Schulkinder auf Straße
APA/dpa/Peter Kneffel
Neue Studien

Pandemiefolgen für Kinder verheerend

Dutzende Studien haben bereits die Auswirkungen der Pandemie und der Maßnahmen auf Kinder und Jugendliche dokumentiert, nun zeigen zwei weitere die negativen Effekte auf: In den USA fielen die Leistungen der Neunjährigen in Mathematik und Lesen auf das Niveau von vor zwei Jahrzehnten zurück. Und in Deutschland ist ein deutlicher Anstieg bei Depressionen bei Mädchen und Adipositas bei Buben zu verzeichnen. Kinder aus einkommensschwachen Haushalten sind in beiden Erhebungen besonders betroffen.

Die am Donnerstag veröffentlichten Testergebnisse zeigen laut „New York Times“ in „aller Deutlichkeit die verheerenden Auswirkungen“ der Pandemie auf die US-Schulkinder: Zum ersten Mal seit Einführung der landesweit standardisierten Tests in den 1970er Jahren verschlechterten sich die Leistungen in Mathematik signifikant, die Ergebnisse im Lesen sanken so stark wie seit mehr als 30 Jahren nicht mehr.

Die Rückgänge betrafen zwar fast alle Einkommensschichten, waren aber für die leistungsschwächsten Schülerinnen und Schüler deutlich schlimmer. Die Ergebnisse der Kinder aus den einkommenschwächsten Familien sanken viermal so stark wie jene derjenigen, die aus wohlhabenden Familien kommen.

Längere Schulschließungen in ärmeren Gegenden

Ein Grund dafür ist, dass US-Schulen in ärmeren Wohngegenden, insbesondere in großen Städten, länger geschlossen waren und damit länger auf Distance-Learning setzen mussten. Damit erklärt sich auch der besondere Leistungsabfall in schwarzen und hispanischen Communitys.

Die US-Regierung kündigte zwar ein riesiges Bildungsinvestionspaket in Höhe von 122 Milliarden Dollar für Schulen an, ob damit die Bildungsversäumnisse der vergangenen zwei Jahre aufgeholt werden können, ist aber unklar. Zudem fehlt es auch in den USA in einigen Regionen an Lehrerinnen und Lehrern.

Deutschland: Mehr Depressionen bei Mädchen

Ähnlich dramatische Auswirkungen auf anderer Ebene zeigt eine Auswertung von Abrechnungsdaten von rund 782.000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren, die bei der deutschen Krankenkasse DAK-Gesundheit versichert sind. So seien bei Depressionen die Behandlungszahlen von 15- bis 17-jährigen Mädchen im Vergleich zum Vor-Coronavirus-Jahr 2018 um 18 Prozent gestiegen, teilte die Kasse mit. Bei den Zehn- bis 14-Jährigen waren es den Angaben zufolge sogar 23 Prozent.

Mit der steigenden Zahl neu an einer Depression erkrankter Teenager-Mädchen erhöhte sich auch die Verschreibung von Medikamenten stark. So stieg der Anteil der 15- bis 17-jährigen Mädchen mit einer Antidepressiva-Behandlung nach DAK-Angaben 2021 um 65 Prozent im Vergleich zu 2019. Auch im Falle der medikamentösen Behandlung von Essstörungen und Angststörungen seien die Zahlen 2021 stark um 75 beziehungsweise 19 Prozent nach oben gegangen.

Buben verstärkt übergewichtig

Bei Buben hingegen sank die Depressionsneuerkrankungsrate bei den Zehn- bis 14-Jährigen um 17 Prozent und bei den 15- bis 17-Jährigen um 15 Prozent. Ein ähnliches Bild zeige sich bei Essstörungen und Angststörungen: Während bei Mädchen die Behandlungszahlen deutlich zunahmen, sanken sie bei Buben. Bei ihnen stieg allerdings die Zahl der Kinder mit starkem Übergewicht.

In der Altersgruppe der Fünf- bis Neunjährigen stiegen die Adipositaszahlen 2021 zwar insgesamt um 14 Prozent, Buben waren aber stärker betroffen. Bei den 15- bis 17-jährigen Jungen gab es sogar 15 Prozent mehr Adipositas, bei den Mädchen dieser Altersgruppe sechs Prozent mehr. Sowohl bei Depressionen bei Mädchen als auch bei Übergewicht bei Buben zeigte sich, dass Kinder aus einkommensschwächeren Haushalten stärker betroffen waren.

Dramatische Zahlen auch in Österreich

In Österreich mahnte unterdessen am Mittwoch Barbara Haid, Präsidentin des Bundesverbands für Psychotherapie (ÖBVP), in Sachen psychischer Gesundheit von Kindern und Jugendlichen „Taten statt Warten“ ein. Mittlerweile leide jeder zweite junge Mensch in Österreich an depressiven Symptomen. Suizidgedanken, Angstsymptome, Schlafstörungen und ein problematisches Konsumverhalten haben stark zugenommen.

47 Prozent aller befragten Jugendlichen gaben bei der Erhebung im Frühjahr an, dass sie professionelle Unterstützung brauchen, wobei besonders starke Verschlechterungen in Familien mit einem niedrigen sozioökonomischen Status, mit Migrationshintergrund und denjenigen, die in beengten Wohnverhältnissen leben, zu bemerken ist.

Zu wenige niederschwellige Angebote

Für die rund 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler stünden nur 181 Schulpsychologen zur Verfügung. Gemeinsam mit der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit (Kinderliga) und der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (ÖGKJP) äußerte Haid Sorge um die psychische Gesundheit der Jugend in Österreich. Oft sei eine zeitnahe Intervention entscheidend, die lange Wartelisten bzw. Wartezeiten für Kassenplätze würden das Problem zusätzlich verschärfen.

Viel zu wenig niederschwellige Angebote an Ort und Stelle in der Schule zählen zu den großen Herausforderungen für die psychosoziale Betreuung zu Beginn des neuen Schuljahres. Auch wenn der Präsenzunterricht oft Vorteile für benachteilige Kinder bringe, seien viele Probleme bereits abzusehen. Eine gemeinsame Forderung ist es, die psychosoziale Versorgung für Schüler, Eltern und auch das Lehrpersonal auszubauen und langfristig sicherzustellen.