Wien Energie Zentrale
APA/Helmut Fohringer
Sechs Mrd. für Wien Energie

Hanke für bundesweiten „Schutzschirm“

Überraschend ist die Nachricht von den finanziellen Turbulenzen des größten Energieversorgers des Landes, der Wien Energie, gekommen, überraschend auch die gebrauchte Summe von sechs Milliarden Euro. Der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) rechtfertigt die Lage mit der Notwendigkeit der Bundeshauptstadt, mehr einkaufen zu müssen. Er fordert einen bundesweiten „Schutzschirm“.

Am Sonntag hatte Wien Energie den Bund auf seine Notlage aufmerksam gemacht, ein Energiegipfel wurde im Bundeskanzleramt abgehalten. Im Kern der Causa geht es darum, dass Wien Energie für den Kauf von Strom an internationalen Energiebörsen Gelder zur Besicherung von künftigen Lieferverträgen (Futures) benötigt. Diese Kautionen sind analog zum Strompreis extrem gestiegen und können alleine nicht mehr gestemmt werden.

An der Börse seien derzeit „Mondpreise“ für Strom zu zahlen, so Hanke am Montag zur APA. Wien Energie sei besonders betroffen, da die Eigenproduktion geringer sei. Bundesländer wie Tirol und Vorarlberg, die mehr Energie selbst aufbringen könnten, wären hier nicht so sehr betroffen. Wien sei gezwungen, mehr Strom an den Handelsplätzen zu kaufen. „Das ist ein ganz normaler Vorgang.“ Nötig seien dabei stets Sicherheitsleistungen, also Kautionen, für bereits für die Zukunft abgeschlossene Geschäfte. Nun sei der Strompreis „nach oben explodiert“.

Finanzstadtrat zur Causa Wien Energie

Finanzstadtrat Peter Hanke ist zu Gast bei ORF-Wien-Chefredakteur Oliver Ortner im Wien-heute-Studio und spricht zur Causa Wien Energie.

Auch wenn andere Unternehmen weniger stark betroffen seien, ein Schutzschild könne auch anderen Firmen helfen. Der Wiener Finanzstadtrat vermutete, dass auch andere Energieunternehmen möglicherweise noch weiter Garantielinien brauchen werden. „Wir kommen an einen Punkt, wo wir eine bundesweite Lösung brauchen“, so Hanke. Wie hoch ein Schutzschild aktuell ausfallen müsse, sei schwer zu sagen, da sich die Preise täglich ändern würden, betonte er. Das Schutznetz könne auch bis zu zehn Mrd. Euro betragen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Kritik an Abwicklung

Dass die Abwicklung jetzt wie vom Finanzministerium angedacht über die Bundesfinanzierungsagentur stattfinden könnte, sorgte im Wiener Rathaus jedoch für keine große Begeisterung. Dabei werde nicht direkt, sondern wieder über die Stadt abgerechnet. „Das ist nicht das, was wir gefordert haben.“ Die ersten Beträge würden jedenfalls schon am Dienstag erwartet.

Peter Hanke
ORF.at/Peter Pfeiffer
Peter Hanke

Einfach auszusteigen, sei keine Option, so Hanke: „Man muss im Markt bleiben.“ Das sei der Grund gewesen, auf den Bund zuzugehen, um gemeinsam hier einen Weg zu suchen. Bis vor nicht allzu langer Zeit sei der Bedarf von Wien Energie selbst gestemmt worden. Jetzt betrage der Einsatz aber zum Teil bis zu zwei Mrd. Euro pro Tag. „Wir haben keine Planungssicherheit mehr“.

Wien Energie betont gute Bonität

Hanke bekräftigte, dass es sich bei Wien Energie um ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen handle, das auch keine Verluste schreibe. Die Stadt habe zuletzt bereits selbst Garantien bereitgestellt, also über jene hinaus, die vom Unternehmen üblicherweise selbst aufgebracht würden. Laut seinem Büro wurden schon im Juli 700 Mio. Euro entsprechend verwendet. Am Montag sei es noch einmal der gleiche Betrag gewesen. „Das sind keine verlorenen Summen“, so Hanke. Vielmehr würden diese nach Abschluss des Geschäftes wieder zurückfließen. Alles sei korrekt abgewickelt worden.

Grafik zeigt Kennzahlen von Wien Energie
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Wien Energie

Auch Wien Energie selbst versuchte, wie Hanke zu beruhigen und die Vorgänge mit der Dysfunktionalität der Märkte zu begründen. Man sei nicht insolvent, genieße eine gute Bonität, zudem seien die Energieversorgung und die Arbeitsplätze gesichert. Es gebe derzeit „mehrhundertprozentige Steigerungen“ bei den Strompreisen, die Märkte würden nicht mehr funktionieren, so Wien-Energie-Aufsichtsratschef Peter Weinelt gegenüber Medien. Seiner Meinung nach hätte es am Freitag – wo sich der große Preissprung manifestiert habe – bereits Eingriffe in den Handel benötigt, das sei aber Aufgabe von Aufsichtsorganen und nicht der Marktteilnehmer.

Im Rahmen der Möglichkeiten habe Wien Energie alles Mögliche getan, man sei aber eine „kleine Nummer“ auf dem Gesamtmarkt. Durch die aktuelle Marktentwicklung seien alle Versorger gefährdet, so auch Weinelt. Vorwürfe von Spekulationsgeschäften wies Weinelt zurück – man handle lediglich mit dem Gas, das man für die eigenen Kunden brauche.

Wien Energie: Aufsichtsratschef sieht kein Managementversagen

Aufsichtsratschef der Wien Energie, Peter Weinelt – zugleich Generaldirektor-Stellvertreter des Eigentümers des Energieversorgers, der Wiener Stadtwerke – hat sich zu Wort gemeldet. Er sehe kein Management-versagen.

E-Control: Versorgung gesichert

Auch die Regulierungsbehörde E-Control betonte am Montag, dass die Versorgung der Energiekunden gesichert sei. „Es werden von politischer Seite alle notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um dies auch weiterhin garantieren zu können“, betonten die Vorstände der E-Control, Alfons Haber und Wolfgang Urbantschitsch, in einem der APA übermittelten Statement. Welche Maßnahmen konkret durchgeführt werden, sei derzeit Gegenstand von Analysen und Gesprächen mit dem betroffenen Unternehmen sowie der Stadt Wien als Eigentümerin und der Bundesregierung, so die Energieregulierungsbehörde.

Viel Kritik von allen Seiten

Scharfe Kritik an der SPÖ Wien kam in der Causa am Montag von etlichen Seiten: Die Wiener Oppositionsparteien ÖVP, Grüne und FPÖ forderten Transparenz und Versorgungssicherheit für die Bevölkerung. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Hanke hätten die Situation der Wien Energie in keinem städtischen Gremium thematisiert, so Landtagspräsident Manfred Juraczka (ÖVP). Die Grünen warfen die Frage auf, warum so lange zugewartet worden sei. Der Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp nannte Ludwigs Rücktritt „unausweichlich“.

„Es offenbaren sich dramatische Zustände in Wien. Es kann nur ein Kontrollverlust der Stadtregierung vermutet werden, jetzt muss der Bürgermeister unverzüglich Stellung beziehen. Die Menschen in Wien sind tief verunsichert“, so Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer.

Kritik übte auch die Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer im Ö1-Mittagsjournal. Die Stadt Wien habe offenbar Kenntnis von den Problemen gehabt, es aber verabsäumt, rechtzeitig an den Bund heranzutreten. Der Tiroler ÖVP-Chef und Landtagswahl-Spitzenkandidat Anton Mattle brachte wenig Verständnis für eine Finanzhilfe des Bundes auf. Die Schieflage des Energieversorgers sei zwar „bedauerlich“, sagte er zur APA. „Klar muss aber sein, dass nicht jene Bundesländer, deren Energieversorger umsichtig gewirtschaftet haben, für die Schwierigkeiten der Energieversorger im Osten aufkommen müssen“, hielt Mattle fest.

Die Bundes-SPÖ sah hingegen den Fehler in der Bundesregierung. „Seit Monaten warnen wir vor dem Preiswahnsinn bei Strom und den Folgen einer blinden Marktgläubigkeit bei der Koppelung von Strom- und Gaspreis. Seit Monaten fordern wir Eingriffe in die Preisbildung, um die Energiekosten zu senken. Seit Monaten belächelt uns die Regierung für den Vorschlag, das Merit-Order-Prinzip außer Kraft zu setzen", so Klubvize Jörg Leichtfried. Die Regierung habe sich aber „für die Beibehaltung dieses absurden Systems eingesetzt“.

Andere Versorger nicht betroffen

Die anderen Landesenergieversorger meldeten am Montag, dass sie keine ähnlichen Probleme hätten. Als Grund wurde angeführt, dass man weniger Strom über die internationalen Börsen kaufe und mehr auf bilaterale Handelspartner setze – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Wien Energie versorgt rund zwei Millionen Kundinnen und Kunden, 230.000 Gewerbe- und Industrieanlagen sowie 4.500 landwirtschaftliche Betriebe im Großraum Wien mit Energie, dabei spielt Erdgas eine zentrale Rolle.

Im europäischen Energiehandel wird laut Wien Energie neben kurzfristigen Handelsgeschäften ein Großteil der Energie auf dem Terminmarkt verkauft. Dort werden Geschäfte abgeschlossen, die erst in Zukunft erfüllt werden. Wien Energie verkauft Strom aus den Kraftwerken bis zu zwei Jahre im Voraus und beschafft Strom und Gas langfristig für seine Kundinnen und Kunden an der Börse, sichert sich gegen zukünftige Strompreisschwankungen ab und kann damit für die Kundinnen und Kraftwerke die Energiepreise für die nächsten Jahre abschätzen. Das sei ein bewährtes Instrument des Risikomanagements im Energiebereich – derzeit ist die Lage allerdings unberechenbar.