Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP)
APA/Eva Manhart
Wien Energie

„Heute keine Notwendigkeit“ für Hilfen

Nach den Verhandlungen mit der Stadt Wien über Finanzhilfen für die Wien Energie haben sich am Dienstagvormittag Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) zu Wort gemeldet. Man befinde sich auf einem guten Weg, um mit der Stadt Wien eine Lösung zu finden, sagte Brunner gegenüber Journalistinnen und Journalisten. Laut der Stadt Wien seien am Dienstag aber doch noch keine Hilfen nötig, so Brunner. Der Rechnungshof kündigte eine Prüfung der Wien Energie an.

Konkret war zuletzt von einem Finanzbedarf von sechs Milliarden Euro die Rede, wovon zwei Milliarden Dienstagmittag fällig gewesen wären. Am Dienstag betonte Brunner aber, dass es laut dem Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) „heute noch keine Notwendigkeit“ für Finanzhilfen gebe. „Es könnte aber sein, dass es morgen so weit ist“, so Brunner. Es gehe deshalb darum zu klären, was der Bedarf ist.

Nachdem die Stadt Wien die Regierung am Montag um Unterstützung gebeten hatte, seien Fachleute über Nacht damit beauftragt worden, Lösungen zu erarbeiten, sagte Brunner zudem. Am Dienstag habe das erste Treffen auf politischer Ebene stattgefunden, bei dem Details geklärt werden sollten. Jene Fragen, die derzeit noch offen seien, sollten im Laufe des Tages geklärt werden, betonte er auch.

Statement von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP)

Gewessler: E-Control arbeitet an Markterhebung

Die grüne Energieministerin Gewessler sagte überdies, dass die Regierung seit Samstagvormittag „auf Hochdruck“ an einer Lösung arbeite. „Es geht um die Versorgungssicherheit der größten Stadt Österreichs“, so Gewessler. Man befinde sich auf einem „guten Weg“, betonte sie auch.

Es sei völlig klar und stehe außer Zweifel, dass die „aktuelle Situation am Energiemarkt alle fordert“, Konsumentinnen wie auch Produzenten, so die Ministerin. Sie führte weiter aus, dass es öffentliche Aussagen aller großen Energieversorger im Land gebe, wonach diese keinerlei Liquiditätsprobleme hätten. Die Energieregulierungsbehörde E-Control führe aktuell aber eine Markterhebung durch, um sich ein Bild zu machen und auf Produzentenseite Klarheit zu haben.

Statement von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne)

Brunner über deutschen Schutzschirm

Die Regierung arbeite ferner weiter an einer Strompreisbremse. „Österreich ist beim Thema Strom keine Insel“, sagte Gewessler abschließend – es brauche daher eine europäische Lösung. Am 9. September finde zum Thema auch ein außerordentlicher Energieministerrat statt.

Zum geforderten Schutzschirm nach dem – bereits bestehenden – deutschen Modell meinte Brunner, dass die Wien Energie gar nicht die Möglichkeit bekommen hätte, unter diesen zu kommen, weil „Spekulationen von so einem Schutzschirm“, den es in Deutschland gebe, „ausgeschlossen wären“.

Der Sprecher des Rechnungshofs, Christian Neuwirth, kündigte via Twitter an, dass das Vorgehen überprüft werde. „Es sollen dabei insbesondere die Geschäftstätigkeit im Energiehandel und die Rolle des Eigentümers durchleuchtet werden“, so der Sprecher. „Die finanzielle Lage, der Finanzbedarf und die Transparenz im Lichte der Versorgungssicherheit werden zentrale Fragen sein.“ Der RH werde auch einen Blick auf die anderen Energieversorger werfen. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), Finanzstadtrat Hanke sowie Stadtwerke-Vizechef Peter Weinelt kündigten indes eine Pressekonferenz um die Mittagszeit an.

Brunner vermutet spekulative Geschäfte

Die von der Wien Energie geforderte Hilfe durch den Bund komme „ziemlich kurzfristig“, sagte Finanzminister Brunner zuvor im Ö1-Morgenjournal. Wie es zu dem Finanzbedarf kommen konnte, ist weiter unklar. Die Wien Energie habe mutmaßlich spekulative Geschäfte an der Energiebörse gemacht, so Brunner. Wien wies das indes zurück.

Es gehe um viel Steuergeld, so Brunner, das könne man nicht so einfach überweisen. Es brauche Sicherheiten und Ähnliches, sagte Brunner. Die Schwierigkeit sei, dass man nicht genau wisse, wie der Bedarf aussehe. Ob es einen Rettungsschirm geben wird, ließ Brunner offen.

Wiener Finanzstadtrat: „Mondpreise“

Am Sonntag hatte die Wien Energie den Bund auf seine Notlage aufmerksam gemacht, ein Energiegipfel wurde im Bundeskanzleramt abgehalten. Im Kern der Causa geht es darum, dass der Energieversorger für den Kauf von Strom an internationalen Energiebörsen Gelder zur Besicherung von künftigen Lieferverträgen (Futures) benötigt. Diese Kautionen sind analog zum Strompreis extrem gestiegen und können alleine nicht mehr gestemmt werden.

An der Börse seien derzeit „Mondpreise“ für Strom zu zahlen, so der Wiener Finanzstadtrat Hanke am Montag. Wien Energie sei besonders betroffen, da die Eigenproduktion geringer sei. Wien sei gezwungen, mehr Strom an den Handelsplätzen zu kaufen. „Das ist ein ganz normaler Vorgang.“ Die Kautionen seien jedoch wegen der derzeitigen Marktlage und des Ukraine-Krieges exorbitant teurer geworden.

Stadtrat Hanke über die Lage der Wien Energie

Der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) nahm im Interview unmittelbar vor der ZIB2 zu den Vorgängen bei der Wien Energie Stellung.

Ruf nach „Schutzschirm“

Zweimal hatte die Stadt Wien in den vergangenen Wochen schon 700 Mio. Euro zugeschossen, wie erst jetzt bekanntwurde. Zusätzlich ersuchte Wien den Bund um sechs Mrd. Euro. Zwei Mrd. davon erbat Hanke zunächst bis Dienstagmittag. Am späten Montagabend sagte der Stadtrat in der ZIB2, man brauche den Betrag doch nicht so kurzfristig. Anstatt einer Lücke liege man nun bei einem positiven Saldo von „400 bis 700 Millionen Euro“, so Hanke. Der Grund liege im „verrückt spielenden Strommarkt“, der von Tag zu Tag die Lage völlig ändern könne. Trotzdem bleibe insgesamt ein milliardenschwerer Finanzierungsbedarf.

Zwar könne das Unternehmen zur Besicherung von künftigen Lieferverträgen die aktuell erforderliche Summe von 1,75 Mrd. Euro mit Unterstützung der Stadt noch aufbringen, die finanziellen Spielräume seien aber erschöpft, so das Finanzministerium mit Verweis auf Hanke am Montag. Dieser forderte am Montag im ORF einen Schutzschild des Bundes. Auch wenn andere Unternehmen weniger stark betroffen seien, ein Schutzschild könne auch anderen Firmen helfen – mehr dazu in wien.ORF.at .

Grafik zeigt Kennzahlen von Wien Energie
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Wien Energie

Wien Energie betont gute Bonität

Sowohl Hanke als auch Wien Energie betonten am Montag, dass das Unternehmen wirtschaftlich gesund sei und keine Verluste schreibe. Energieversorgung und Arbeitsplätze seien gesichert. Es gebe derzeit „mehrhundertprozentige Steigerungen“ bei den Strompreisen, die Märkte würden nicht mehr funktionieren, so Wien-Energie-Aufsichtsratschef Peter Weinelt.

Seiner Meinung nach hätte es am Freitag – wo sich der große Preissprung manifestiert habe – bereits Eingriffe in den Handel benötigt, das sei aber Aufgabe von Aufsichtsorganen und nicht der Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer. Vorwürfe von Spekulationsgeschäften wiesen Hanke und Weinelt unisono zurück. Auch die Regulierungsbehörde E-Control betonte, dass die Versorgung der Energiekundinnen und -kunden gesichert sei. Die anderen Landesenergieversorger meldeten, dass sie keine ähnlichen Probleme hätten – mehr dazu in oesterreich.ORF.at .

Wiederkehr nennt Vorgänge „untragbar“

Kritik an der SPÖ Wien kam von den Wiener Oppositionsparteien ÖVP, Grüne und FPÖ, aber auch vom Koalitionspartner NEOS. NEOS-Landeschef und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr forderte via Aussendung „schonungslose Aufklärung“. Die bekanntgewordenen Geschäftsvorgänge seien „untragbar“ – mehr dazu in wien.ORF.at .

Die Wiener FPÖ prüft eine Anzeige gegen Ludwig und Hanke wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs, wie Parteichef Dominik Nepp und Klubobmann Maximilian Krauss erläuterten. Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) erwartet eine „Krise epischen Ausmaßes“. Er bekräftigte deshalb am Dienstag die Forderung nach einer Sondersitzung des Nationalrats. ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner ortete ein fatales Managementversagen, für das die Wiener SPÖ die alleinige Verantwortung trage.

Kritik übte auch die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer im Ö1-Mittagsjournal am Montag. Die Stadt Wien habe offenbar Kenntnis von den Problemen gehabt, es aber verabsäumt, rechtzeitig an den Bund heranzutreten. Die Bundes-SPÖ sah den Fehler in der Bundesregierung.

IHS-Chef: Viele Fragen offen

Für IHS-Direktor Klaus Neusser sind viele Fragen offen. Dass andere Energieversorger in eine ähnliche Schieflage kommen könnten sei ihm derzeit nicht bekannt, sagte er im „ORF III Sommer(nach)Gespräch“. Dass Energieversorger Termingeschäfte abwickeln, sei durchaus üblich, insbesondere für das erste Quartal des jeweiligen Jahres, weil hier typischerweise Engpässe herrschen würden.

„Und das ist natürlich ein Spekulationsgeschäft, weil das in der Zukunft liegt“, so Neusser. Ob man von einer drohenden „Pleite“ der Wien Energie sprechen könne? Es gehe hier um Garantien, die schlagend werden könnten, aber nicht müssten, so Neusser. „Dazu fehlt uns einfach jetzt das Detailwissen.“