Detail der Wien Energie Zentrale Spittelau
Reuters/Leonhard Foeger
Wien Energie

Kritik an Krisenmanagement

Die Geschehnisse rund um den in finanzielle Turbulenzen geratenen Energieversorger Wien Energie sind auch am Dienstag unübersichtlich geblieben. Während die eine Seite harsche Kritik vor allem am Krisenmanagement des Unternehmens und der Politik äußerte, versuchte die andere Seite zu beschwichtigen. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) verwies in der ZIB2 auf noch laufende Verhandlungen – und versprach einmal mehr Aufklärung.

Die geplante Kreditlinie in Höhe von zwei Mrd. Euro für die Wien Energie war am Dienstagabend noch nicht finalisiert. „Die Verhandlungen laufen noch“, sagte Brunner in der ZIB2. Er hoffe auf eine Lösung „in den nächsten Stunden“. Experten würden derzeit noch Details klären.

Um die Finanzlage der Wien Energie besser einschätzen zu können, verlangte der Finanzminister Einblick in die Geschäftsgebarung des Energieversorgers. „Die Bedingung ist natürlich, dass aufgeklärt wird. Einsichtsrechte spielen auch eine Rolle.“ Nur dann könne man nachvollziehen, ob es zu Spekulationsverlusten gekommen sei oder nicht, so Brunner.

Finanzminister Brunner über die Hilfskredite

Der Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) berichtet unter anderem darüber, wie es mit den Hilfskrediten der Bundesregierung für die Wien Energie aussieht. Außerdem spricht er darüber, ob sich die Stadt Wien schon geeinigt hat und um welche Summe es sich handeln wird.

Klarheit in „drei bis vier Wochen“

Würden sich die Vorwürfe der Spekulation bewahrheiten, würde ein „Schutzschirm“, wie er etwa bereits in Deutschland existiere, ohnehin nicht greifen, so Brunner, der sich einem solchen gegenüber skeptisch zeigte.

Das Energieunternehmen selbst wies die Vorwürfe in einer Aussendung zurück. Ob es sich dabei um eine Lüge handle, könne Brunner laut eigener Aussage nicht beurteilen. „Ich hoffe aber, dass es nicht so war.“ In den kommenden drei bis vier Wochen werde sich alles weisen.

10 Mrd. Euro „Worst Case“

Als Gründe für die finanzielle Notlage wurden seitens der Wien Energie zuletzt die exorbitanten Großhandelspreise für Strom und Gas genannt. Um die Versorgung der Kunden und Kundinnen sicherzustellen, führe man Handelsgeschäfte an Energiebörsen durch und müsse dabei – wie alle Börsenteilnehmer – Sicherheitsleistungen hinterlegen, die man derzeit aber nicht leisten könne. Im schlechtesten Fall brauche man dafür 10 Mrd. Euro an Garantien, im besten Fall „gar keine Sicherheitsgarantien“ vom Bund.

Auch Peter Weinelt, Aufsichtsratsvorsitzender der Wien Energie, beteuerte bei einem runden Tisch, dass es sich bei den Börsengeschäften um ein normales Vorgehen handle, das sogar der Risikominimierung dienen würde.

Wien Energie wird bestgeprüft

Der Rechnungshof, der Stadtrechnungshof und E-Control wollen die umstrittenen Börsengeschäfte der Wien Energie durchleuchten, und daher wird diese zum bestgeprüften Unternehmen des Landes. Den ganzen Dienstag über hat die Stadt Wien mit der Bundesregierung über die Hilfskredite verhandelt. Bis zu zehn Milliarden Euro könnten benötigt werden.

Prüfungen angekündigt

Zuvor meldeten sich auch die Wiener Stadtregierung sowie die Bundesregierung zu Wort. Bei anderen österreichischen Energieversorgern dürfte es keine mit der Situation der Wien Energie vergleichbaren Probleme geben. Dafür gibt es laut Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) keine Hinweise.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kündigte eine Sonderprüfung der Organe von Wien Energie und Stadtwerken durch den Stadtrechnungshof und externe Gutachter an. „Ich möchte damit zeigen, dass es nichts zu verbergen gibt“, so Ludwig.

„Kaution“

Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) erklärte am Dienstagnachmittag, der am Montag zu leistende Betrag von über 1,7 Mrd. Euro sei eine Kaution, „die nicht verloren ist“. Die Wiener ÖVP befand in einer Reaktion jedoch, dass man „verkrampft“ versuche, den Eindruck zu erwecken, es sei nichts passiert.

Die ÖVP Wien sieht zudem auch Aufklärungsbedarf bei NEOS. Vizebürgermeister Wiederkehr habe erklärt, erst aus den Medien von der Notlage der Wien Energie erfahren zu haben, so der Wiener ÖVP-Landesparteiobmann Karl Mahrer in einer Aussendung. Bürgermeister Ludwig habe jedoch erklärt, NEOS über das Vorgehen informiert zu haben.

Scharfe Kritik aus Opposition

Für Wiederkehr selbst werden derzeit jedenfalls „mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet“. Denn: „Das aktuelle Krisenmanagement der Wien Energie ist unzureichend, und ihrer Kommunikation fehlt jeglicher Willen zur Transparenz.“

Die FPÖ prüft auch eine Anzeige gegen Bürgermeister Ludwig und Hanke wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs, wie Parteichef Dominik Nepp und Klubobmann Maximilian Krauss erläuterten. Die FPÖ spricht vom „größten Finanzskandal“ der Stadt und fordert eine Untersuchungskommission.

Runder Tisch: Wien Energie – Der Milliardenkrimi

Liquiditätsprobleme bei der Wien Energie erschüttern den Österreichischen Energiemarkt. Die Gespräche um eine mögliche Unterstützungsleistung durch den Bund sind bisher ergebnislos verlaufen. Der Rechnungshof kündigt an, die Geschäftstätigkeit zu prüfen.

Experten verweisen auf Risikomanagement

Barbara Schmidt, Generalsekretärin bei Österreichs Energie, betonte bei dem runden Tisch Dienstagabend, dass es „ganz normal“ sei, dass an der Börse ge- und verkauft wird: „So funktioniert der Stromhandel und Markt schon seit 20 Jahren, das ist keine Besonderheit.“ Was nun allerdings schwierig geworden sei, seien die durch wechselnde Preise hohen Besicherungen, die eine dementsprechend große Liquidität bei Unternehmen erfordern würden.

Johannes Benigni, Energieanalyst, verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass es bei der Unternehmensstrategie eben ein gutes Risikomanagement brauche. Ähnlich äußerte sich Michael Böheim, Energieexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts – dieser zeigte sich jedoch verwundert über die „Nacht- und Nebelaktion“ der Wien Energie, sollten die Risiken doch schon länger bekannt gewesen sein.

Vor dem Hintergrund, dass bei Weitem nicht die ganze Branche mit finanziellen Problemen zu kämpfen habe, schlug Böheim das System einer branchenweite Einlagensicherung vor: Wer einen freien Markt fördere, solle nicht nach dem Staat rufen, sondern die Branche in die Pflicht nehmen, so der Experte.