Taiwanesische Piloten neben einem Kampfjet auf einer Luftwaffenbasis
Reuters/Ann Wang
Signal an China

Taiwan lässt Muskeln spielen

Taiwans Armee hat inmitten der großen Spannungen mit China mit einem „Gegenangriff“ gedroht, sollten chinesische Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe in sein Hoheitsgebiet eindringen. Mit Hilfe der USA lässt Taiwan nun als Signal an Peking die Muskeln spielen. Erstmals wurden Warnschüsse auf chinesische Drohnen abgegeben. Zuvor hatten die USA neue Waffenlieferungen für Taipeh ins Spiel gebracht. Und zwei US-Kriegsschiffe durchquerten die Straße von Taiwan. China sieht eine „Provokation“.

Wenn chinesische Flugzeuge und Schiffe in die Zwölfmeilenzone vor der taiwanischen Küste eindringen sollten, habe Taiwan ein „Recht auf Selbstverteidigung“ und werde zum Gegenangriff übergehen, sagte Generalleutnant Lin Wen-huang am Mittwoch vor Journalisten. Chinas jüngste Militärübungen hätten den Status quo in der Straße von Taiwan verletzt.

Je näher die eindringenden Flugzeuge und Schiffe an Taiwan herankämen, „desto stärker werden unsere Gegenmaßnahmen sein“, so Lin. Um die chinesischen Truppen abzuwehren, werde Taiwan seine See- und Luftstreitkräfte einsetzen sowie von der Küste aus schießen. China sieht die demokratisch regierte Insel als Teil der Volksrepublik an. Taiwan hingegen versteht sich als unabhängig.

Stadtansicht von Taipeh (Taiwan)
AP/Imaginechina/Yan Zhihong
Ein Blick auf die taiwanische Hauptstadt Taipeh

Warnschüsse auf chinesische Drohnen

Taiwan gab erstmals Warnschüsse ab, um Drohnen abzuwehren, die über seine vorgelagerten Inseln in der Nähe von China geflogen waren, wie die BBC am Mittwoch berichtete. Das taiwanische Verteidigungsministerium teilte mit, die drei Drohnen seien beim Rückflug zum chinesischen Festland gesehen worden. Die Regierung in Taipeh hatte sich in den letzten Wochen über die chinesischen Drohnen beschwert, die in der Nähe seiner kleinen Inseln nahe dem chinesischen Festland fliegen.

Präsidentin Tsai Ing-wen bezeichnete einige der Drohnenmissionen, die militärische Außenposten überflogen, als „Grauzonen-Kriegsaktivität". China reagierte darauf mit Achselzucken. „Chinesische Drohnen, die über Chinas Territorium fliegen: Wer kann da überrascht sein?“, sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, am Montag. Taiwans Außenministerium äußerte sich verärgert über derartige Bemerkungen. „Uneingeladene Menschen werden Diebe genannt“, so das Außenministerium.

Chinesische Kampfjets beim Fliegen
AP/Xinhua/Li Bingyu
Chinesische Kampfjets beim Manöver um Taiwan am 7. August

Verstärktes Säbelrasseln seit Pelosi-Besuch

Die Spannungen in der Region hatten sich nach einem Taiwan-Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi Anfang August verstärkt. Chinas Armee hatte nach dem Besuch seine bisher größten Militärmanöver in den Gewässern um die Insel abgehalten und dabei auch Raketen abgeschossen. Dabei wurden eine See- und Luftblockade sowie eine mögliche Eroberung geübt.

Kurz danach reiste eine weitere Delegationen mit US-Politikern nach Taiwan. Auch die Drohnenüberflüge haben sich laut Taipeh nach dem Pelosi-Besuch gemehrt. Taiwan verurteilte die Manöver und Raketentests als Vorbereitung auf eine chinesische Invasion. Auch Taiwan hielt Übungen ab und präsentierte neue Kampfjets.

Übersichtskarte von China und Taiwan
Grafik: APA/ORF.at

Seit der Spaltung zwischen China und Taiwan im Jahr 1949 betrachtet Peking die Insel als abtrünniges Gebiet, das es wieder mit dem Festland vereinigen will – notfalls mit militärischer Gewalt. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Befürchtungen aufkommen lassen, Peking könnte im Umgang mit Taiwan auf ein ähnliches Vorgehen setzen.

USA wollen mehr Waffen liefern

Deshalb plant die US-Regierung einem Bericht zufolge offenbar, Taiwan Waffen im Wert von rund 1,1 Milliarden Dollar zu liefern. Das berichtete das Magazin „Politico“ am Montag (Ortszeit) unter Berufung auf drei verschiedene, mit der Angelegenheit befasste Quellen. Die Regierung wolle den Kongress bitten, den Deal zu billigen. In dem Paket seien 60 Antischiffsraketen und 100 Luft-Luft-Raketen enthalten.

Der Schwerpunkt werde jedoch auf der Aufrechterhaltung von Taiwans aktuellen Militärsystemen und der Erfüllung bestehender Aufträge liegen – und nicht auf einer Erweiterung der Rüstungssysteme, um die bereits verschärften Spannungen mit China nicht noch weiter anzuheizen, hieß es in dem Bericht. Das US-Präsidialamt reagierte nicht sofort auf eine Bitte um Stellungnahme. Auch eine Sprecherin des Außenministeriums habe sich zu dem Bericht nicht äußern wollen, hieß es von „Politico“. Ein solches Geschäft dürfte die ohnehin gespannten Beziehungen zwischen den USA und China verstärken.

US-Zerstörer USS Kidd
APA/AFP/US Navy
Der US-Zerstörer „USS Kidd“ in der Taiwan-Straße

US-Kriegsschiffe in Taiwan-Straße

Am Sonntag hatten die US-Streitkräfte das erste Mal seit Pelosis Taiwan-Besuch Kriegsschiffe durch die Taiwan-Straße gesandt. China bezeichnete die Fahrt der zwei US-Kriegsschiffe am Montag als „Provokation“. Die USA rechtfertigten die Durchfahrt. Damit sei „das Engagement der Vereinigten Staaten für einen freien und offenen Indopazifik unterstrichen“ worden, erklärte die US-Marine.

Bei den Schiffen handelte es sich den US-Angaben zufolge um zwei Lenkwaffenkreuzer der siebenten US-Flotte. Ihre „routinemäßige“ Durchfahrt sei durch Gewässer erfolgt, „in denen die Freiheit der Schifffahrt und des Überflugs auf hoher See im Einklang mit dem Völkerrecht“ gelte. „Diese Schiffe durchquerten einen Korridor in der Meerenge, der außerhalb der Hoheitsgewässer der Küstenstaaten liegt“, erklärte die US-Marine weiter.

China: Aufgebauscht

Solche Einsätze dauern üblicherweise acht bis zwölf Stunden und werden vom chinesischen Militär stets mit Argusaugen beobachtet. Aus China hieß es, die USA hätten die Durchfahrt der Schiffe durch die Meerenge „aufgebauscht“. Die chinesische Volksbefreiungsarmee (PLA) verfolge und warne die US-Schiffe während ihrer gesamten Reise und sei sich „aller Bewegungen bewusst“, sagte ein PLA-Sprecher. Die chinesischen Truppen blieben „in höchster Alarmbereitschaft“ und seien „jederzeit darauf vorbereitet, jegliche Provokationen zu vereiteln“.

Das taiwanische Verteidigungsministerium bestätigte die Durchfahrt der beiden US-Kriegsschiffe. „Während ihrer Reise durch die Taiwan-Straße in Richtung Süden überwacht das Militär alle relevanten Bewegungen im uns umgebenden See- und Luftraum, und die Situation ist normal“, hieß es aus dem Ministerium.

Japan als wichtigster US-Navy-Stützpunkt

Die siebente US-Flotte ist in Japan stationiert. Sie bildet ein Kernstück der Marinepräsenz Washingtons im Pazifik. Die USA und ihre westlichen Verbündeten verstärkten zuletzt die Durchfahrt von Marineschiffen durch die Taiwan-Straße und das Südchinesische Meer, um deren Status als internationale Wasserstraßen zu bekräftigen – zum Ärger Pekings.

In den vergangenen Jahren haben immer wieder Kriegsschiffe der USA sowie von Verbündeten wie Großbritannien und Kanada die Straße von Taiwan befahren und damit den Zorn der chinesischen Führung in Peking auf sich gezogen.