Manganknollen am Meeresboden
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„Deep Sea Mining“

Rohstoffhunger als Gefahr für die Tiefsee

Das Rennen um Rohstoffe vom Grund der Ozeane ist längst eröffnet. Der Abbau von Mineralien und Metallen auf oder unter dem Meeresboden stellt allerdings ein permanentes Risiko für die empfindliche Unterwasserwelt dar. Umstritten ist auch, ob es ohne „Deep Sea Mining“ tatsächlich keine „grüne“ Energiewende geben kann – oder anders gesagt: ob das ökologische Risiko der hohe Preis dafür ist.

Pläne und Versuche, Vorkommen von Metallen auf dem Meeresboden zu erschließen, gibt es bereits länger. Aktuell werden sie für Explorationsunternehmen wieder zunehmend interessant, weil Rohstoffe stark nachgefragt und teuer sind. Der Abbau auf dem Meeresgrund ist technisch anspruchsvoll und rechnet sich erst ab einem bestimmten Preisniveau – ähnlich etwa wie Fracking in der Erdöl- und Erdgasförderung.

Unter „Deep Sea Mining“ fallen prinzipiell Suche und Gewinnung aller möglichen Rohstoffe mit unterschiedlichen Methoden, angefangen von Sand über Erdöl und Erdgas bis hin zu Buntmetallen und Diamanten. Erste Versuche gab es bereits in den 1960er Jahren, sie wurden allerdings später wieder verworfen.

E-Mobilität braucht spezielle Rohstoffe

In der aktuellen Debatte geht es nun vor allem um Gestein vom Meeresboden im Pazifik, das Metalle wie Mangan, Eisen, Nickel, Kupfer, Kobalt, Lithium enthält, mitunter auch Metalle aus der Gruppe der Seltenen Erden. Benötigt bzw. verbaut werden die vor allem in Elektrofahrzeugen, Batterien, allen möglichen elektronischen Geräten. Vor allem der Ausbau der Elektromobilität lässt die Nachfrage aktuell stark steigen.

Keine Regeln für Unterwasserwelt

Umstritten ist der „Bergbau“ in der Tiefe vor allem aus zwei Gründen: Dort, wo er stattfinden soll, ist das ökologische Gleichgewicht sehr fragil. Die Tiefsee wird von vielen sehr empfindlichen Lebewesen bevölkert. Der zweite Grund: Es gibt bisher keine Regeln für „Deep Sea Mining“, Verhandlungen dazu scheiterten kürzlich. Trotzdem könnten konkrete Projekte bald umgesetzt werden.

Meeresbohrmaschine bei Herstellung
Reuters/Nigel Roddis
Bau eines Abbauroboters für die Tiefsee in Großbritannien

Beim aktuell größten davon konzentriert sich das Interesse auf Vorkommen knapp 2.500 Kilometer von der US-Küste entfernt in rund 4.000 Meter Tiefe nahe Jamaika. Dieses, hieß es kürzlich in der „New York Times“, könnte das erste werden, wo Rohstoffe auf dem Meeresgrund „in industriellem Ausmaß“ abgebaut werden.

Die Rechte sicherte sich laut der US-Zeitung ein Unternehmen aus Kanada namens The Metal Company (TMC), vormals DeepGreen Metals. Mit den Vorkommen, um das es geht, könnten nach einem Prospekt des Unternehmens aus dem Frühjahr 280.000 Elektrofahrzeuge gebaut werden, eine „gesamte US-Flotte“, schrieb die „New York Times“ dazu vor wenigen Tagen.

Mächtige Partner an Bord

Auf den ersten Blick könnte man das Bergbau-Start-up aus Vancouver für eines unter sehr vielen ähnlichen in den USA und Kanada halten, die Abbaurechte erwerben, Investoren enorme Gewinne in Aussicht stellen, aber bisher keine wirklichen Zahlen aufweisen bzw. kein Geld verdienen.

Aber das kanadische Unternehmen habe Partner wie das Schweizer Offshore-Bauunternehmen Allseas, den gleichfalls in der Schweiz ansässigen Rohstoffriesen Glencore und die dänische Großreederei Maersk an Bord, schrieb die „New York Times“ unter dem Titel „Geheime Daten, kleine Inseln und eine Schatzsuche auf dem Meeresgrund“.

Der „Schlüssel“ zur Tiefsee

Den „Schlüssel“ zur Tiefsee, wie die US-Zeitung schrieb, hält die International Seabed Authority (ISA), gegründet über das Seerechtsübereinkommen der UNO 1994, mit Sitz in Kingston (Jamaika) in der Hand. Nur sie kann Lizenzen vergeben. Und dazu, so die „New York Times“ nach Analyse „Hunderter Seiten“ von E-Mails, Briefen und internen Dokumenten, habe es in den letzten 15 Jahren intensives Lobbying seitens einer Reihe von Unternehmen gegeben.

Nahaufnahme von Manganknolle
Reuters/Chris Helgren
Enorme Mengen von Metallen lagern in Sedimenten in der Tiefe

Dokumente zeigen „aggressives“ Lobbying

Dabei hätten diese auch Informationen erhalten, die eigentlich nicht für sie, sondern für kleine, wirtschaftlich schwache Länder in der Region gedacht gewesen wären, ehemalige Angestellte der Behörde seien verärgert und sprächen von einem Skandal.

Kontrollraum für Meeresbohrmaschinen
Reuters/Nigel Roddis
Kontrollraum und Steuerzentrale für die Abbauroboter auf dem Meeresgrund

Die ISA unterhalte Verträge mit etwa zwei Dutzend Partnern, Staaten und Unternehmen, wobei die kanadische Metals Company besonders „aggressives“ Lobbying dafür betrieben habe, 2024 mit der Arbeit beginnen zu dürfen. Es gäbe Zweifel daran, dass die ISA Herr der Lage sei.

Verhandlungen in Kingston über Regeln für den Tiefseebergbau scheiterten Anfang August. Der britische „Guardian“ schrieb dazu, dass trotzdem – oder deswegen – möglicherweise schon in einem Jahr mit dem Abbau begonnen werden könnte. Grund sei eine Gesetzesklausel, die in Kraft trete. Letztes Jahr hatte der Pazifikstaat Nauru entsprechende Pläne publik gemacht, danach sei der ISA, die für die Vergabe von Lizenzen in internationalen Gewässern zuständig ist, eine Frist von zwei Jahren für die Ausarbeitung eines Regelwerks gegeben worden. Die ist im kommenden Jahr vorbei.

Ohne Regulierung sehr hoher Preis

Schon im August vor einem Jahr hatte die britische Zeitung die Frage gestellt, ob die Rohstoffgewinnung aus der Tiefsee mehr Segen oder Fluch sei, und zusammengefasst: Die Bodenschätze vom Meeresgrund könnten helfen, die Klimakrise zu bekämpfen, allerdings zerstöre ihre Gewinnung möglicherweise das Ökosystem der Tiefsee. Zumindest besteht diese Gefahr akut, solange es keine konkreten Regeln dafür gibt.

Das begehrte Gut vom Grund der Ozeane, um das es im konkreten Fall geht, sind Manganknollen, mineralische Gesteinsbrocken unterschiedlicher Größe, die eine ganze Reihe von Metallen enthalten. Sie lagern in Sedimenten auf dem Meeresgrund, meist in 3.000 bis 6.000 Meter Tiefe. Die größten Vorkommen gibt es im Pazifik, vor allem in der Clarion-Clipperton-Zone zwischen Hawaii und Mexiko auf einer riesigen Fläche von rund vier Mio. Quadratkilometern, aber auch im Indischen Ozean, nahe den Cook-Inseln im Südwestpazifik und vor der Küste Perus.