicht. Sie verwies aber darauf, dass die russischen Streitkräfte im Süden „ziemlich stark“ und über einen längeren Zeitraum aufgebaut worden seien.

„Verlassen Sie die Schutzräume nicht“

Die Zivilbevölkerung wurde aufgerufen, die umkämpften Gebiete zu verlassen. Bei russischem Beschuss von Privathäusern in der südukrainischen Stadt Mykolajiw sind nach Behördenangaben mehrere Menschen getötet worden. „Das Zentrum der Stadt wird schwer beschossen. Es werden immer noch Raketen abgefeuert. Verlassen Sie die Schutzräume nicht“, schrieb der Gouverneur der Region, Witalij Kim, auf Telegramm. Minuten danach bestätigte er die Todesfälle.

Russland hatte vor etwas mehr als sechs Monaten eine Invasion der Ukraine begonnen. Seitdem eroberte es große Teile der Süd- und Ostukraine. Russland kontrolliert derzeit rund 20 Prozent des Territoriums der Ukraine. Konzentriert haben sich die russischen Truppen in den vergangenen Wochen auf den Osten und den Süden der Ukraine entlang der Schwarzmeer-Küste.

Ukrainisches Artilleriefeuer
APA/AFP/Ihor Thachev
Die Ukraine profitiert von den Waffenlieferungen des Westens

US-Beamter: Russland hinter geplantem Ziel

CNN schreibt dazu: „Die Pläne (der Offensive, Anm.) kommen zu einem Zeitpunkt, an dem Russlands Krieg in der Ukraine die Sechsmonatsmarke überschritten hat.“ Nach Angaben eines hochrangigen US-Beamten sei es Russland nicht gelungen, all die geplanten Einheiten an die Frontlinien zu entsenden.

Die ukrainische Führung nährte seit Juni Hoffnungen auf eine größere Gegenoffensive im Süden. Mit Hilfe moderner Waffensysteme aus dem Westen ist es der Ukraine in den vergangenen Wochen gelungen, den russischen Vorstoß zu stoppen. Laut CNN hätte die Ukraine vor allem von den Lieferungen der HIMARS-Raketenwerfer profitiert.

Sorge um ukrainisches AKW

Das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja gibt weiterhin Anlass zu großer Sorge. Jetzt ist ein Team der IAEA, der Internationalen Atomenergiebehörde, unterwegs in die Ukraine, um die Anlage zu inspizieren.

IAEA-Inspektoren unterwegs zu AKW Saporischschja

Unterdessen könnte sich im umkämpften ukrainischen Atomkraftwerk in Saporischschja die Lage demnächst etwas stabilisieren. Nach dem wochenlangen Gezerre um eine unabhängige Inspektion der Anlage ist ein internationales Expertenteam auf dem Weg zum Kraftwerk.

„Wir müssen die Sicherheit der größten ukrainischen und europäischen Nuklearanlage gewährleisten“, schrieb der Chef der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA), Rafael Grossi, auf Twitter. Die IAEA-Delegation unter seiner Leitung wurde noch am Montag in Kiew erwartet, in dieser Woche soll sie in Saporischschja ankommen. Ein genauer Termin für ihre Inspektion wurde nicht bekanntgegeben.

Gegenseitige Anschuldigungen

Das Atomkraftwerk wurde nach Angaben der russischen Besatzungstruppen erneut beschossen und beschädigt. „Die nationalen Verbände der ukrainischen Streitkräfte schießen mit Artillerie dicht neben die Reaktorblöcke des AKW Saporischschja“, teilte die russische Militärverwaltung der Stadt Enerhodar im Süden der Ukraine der Nachrichtenagentur Interfax zufolge am Montag mit. Laut diesen Angaben wurde dabei sogar ein Gebäude beschädigt, in dem atomarer Brennstoff lagerte.

Die ukrainische Regierung erklärte ihrerseits, russische Truppen setzen ihre Angriffe auf die Stadt Enerhodar fort, in der das AKW liegt. „Sie provozieren und versuchen, die Welt zu erpressen“, schrieb der Generalstabschef von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Andrij Jermak, auf Twitter. Die Berichte lassen sich unabhängig nicht überprüfen.