de ehemalige Präsident der Sowjetunion, Michael Gorbatschow
AP/Ivan Sekretarev
Gorbatschow verstorben

Ukraine-Krieg als Hindernis für Begräbnis

Nach dem Tod von Michail Gorbatschow hat die Weltpolitik ihre Trauer bekundet, Beileidsbekundungen von US-Präsident Joe Biden bis EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sind eingetroffen. In welchem Maß ausländische Politikerinnen und Politiker den letzten Präsidenten der Sowjetunion bei dessen Beerdigung am Samstag auch persönlich würdigen können, ist angesichts des Ukraine-Krieges aber mehr als fraglich.

Schon lange vor seinem Tod hat der mit 91 Jahren verstorbene Friedensnobelpreisträger Gorbatschow seine Beerdigung geregelt. Er wird auf Moskaus berühmtem Prominentenfriedhof am Neujungfrauenkloster (Nowodewitschi-Friedhof) bestattet, wo er ein Grab neben seiner 1999 gestorbenen Frau Raissa Gorbatschowa gesichert hatte.

Zuvor soll eine Trauerfeier im „Haus der Gewerkschaften“ nahe dem Kreml stattfinden, teilte Gorbatschows Tochter Irina der Nachrichtenagentur Interfax zufolge am Mittwoch mit. Ob es ein Staatsbegräbnis gibt, konnte sie allerdings nicht sagen. Das „Haus der Gewerkschaften“ war traditionell Ort für Trauerfeiern für die Staatschefs in der Sowjetunion. So wurden hier unter anderem die Leichname von Sowjetgründer Wladimir Iljitsch Lenin und seinem Nachfolger Josef Stalin aufgebahrt.

Offene Fragen zu internationalen Gästen

Unklar ist allerdings, welche internationalen Gäste zur Beerdigung in Moskau kommen werden – angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der Sanktionen der EU und der USA gegen das Land. So sind nicht nur viele ranghohe Politikerinnen und Politiker der EU von russischer Seite als Reaktion auf die westlichen Sanktionen mit Einreiseverboten belegt worden. Gesperrt ist auch der Luftraum in Russland für „unfreundliche EU-Staaten“. Viele westliche Politikerinnen und Politiker meiden zudem aktiv den Kontakt mit Russland.

Michail Gorbatschow ist tot

Der Friedensnobelpreisträger und letzte Präsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, ist tot. Er verstarb in der Nacht im Alter von 91 Jahren, teilte das Zentralkrankenhaus in Moskau mit. Gorbatschow gilt als Wegbereiter des Endes des Kalten Krieges.

Internationale Bedeutung

Angesichts der historischen und internationalen Bedeutung Gorbatschows für den Verlauf der Weltgeschichte dürften aber auch Gäste aus dem Ausland Abschied nehmen wollen. Ein größeres Thema dürfte das wohl unter anderem in Deutschland werden, denn Gorbatschow gilt als einer der Wegbereiter der deutschen Einheit. Dessen Politik habe es möglich gemacht, „dass Deutschland vereint werden konnte und der Eiserne Vorhang verschwunden ist“, sagte etwa der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz.

Er „hoffe, dass der russische Staat seinem früheren Staats- und Regierungschef die Ehre erweist, die ihm gebührt“. Ob Scholz selbst nach Russland reisen könnte, ließ er offen. „Ich glaube, das ist jetzt nicht der Ort oder der Zeitpunkt, um über Reisen zu reden“, so Scholz nach einer Kabinettsklausur nahe Berlin. Eine eigene Gedenkveranstaltung in Deutschland forderte indes Linke-Fraktionschef Dieter Bartsch. Er schlug eine Feierstunde im Bundestag vor.

Keine Entscheidung zu Staatsbegräbnis

Am Mittwoch gab es noch keine Entscheidung, ob es überhaupt ein Staatsbegräbnis für Gorbatschow geben soll, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow laut Nachrichtenagentur Interfax. Das hänge auch von den Wünschen der Angehörigen und Freunde ab. In seiner Heimat war Gorbatschow stets umstrittenen, er galt einem großen Teil der russischen Öffentlichkeit als „Totengräber der Sowjetunion“.

Nowodewitschi-Friedhof in Moskau
APA/AFP/Kirill Kudryavtsev
Gorbatschow soll auf dem bekannten Nowodewitschi-Friedhof bestattet werden

Glasnost und Perestroika

Gorbatschow war am Dienstagabend nach langer schwerer Krankheit im Alter von 91 Jahren in Moskau gestorben. Er war der letzte Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und hatte die Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) eingeführt. Das brachte den Menschen in dem totalitären System der UdSSR bis dahin nie da gewesene Freiheiten.

TV-Hinweis

ORF2 zeigt in Memoriam Michail Gorbatschow am Mittwoch um 22.30 Uhr „Michail Gorbatschow – der Weltveränderer“. ORF III widmet Gorbatschow am Samstag einen TV-Schwerpunkt.

Er setzte sich zudem unter anderem durch Abrüstungsverhandlungen mit den USA für eine Entspannung mit dem Westen ein. Der politische Prozess führte letztlich zum Zusammenbruch der UdSSR, der mit seinem Rücktritt als sowjetischer Präsident 1991 besiegelt wurde. 1990 erhielt Gorbatschow für seine mutigen Reformen den Friedensnobelpreis.

Bis zu seinem Tod kümmerte sich Gorbatschow um seine eigene politische Stiftung in Moskau. Die Organisation setzt sich für demokratische Werte und eine Annäherung Russlands an den Westen ein. Außerdem schrieb er zahlreiche Bücher und war auch Miteigentümer der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“, die immer wieder Missstände in Russland aufdeckt.