Bombardierung von Warschau 1939
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Weltkriegsschäden

Polen fordert 1,3 Billionen von Deutschland

Polen beziffert die von Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg angerichteten Schäden in einem Bericht auf umgerechnet mehr als 1,3 Billionen Euro. Der Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, sprach am Donnerstag in Warschau von einem bis heute „enormen Schaden“. Für Warschau ist das die Grundlage für Verhandlungen über Reparationen. Solche lehnt Berlin freilich überhaupt ab.

Das Gutachten wurde zum 83. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges im Königsschloss der polnischen Hauptstadt vorgestellt. Es soll die Reparationsforderungen der polnischen Regierung an die Bundesrepublik untermauern.

„Die Deutschen sind in Polen eingefallen und haben uns enormen Schaden zugefügt. Die Besatzung war unglaublich verbrecherisch, unglaublich grausam und hatte Auswirkungen, die in vielen Fällen bis heute anhalten“, sagte Kaczynski, der als starker Mann der polnischen Politik gilt. Daher werde Warschau von Berlin Reparationen fordern.

„Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, nur weil es jemandem so vorkommt, als befände sich Polen in einer besonderen, radikal niedrigeren Position als andere Länder.“ Er sei sich bewusst, dass es zu den Reparationen ein „langer und schwieriger Weg“ sei.

Veröffentlichung des Gutachtens mehrmals verschoben

Die PiS-Regierung, die das Nachbarland seit 2015 führt, hat das Thema Entschädigungszahlungen immer wieder aufgebracht. Die PiS rief 2017 für das Gutachten eine Parlamentskommission ins Leben. Zudem gründete Polen ein Forschungsinstitut für Kriegsschäden. Der mehrfach angekündigte Bericht wurde nun an einem symbolischen Tag präsentiert: Am 1. September 1939 begann der deutsche Überfall auf Polen.

Mehr als 30 Fachleute

Das war auch der Beginn des Zweiten Weltkrieges mit mindestens 55 Millionen Toten – andere Schätzungen kommen sogar auf bis zu 80 Millionen. Genaue Zahlen gibt es nicht. Allein in Polen kamen nach Schätzungen bis zu sechs Millionen Menschen ums Leben. Nach Angaben von Arkadiusz Mularczyk, dem Leiter der Parlamentskommission, waren an dem Gutachten 30 Fachleute beteiligt, darunter Historikerinnen und Historiker, Wirtschafts- und Immobilienfachleute.

Der erste Band umfasst mehr als 500 Seiten und ist in neun Kapitel unterteilt – Berechnungen zu den polnischen Kriegsverlusten in den Bereichen Demografie, der wirtschaftlichen Bewertung der menschlichen Verluste sowie den materiellen Verlusten. Außerdem geht es um den Verlust von Kultur- und Kunstgütern sowie verschiedenen Arten von Finanzmitteln, Bankguthaben und Wertpapieren.

Berlin: „Position unverändert“

Die deutsche Regierung lehnt jegliche Reparationsforderungen ab. „Die Position der Bundesregierung ist unverändert. Die Reparationsfrage ist abgeschlossen“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Berlin. Polen habe schon 1953 auf weitere Reparationen verzichtet und diesen Verzicht mehrfach bestätigt. „Dies ist eine wesentliche Grundlage für die heutige Ordnung Europas. Deutschland steht politisch und moralisch zu seiner Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg“, sagte der Sprecher weiter.

Aus Sicht Deutschlands wurde diese Position zudem mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag über die außenpolitischen Aspekte der deutschen Einheit bestätigt. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag – ein Staatsvertrag zwischen der BRD und DDR einerseits und den Alliierten (USA, Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien) gilt als die endgültige Friedensregelung mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und markiert somit das Ende der Nachkriegszeit.