Wien Energie Zentrale Spittelau
Reuters/Leonhard Foeger
Causa Wien Energie

Unklare Botschaften und ein „Match“

Die Causa rund um die Wien Energie und die verlangten Sicherheiten in Milliardenhöhe hat auch am Dienstag die heimische Politik beschäftigt. Neben der Debatte über Finanzhilfen und die Versorgungssicherheit spielt die politisch Kommunikation eine wesentliche Rolle. Politikfachleute sehen ein „Match“ zwischen Bund und Wien – und unklare Botschaften.

Als wäre die Strompreisbildung nicht schon komplex genug, würden auch noch „teils widersprüchliche Aussagen“ kolportiert werden, wie Politikberater Thomas Hofer im ORF.at-Gespräch sagt. Zum einen hätte die Wiener Stadtregierung mit einer mangelnden Kommunikation Zweifel über die Finanzsituation der Wien Energie befeuert. Andererseits sorge der „politische Wettstreit“ dafür, dass sich viele die Frage stellen: Wer sagt nun die Wahrheit? „Wir erleben hier eine Fortsetzungsgeschichte der Coronavirus-Pandemie: Hier der Bund, da die Stadt Wien.“

Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle sieht es ähnlich. Der gemeinsame Nenner sei zwar, dass man die Versorgungssicherheit für die Zukunft einhalten bzw. gewährleisten will. „Auf der anderen Ebene geht es um die Deutungshoheit in einer für die Bevölkerung unklaren Situation“, sagt die Expertin zu ORF.at.

Kommunikativ sei vonseiten der SPÖ Wien „einiges falsch“ gelaufen. Insbesondere, dass man die Öffentlichkeit nicht selbst über die Liquiditätsprobleme des eigenen Energieversorgers informiert und das Feld der Bundesregierung überlassen hatte, sei für Politikwissenschaftlerin Stainer-Hämmerle „überraschend“ und „nicht nachvollziehbar“ gewesen.

„Pleite“ vs. „wirtschaftlich gesund“

Tatsächlich hat die erste offizielle Mitteilung über die Situation der Wien Energie Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) getätigt. Am Sonntag sprach er von einer „finanziellen Notlage“. Davor hatten Medien über eine „Pleite“ des größten Energieversorgers Österreichs berichtet. Auf Twitter rückte das Unternehmen, dass sich vollständig im Besitz der Stadt Wien befindet, dann selbst aus, um die Wogen zu glätten. Man sei ein „wirtschaftlich gesundes Unternehmen mit bester Bonität“.

Die Wiener Opposition aus ÖVP, FPÖ und Grünen übte umgehend Kritik und forderte Transparenz von der SPÖ-NEOS-Stadtregierung. Während diese sich aber bedeckt hielt, wartete Finanzminister Brunner mit einer neuen Nachricht auf: Statt den bisher kolportierten 1,7 Milliarden Euro sollen weitere sechs bis zehn Milliarden Euro als Garantien notwendig sein.

Im Laufe des Tages äußerte sich dann doch Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) und verlangte einen bundesweiten Schutzschirm. Am derzeit „vollkommen verrückten“ Markt würden „Mondpreise“ für Strom verlangt werden. Man brauche eine Absicherung, weil es früher oder später jeden Energieversorger treffen könnte. Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) stellte sich am Montagabend hinter ihre Kollegen: „Der Strommarkt funktioniert nicht in der Krise.“

Informationsoffensive am Dienstag

Am Montag wurde auch bekannt, dass die Stadt bereits 1,4 Milliarden Euro zugeschossen hat – je 700 Mio. Euro im Juli und Ende August per Notkompetenz durch den Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Die Wiener Opposition wusste davon offenbar gleich wenig wie die ÖVP-Grünen-Regierung und die Bevölkerung. Am Dienstag mutmaßte Finanzminister Brunner „spekulative Geschäfte“ der Wien Energie. Der Energieversorger sei „riesige Verpflichtungen“ eingegangen, die er jetzt nicht erfüllen könne, so der Ressortchef.

Am Dienstag meldete sich Ludwig zu Wort: Die Energieversorgung sei stets gegeben gewesen, man spekuliere nicht am Strommarkt und man habe auch nichts zu verbergen. Gleichzeitig verschickt die Wien Energie eine Presseaussendungen mit demselben Inhalt. In „unseren Risikohandbüchern“ sei ein Spekulationsverbot dezidiert festgehalten. Inzwischen habe sich außerdem herausgestellt, dass man derzeit gar keine Garantien vom Bund benötige. Sollte in den nächsten Tagen der Strompreis aber wieder steigen, könnte es anders aussehen.

Statement von Michael Ludwig

Motto „alles richtig gemacht“

Die Informationsoffensive am Dienstag durch Ludwig, Hanke und die Wien Energie täusche nicht über die mangelnde Kommunikation hinweg, so Politikberater Hofer. Nach dem Krisengipfel am Sonntag, der ohne politische Vertreter der Stadt Wien auskommen musste (Ludwig erhielt nach eigenen Angaben keine Einladung, Hanke sagte aus terminlichen Gründe ab), seien einige Fragen unbeantwortet geblieben, sagt der Experte. Doch selbst die Aussagen von Stadtrat Hanke am Montag hätten wenig zur Aufklärung beigetragen.

Vielmehr sei die Wiener SPÖ unter dem Motto „alles richtig gemacht“ in die Fußstapfen von Ex-Tirol-Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) getreten, sagt Politikwissenschaftlerin Stainer-Hämmerle. Dieser hatte im Zuge der damaligen Coronavirus-Situation in Ischgl gleich mehrmals betont, dass die Behörden alles richtig gemacht hätten. „Es ist vertrauensbildend, wenn Politiker die Problemlage nachvollziehbar erklären können. Das hat die Wiener SPÖ nicht geschafft.“

Parteipolitik Teil der Debatte

Angesprochen auf die mangelnde Kommunikation sagte Bürgermeister Ludwig am Dienstag, dass Wien eine bundesweite Gesamtlösung wollte, also den von Hanke genannten Schutzschirm. Dass das der Öffentlichkeit dann anders herangetragen worden sei, „mit einem entsprechenden Spin, den man natürlich gut nachvollziehen kann, ist richtig“, so Ludwig. Hätte der Wiener Bürgermeister gewusst, wie die Bundesregierung die Situation kommuniziert, hätte man als Stadt anders kommuniziert.

Für Hofer ist klar, dass es für die Bundesregierung, insbesondere den ÖVP-Teil, eine Art Genugtuung darstelle, wenn das SPÖ-geführte Wien „Schwierigkeiten im eigenen Haus“ hat. ÖVP und Grüne seien zuletzt wegen der Coronavirus-Pandemie und dem Rechnungshof-Rohbericht zur Covid-19-Finanzierungsagentur (COFAG) unter Druck geraten. „Es spielt der Regierung in die Hände, wenn die Wiener nun selbst in die Bredouille geraten. Dass man sich politisch der Situation bedient, ist wenig überraschend“, so der Politikberater.

Wie Hofer befindet aber auch Stainer-Hämmerle, dass sich derzeit vieles noch im Rahmen des „üblichen parteipolitischen Hickhacks“ abspiele. Alle Akteure würden wissen, dass die Wien Energie „too big to fail“ sei, sagt die Expertin. „Das Problem ist, dass durch die mangelnde Kommunikation und durch die teils widersprüchlichen Botschaften die Politik grundsätzlich weiter Vertrauen einbüßen wird.“