Strommasten
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Hohe Preise

EU will Strommarkt reformieren

Angesichts der hohen Energiepreise werden die Rufe nach der Reform des Strommarktes lauter. „Die in die Höhe schießenden Strompreise zeigen gerade aus verschiedenen Gründen die Grenzen unseres jetzigen Strommarktdesigns auf“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag. Auch Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) und der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala kündigten EU-Maßnahmen an.

Das derzeitige System sei für andere Umstände entwickelt worden und nicht mehr zweckmäßig, sagte von der Leyen. „Deshalb arbeiten wir jetzt an einer Notfallmaßnahme und an einer Strukturreform des Strommarktes“, so die Kommissionschefin. Das Thema soll auch bei einem Sondertreffen der für Energie zuständigen EU-Ministerinnen und -Minister am 9. September besprochen werden.

Von der Leyen stellte die Reform für Anfang nächsten Jahres in Aussicht. Davor seien angesichts der jüngsten Preissprünge aber Notfallinstrumente nötig, die schnell greifen würden. Wie zuvor auch einige Staats- und Regierungsspitzen sprach sich von der Leyen für die Entkoppelung von Strom- und Gaspreisen aus.

Preise stark gestiegen

Auf dem europäischen Strommarkt werden die Preise zurzeit vor allem von Gaskraftwerken vorgegeben. Da der Gaspreis vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine stark angestiegen ist, ist daher auch Strom teurer geworden. Eine Reform des europäischen Strommarktes könnte diesen Mechanismus überarbeiten, sodass Konsumentinnen und Konsumenten etwa für günstigen Strom aus Sonne und Wind weniger bezahlen.

Energiepreise steigen rasant weiter

Die Energiepreise steigen europaweit rasant an. Die EU will mit einer Reform des Strommarktes und kurzfristigen Maßnahmen gegensteuern.

Merit-Order-Prinzip

Beim derzeitigen Preisbildungssystem an Europas Energiebörsen wird die Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Kraftwerke herangezogen (Merit-Order-Prinzip). Kraftwerke, die billig Strom produzieren, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind etwa Windkraftanlagen.

Am Ende richtet sich der Preis aber nach dem zuletzt geschalteten und somit teuersten Kraftwerk, um die Nachfrage zu decken – derzeit sind das wegen der hohen Gaspreise Gaskraftwerke. Dadurch sind auch die Strompreise deutlich gestiegen. Das System sollte ursprünglich einen Anreiz für Investitionen in erneuerbare Energien schaffen.

Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte zuletzt ebenfalls eine grundlegende Reform angekündigt, um die Entwicklung der Strompreise für Kundinnen und Kunden vom steigenden Gaspreis zu entkoppeln. Auch Deutschlands Finanzminister Christian Lindner (FDP) stellte das derzeitige Preisbildungssystem bei Energie an Europas Energiebörsen indirekt infrage. Strom- und Gaspreise müssten entkoppelt werden. „Ganz kurzfristig muss das gelingen“, so Lindner.

Scholz und Fiala: Maßnahmen gegen hohe Strompreise

Scholz und Fiala haben unterdessen EU-Maßnahmen gegen die hohen Strompreise angekündigt. Es sei nicht nötig, dass Länder national vorgehen müssten, sagte Scholz am Montag bei einem Besuch in Prag. Es sei offensichtlich, dass die Strompreise nicht mehr die Erzeugungskosten abbildeten, deshalb müsse man die Strukturen reformieren.

Fiala sagte, er habe sich am Morgen mit von der Leyen beraten. Eine denkbare Maßnahme sei, die Berechnung des Strompreises vom Gas abzukoppeln.

Scholz wollte sich nicht zu konkreten Maßnahmen äußern. Wie schon beim Gas hatten mehrere Regierungen etwa einen Preisdeckel vorgeschlagen. Die Bundesregierung hatte das bisher abgelehnt, weil damit der Anreiz für Einsparungen wegfalle. Fiala sagte, dass der sehr starke Anstieg der Strompreise nun auch EU-Länder umdenken lasse, die vorher skeptisch gewesen seien.

Nehammer für europäische Lösung

Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) drängte am Sonntag auf eine europäische Lösung. „Wir müssen diesen Irrsinn, der sich derzeit auf den Energiemärkten abspielt, endlich stoppen“, so Nehammer. „Man muss den Strompreis vom Gaspreis entkoppeln, und er muss sich wieder an die tatsächlichen Kosten der Erzeugung annähern“, so Nehammer weiter.

Der Kanzler will sich mit „aller Kraft für ein nachhaltiges Lösungsmodell einsetzen, das rasch umgesetzt werden kann, und auf EU-Ebene dazu auch in den nächsten Stunden und Tagen weiter mit den Kolleginnen und Kollegen im Rat der Regierungschefs sprechen“.