Rechnung mit „Wien Energie“-Logo
APA/Barbara Gindl
Wien-Energie-Gespräche

Brunner fordert weitere Informationen

Bei der finanziellen Unterstützung der Wien Energie drängt offenbar die Zeit. Insgesamt soll der Finanzbedarf sechs Milliarden Euro betragen, zwei Milliarden davon werden offenbar am Dienstag fällig. Das sei „ziemlich kurzfristig“, so Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) am Dienstag im Ö1-Morgenjournal. Wie es zu dem Finanzbedarf kommen konnte, ist weiter unklar. Die Wien Energie habe mutmaßlich spekulative Geschäfte an der Energiebörse gemacht, so Brunner. Wien wies das indes zurück.

Weitere Verhandlungen im Finanzministerium nach den Gesprächen am Montag sollen am Dienstag einen Lösung bringen. Es gehe dabei um viel Steuergeld, so Brunner, das könne man nicht so einfach überweisen. Es brauche Sicherheiten und Ähnliches, sagte Brunner. Die Schwierigkeit sei, dass man nicht genau wisse, wie der Bedarf aussehe.

Man sei erst Montagvormittag schriftlich informiert worden, dass das Unternehmen bis Dienstag um 12.00 Uhr zwei Milliarden Euro brauche. Man habe also erst vor 24 Stunden davon erfahren, dass man zwei Milliarden Euro aufstellen müsse, sonst müsste man zwei Millionen Verträge kündigen. „Das ist ziemlich kurzfristig“, so Brunner weiter. Man könne nicht zwei Millionen Wiener ohne Vertrag lassen.

Art der Geschäfte laut Ministerium unklar

Das Finanzministerium habe das Instrumentarium, aber es müssten noch Informationen von Wien kommen, so Brunner. Man müsse sich das ganz genau ansehen, aber es gehe darum, kurzfristig zu helfen. Was die Wien Energie in diesen enormen Finanzbedarf getrieben hat, sei weiter unklar.

Eine Erklärung der Wien Energie gebe es nicht, auch nicht dazu, welche Art Geschäfte die Wien Energie getätigt habe, so Brunner. Die Wien Energie habe mutmaßlich spekulative Geschäfte an der Energiebörse gemacht, so der Finanzminister weiter. Ob es einen Rettungsschirm geben wird, ließ Brunner offen. Brunner brachte auch eine Untersuchung durch den Rechnungshof ins Spiel.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP)
APA/Roland Schlager
Finanzminister Magnus Brunner

Wiener Finanzstadtrat: „Mondpreise“

Am Sonntag hatte die Wien Energie den Bund auf seine Notlage aufmerksam gemacht, ein Energiegipfel wurde im Bundeskanzleramt abgehalten. Im Kern der Causa geht es darum, dass der Energieversorger für den Kauf von Strom an internationalen Energiebörsen Gelder zur Besicherung von künftigen Lieferverträgen (Futures) benötigt. Diese Kautionen sind analog zum Strompreis extrem gestiegen und können alleine nicht mehr gestemmt werden.

An der Börse seien derzeit „Mondpreise“ für Strom zu zahlen, so der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) am Montag. Wien Energie sei besonders betroffen, da die Eigenproduktion geringer sei. Bundesländer wie Tirol und Vorarlberg, die mehr Energie selbst aufbringen könnten, wären hier nicht so sehr betroffen. Wien sei gezwungen, mehr Strom an den Handelsplätzen zu kaufen. „Das ist ein ganz normaler Vorgang.“ Die Kautionen seien jedoch wegen der derzeitigen Marktlage und des Ukraine-Krieges exorbitant teurer geworden.

Stadtrat Hanke über die Lage der Wien Energie

Der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) nahm im Interview unmittelbar vor der ZIB2 zu den Vorgängen bei der Wien Energie Stellung.

Ruf nach „Schutzschirm“

Zweimal hatte die Stadt Wien in den vergangenen Wochen schon 700 Mio. Euro zugeschossen, wie erst jetzt bekanntwurde. Zusätzlich ersuchte Wien den Bund um sechs Mrd. Euro. Zwei Mrd. davon erbat Hanke zunächst bis Dienstagmittag. Am späten Montagabend sagte der Stadtrat in der ZIB2, man brauche den Betrag doch nicht so kurzfristig. Anstatt einer Lücke liege man nun bei einem positiven Saldo von „400 bis 700 Millionen Euro“, so Hanke. Der Grund liege im „verrücktspielenden Strommarkt“, der von Tag zu Tag die Lage völlig ändern könne. Trotzdem bleibe insgesamt ein milliardenschwerer Finanzierungsbedarf.

Zwar könne das Unternehmen zur Besicherung von künftigen Lieferverträgen die aktuell erforderliche Summe von 1,75 Mrd. Euro mit Unterstützung der Stadt noch aufbringen, die finanziellen Spielräume seien aber erschöpft, so das Finanzministerium mit Verweis auf Hanke am Montag.

Grafik zeigt Kennzahlen von Wien Energie
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Wien Energie

Dieser forderte am Montag im ORF einen Schutzschild des Bundes. Auch wenn andere Unternehmen weniger stark betroffen seien, ein Schutzschild könne auch anderen Firmen helfen. Der Wiener Finanzstadtrat vermutete, dass auch andere Energieunternehmen möglicherweise noch weiter Garantielinien brauchen werden. „Wir kommen an einen Punkt, wo wir eine bundesweite Lösung brauchen“, so Hanke. Wie hoch ein Schutzschild aktuell ausfallen müsse, sei schwer zu sagen, da sich die Preise täglich ändern würden, betonte er. Das Schutznetz könne auch bis zu zehn Mrd. Euro betragen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Zur Umsetzung möglicher Unterstützungsmaßnahmen gehen die Überlegungen laut Ministerium in Richtung eines Kredites in Milliardenhöhe. Ziel sei es, die Energieversorgung zu gewährleisten. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte notwendig werdende Hilfen jedenfalls zugesagt.

Wien Energie betont gute Bonität

Sowohl Hanke als auch Wien Energie betonten am Montag, dass das Unternehmen wirtschaftlich gesund sei und keine Verluste schreibe. Energieversorgung und Arbeitsplätze seien gesichert. Es gebe derzeit „mehrhundertprozentige Steigerungen“ bei den Strompreisen, die Märkte würden nicht mehr funktionieren, so Wien-Energie-Aufsichtsratschef Peter Weinelt. Seiner Meinung nach hätte es am Freitag – wo sich der große Preissprung manifestiert habe – bereits Eingriffe in den Handel benötigt, das sei aber Aufgabe von Aufsichtsorganen und nicht der Marktteilnehmer. Vorwürfe von Spekulationsgeschäften wiesen Hanke und Weinelt unisono zurück – man handle lediglich mit dem Gas, das man für die eigenen Kunden brauche.

Auch die Regulierungsbehörde E-Control betonte am Montag, dass die Versorgung der Energiekunden gesichert sei. „Es werden von politischer Seite alle notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um dies auch weiterhin garantieren zu können“, betonten die Vorstände der E-Control, Alfons Haber und Wolfgang Urbantschitsch, in einem der APA übermittelten Statement.

Wien Energie: Aufsichtsratschef sieht kein Managementversagen

Der Aufsichtsratschef der Wien Energie, Peter Weinelt – zugleich Generaldirektor-Stellvertreter des Eigentümers des Energieversorgers, der Wiener Stadtwerke –, hat sich zu Wort gemeldet. Er sehe kein Managementversagen.

Die anderen Landesenergieversorger meldeten am Montag, dass sie keine ähnlichen Probleme hätten. Als Grund wurde angeführt, dass man weniger Strom über die internationalen Börsen kaufe und mehr auf bilaterale Handelspartner setze – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Viel Kritik von allen Seiten

Scharfe Kritik an der SPÖ Wien kam in der Causa am Montag von etlichen Seiten: Die Wiener Oppositionsparteien ÖVP, Grüne und FPÖ forderten Transparenz und Versorgungssicherheit für die Bevölkerung. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Hanke hätten die Situation der Wien Energie in keinem städtischen Gremium thematisiert, so Landtagspräsident Manfred Juraczka (ÖVP). Die Grünen warfen die Frage auf, warum so lange zugewartet worden sei. Der Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp nannte Ludwigs Rücktritt „unausweichlich“.

„Es offenbaren sich dramatische Zustände in Wien. Es kann nur ein Kontrollverlust der Stadtregierung vermutet werden, jetzt muss der Bürgermeister unverzüglich Stellung beziehen. Die Menschen in Wien sind tief verunsichert“, so Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer.

Causa Wien Energie: Reaktion der Politik

Eine „finanzielle Notlage“ der Wien Energie schlägt derzeit hohe Wellen: Das Finanzministerium bezifferte die benötigte Hilfe mit sechs Milliarden Euro, zudem habe Wien Energie bereits Geld von der Stadt Wien erhalten. Die Grünen sehen die Schuld bei der Stadt Wien. Die SPÖ sieht die Koalition in der Verantwortung. Die FPÖ fordert umgehend eine Sondersitzung im Parlament und spricht von einem Desaster.

Kritik übte auch die Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer im Ö1-Mittagsjournal am Montag. Die Stadt Wien habe offenbar Kenntnis von den Problemen gehabt, es aber verabsäumt, rechtzeitig an den Bund heranzutreten. Der Tiroler ÖVP-Chef und Landtagswahl-Spitzenkandidat Anton Mattle brachte wenig Verständnis für eine Finanzhilfe des Bundes auf. Die Schieflage des Energieversorgers sei zwar „bedauerlich“, sagte er zur APA. „Klar muss aber sein, dass nicht jene Bundesländer, deren Energieversorger umsichtig gewirtschaftet haben, für die Schwierigkeiten der Energieversorger im Osten aufkommen müssen“, hielt Mattle fest.

NEOS – im Bund in der Opposition, in Wien aber mit der SPÖ in der Regierung – sah hingegen Versäumnisse im Bund. „Das ist etwas, das vorhersehbar war, dass das passieren wird, andere Länder haben hier auch frühzeitig reagiert“, so Douglas Hoyos-Trauttmansdorff auf Ö1. Die Bundesregierung sei hier in der Pflicht gewesen, Vorsorge zu treffen, das sei leider nicht passiert. Jetzt brauche es wohl einen „Gesamtplan“.

SPÖ sieht Verantwortung beim Bund

Auch die Bundes-SPÖ sah den Fehler in der Bundesregierung. „Seit Monaten warnen wir vor dem Preiswahnsinn bei Strom und den Folgen einer blinden Marktgläubigkeit bei der Koppelung von Strom- und Gaspreis. Seit Monaten fordern wir Eingriffe in die Preisbildung, um die Energiekosten zu senken. Seit Monaten belächelt uns die Regierung für den Vorschlag, das Merit-Order-Prinzip außer Kraft zu setzen", so Klubvize Jörg Leichtfried. Die Regierung habe sich aber „für die Beibehaltung dieses absurden Systems eingesetzt“.

Gleich argumentierte am Abend SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner im ORF-„Sommergespräch“. „Der europäische Strommarkt funktioniert einfach nicht mehr in dieser Krise“, sagte sie. Jedenfalls müssten alle Energieversorgungsunternehmen Strom für die nächsten zwei, drei Jahre im Voraus kaufen können, daher hätten Deutschland oder die Schweiz schon Lösungen für solche. Dringend brauche es solche Sicherheitsgarantien für Energieunternehmen auch hierzulande.