Herwig Kollaritsch (Nationales Impfgremium)
APA/Hans Klaus Techt
Experte

Neue Impfempfehlung für Genesene

Das Nationale Impfgremium (NIG) hat seine Empfehlungen für die Coronavirus-Auffrischungsimpfung aktualisiert. Demnach wird die vierte Impfung ab September allen ab zwölf Jahren empfohlen. Neuerungen gibt es auch für Genesene, wie Impfexperte Herwig Kollaritsch in einer Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) betonte. Das Impfschema sollte künftig unabhängig von Infektionen eingehalten werden.

Als alte Varianten wie Delta zirkulierten, habe gegolten, dass eine Infektion die nächste Impfung ersetzt, erläutert Kollaritsch. Mit Omikron habe sich das aber geändert, da sei die nächste Impfung zunächst nur um vier bis sechs Monate verschoben worden, so der Experte. „Mittlerweile muss man eigentlich sagen: Auch das ist fast zu hoch gegriffen. Letztlich sollte jeder, der eine Infektion mit einer der jetzigen Varianten durchmacht, unabhängig davon in seinem Impfschema verbleiben“, so der Experte.

Ein Beispiel: Wer sich etwa zwei Monate nach der dritten Impfung mit BA.4 oder BA.5 infiziere, solle sich dennoch sechs Monate ab dem dritten Strich die Auffrischung holen, so Kollaritsch. Er nennt noch ein Szenario: Wer sich zu einem späteren Zeitpunkt – etwa im fünften Monat nach der Drittimpfung – infiziere, könne auch schon ein Monat nach der Infektion (und damit sechs Monate nach dem dritten Stich) eine weitere Impfung bekommen.

Das solle eine „Vereinfachung“ sein und sicherstellen, dass die „Impfung wesentlicher ist als die Infektion“, so Kollaritsch. Von der Virusvariante BA.1 sei etwa bekannt, dass die Immunität, die erzeugt werde, „streng spezifisch für BA.1 ist und eigentlich gegenüber den anderen Omikron-Varianten kaum eine Kreuzimmunität erzeugt“, erklärt er.

Empfehlung für vierten Stich abgeändert

Um für den Herbst gerüstet zu sein, wird die vierte CoV-Impfung vom nationalen Impfgremium für alle Menschen ab zwölf Jahren empfohlen. Bisher war das nur für Risikogruppen und Menschen über 60 der Fall.

NIG-Empfehlung im Detail

In einem auf den bevorstehenden Herbst abzielenden Dokument des NIG heißt es diesbezüglich, dass die vorgesehenen Impfschemata „auch bei Personen angewendet werden“ können, die bereits eine oder mehrere Infektionen durchgemacht hätten. „Die Impfung kann also bereits nach der Genesung bzw. nach Vorliegen eines negativen PCRTests (sic!) verabreicht werden, wenn es das Impfschema zeitlich so vorsieht. Die Impfung kann nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 auch maximal 4-6 Monate aufgeschoben werden.“

Vergangene Infektionen hinterließen „zwar eine gute homologe Immunität, welche die gleiche oder nahe verwandte Virusvarianten betrifft. Seit dem Auftreten von Omikron handelt es sich jedoch um unsichere heterologe Immunität, die bis auf Sublinienniveau durchschlägt.“

Statement von Herwig Kollaritsch (Nationales Impfgremium)

Herwig Kollaritsch (Nationales Impfgremium) erläutert die aktuellen Impfempfehlungen.

Vierte Impfung ab zwölf Jahren empfohlen

Im Wesentlichen empfiehlt das Impfgremium die CoV-Auffrischungsimpfung für alle Menschen ab zwölf Jahren bei entsprechendem Abstand zur letzten Impfung je nach Alter vier bis sechs Monate nach dem Abschluss der Grundimmunisierung (dritte Impfung). Bisher galt die Empfehlung nur für Menschen ab 60 Jahren.

Bei Kindern von fünf bis elf Jahren soll spätestens zu Schulbeginn die Grundimmunisierung – diese besteht aus drei Impfungen – fertiggestellt werden, in dieser Altersgruppe sei derzeit keine Auffrischungsimpfung empfohlen, hieß es. Das NIG hat seine Empfehlung auch an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst. Für Menschen über 60 Jahren ist eine Auffrischungsimpfung nun bereits ab vier Monate nach dem Abschluss der Grundimmunisierung empfohlen.

Kollaritsch: „Einprägsames Impfschema“ als Ziel

Die aktualisierte Impfempfehlung des NIG sei „ein Versuch, ein einfaches, einprägsames und für alle gültiges Impfschema“ zu schaffen, sagte Kollaritsch. Entscheidend sei es auch, „Altlasten“ zu beseitigen. Konkret appellierte Kollaritsch an all jene, die bisher nur zweimal oder gar nicht geimpft sind, den Impfschutz zu komplettieren.

„Ich glaube, behaupten zu können, dass in Österreich an einer reinen Covid-Infektion fast niemand mehr sterben müsste, wenn er geimpft ist und wenn er die Therapie zugänglich hat“, sagte Kollartisch. Mit diesen beiden Mitteln – Impfung und Medikamente im Falle einer Infektion – „können wir sehr viel tun, um sicher durch die Herbstwelle zu kommen“, bekräftigte der Experte.

Statement von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne)

Gesundheitsminister Johannes Rauch spricht über die Strategie für den dritten CoV-Herbst.

Gesundheitsminister Rauch erwartet im Herbst deutlich steigende Fallzahlen und sprach eine FFP2-Masken-Empfehlung für Innenräume aus. „Impfung, Masken und Testen werden uns gut durch den Herbst bringen“, sagte der Gesundheitsminister über die Strategie in den kommenden Monaten. „Es ist wahrscheinlich, dass im Herbst eine Maskenpflicht in bestimmten Bereichen wie im öffentlichen Verkehr oder in Supermärkten wieder sinnvoll und notwendig sein wird“, sagte Rauch. Die fünf Gratis-PCR- sowie Antigen-Schnelltests werde es „bis ins Frühjahr hinein“ geben. Die Impfung bleibe aber „die wichtigste Maßnahme“.

Warten auf angepasste Impfstoffe „unvernünftig“

Angepasste Variantenimpfstoffe sollen noch im September nach Österreich geliefert werden. Auf ein genaues Datum wollte sich Rauch – anders als sein deutscher Amtskollege Karl Lauterbach – nicht festlegen. Bereits am Donnerstag erwartet Rauch, dass die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) die Zulassung der ersten bivalenten Impfstoffe bestätigt. Zunächst wird der speziell für die Omikron-Variante BA.1 angepasste Impfstoff erwartet, einige Wochen später der an die aktuelle Variante BA.4/BA.5 angepasste Impfstoff.

Mit Hinblick auf noch nicht zugelassene Variantenimpfstoffe plädierte Kollaritsch eindringlich dafür, mit dem Impfen nicht zu warten. „Die bereits verfügbaren Impfstoffe waren milliardenfach im Einsatz. Sie sind bestens erprobt und schützen weiterhin effektiv vor einer schweren Erkrankung“, betonte der Infektiologe. Die Variantenimpfstoffe würden nämlich „keine wesentliche Verbesserung der Situation bringen“, es sei vielmehr „absolut unvernünftig“, darauf zu warten.

Kollaritsch hob den positiven Nebeneffekt der Auffrischung hervor. Die Impfstoffe können für die Auffrischungsimpfung gewechselt werden, wenn man das möchte. „Mix and Match kann man ohne Weiteres machen“, sagte er und erklärte, dass sich der Impfstoff von Moderna bisher als jener mit geringfügigen Vorteilen erwiesen habe. Er sei jedoch reaktogener, rufe also stärkere Reaktionen hervor. „Man kauft sich immer mit einem Vorteil auch einen kleinen Nachteil.“ Für Risikopersonen solle überlegt werden, ob nicht eine weitere Impfung außerhalb des Impfschemas sinnvoll sein könnte, sagte der Experte.

„Keine Grippewelle“: Rauch gegen Beschwichtigungen

Rauch hatte zuvor einen Rückblick auf das bisherige Pandemiegeschehen und einen kurzen Ausblick auf den Herbst gegeben. Sein bei Amtsantritt erwähntes Leitmotiv beim Pandemiemanagement wiederholte er – dieses laute weiterhin „so viel wie notwendig und so wenig wie möglich“. Sein zweites Leitmotiv sei, „bestmöglich aus dem Krisenmodus“ hinauszukommen und in einen „verantwortungsbewussten Umgang mit Covid“ hineinzugehen.

Angesichts beschwichtigender Aussagen über das Virus hielt Rauch fest: „Das war keine leichte Grippewelle in den letzten beiden Jahren. Covid hat viele Menschen das Leben gekostet.“ Der Sommer habe jedenfalls eine wichtige Pause verschafft. Auch die Abschaffung der Quarantäne habe keine „gravierenden Veränderungen“ im Pandemiegeschehen nach sich gezogen.

Rauch: Impfpflicht kommt nicht mehr zurück

Er wiederholte die Worte seines Vor-Vorgängers Rudolf Anschober (Grüne): „Die nächsten Wochen sind entscheiden“, wenn es darum gehe, sich impfen zu lassen, meinte der amtierende Gesundheitsminister. Die Impfpflicht werde auf keinen Fall wieder eingeführt werden, versicherte er.