Viele warteten mit Blumen in den Händen vor dem Gebäude. Am frühen Nachmittag soll der frühere Staats- und Parteichef auf dem Moskauer Prominentenfriedhof am Neujungfrauenkloster in der Nähe des Stadtzentrums neben seiner Frau Raissa bestattet werden. Ein Staatsbegräbnis gibt es nicht – anders als nach dem Tod des Präsidenten Boris Jelzin (1931-2007).
Österreich ist bei den Trauerfeierlichkeiten für Gorbatschow durch den Geschäftsträger der österreichischen Botschaft in Moskau vertreten. Das werde so auch von vielen anderen EU-Mitgliedsstaaten gehandhabt, verlautete es aus dem Außenministerium auf Anfrage.
Orban in Moskau
Aus der EU kündigte nur der wegen seines Russland-Sonderweges in der Kritik stehende Viktor Orban sein Kommen an. Der rechtsnationale Premier Ungarns reiste am Samstag nach Moskau. Der als Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin bekannte Orban wurde von einer vierköpfigen Delegation begleitet. Ein Treffen der beiden Staatsmänner sei aber nicht geplant, hieß es im Kreml.
Orban wird von seinen Kritikern und Kritikerinnen eine zu starke Moskau-Nähe vorgeworfen. Unter anderem hat Ungarn als einziges EU-Land seit Beginn des Ukraine-Krieges den Gasbezug aus Russland erhöht. Sonst kamen keine führenden Politikerinnen und Politiker aus dem Westen zu dem Begräbnis. Hintergrund sind die Sanktionen wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.
Für viele ausländische Politiker und Politikerinnen wäre eine Teilnahme an dem Begräbnis ohnehin nicht möglich gewesen, weil sie von russischer Seite als Reaktion auf die westlichen Sanktionen mit Einreiseverboten belegt wurden. Gesperrt ist zudem der Luftraum in Russland für Flugzeuge aus „unfreundlichen EU-Staaten“. Deshalb werden vor allem ausländische Botschafter und Diplomaten von Gorbatschow Abschied nehmen.
Trauerfeier für Gorbatschow in Moskau
In der russischen Hauptstadt Moskau hat heute die Trauerfeier für den ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow begonnen. Hunderte Menschen versammelten sich beim Haus der Gewerkschaften in Sichtweite des Kreml. Gorbatschow war am Dienstag im Alter von 91 Jahren nach langer schwerer Krankheit gestorben. Am frühen Nachmittag soll der frühere Staats- und Parteichef auf dem Moskauer Prominentenfriedhof am Neujungfrauenkloster in der Nähe des Stadtzentrums neben seiner Frau Raissa bestattet werden.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan würdigte in einem Telefonat mit Putin am Samstag den verstorbenen Ex-Präsidenten Gorbatschow. Nach Angaben des Kreml verwies Erdogan in dem Gespräch auf dessen „bedeutende Rolle“ in Russlands jüngster Geschichte und in der Welt.
Nach schwerer Krankheit gestorben
Der Friedensnobelpreisträger war am Dienstag nach langer schwerer Krankheit im Alter von 91 Jahren gestorben. Ein Staatsbegräbnis gibt es anders als nach dem Tod des russischen Präsidenten Boris Jelzin (1931-2007) nicht. Die Trauerfeier begann um 9.00 Uhr MESZ. Der Leichnam Gorbatschows wurde zunächst für mehrere Stunden im Haus der Gewerkschaften in Sichtweite des Kreml aufgebahrt.
Traditionell wurden dort die Särge der Sowjetführer nach ihrem Tod aufgestellt. Die Trauernden konnten sich dann von Gorbatschow verabschieden. Danach soll er auf dem Moskauer Prominentenfriedhof am Neujungfrauenkloster bestattet werden – neben seiner Frau Raissa.
Putin wegen Terminproblemen nicht dabei
Russlands Präsident Wladimir Putin nahm nicht teil. Sein Sprecher Dmitri Peskow begründete das mit Terminproblemen. Putin hatte Gorbatschow an dessen Sarg am Donnerstag die letzte Ehre erwiesen. Gorbatschow kritisierte als Miteigentümer der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ unter anderem Beschränkungen der Pressefreiheit und andere autoritäre Machtzüge unter Putin. Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew zeigte sich jedoch bei den Trauerfeiern.
Gorbatschow galt als Wegbereiter für das Ende des Kalten Krieges und als einer der Väter der Deutschen Einheit. Unter seiner Führung schloss die Sowjetunion in den 1980er Jahren mit den USA wegweisende Verträge zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle. In seiner Heimat leitete er als Generalsekretär der Kommunistischen Partei mit seiner Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) einen beispiellosen Reformprozess ein.
Der politische Prozess führte letztlich zu einem Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums. Viele Politiker und Bürger Russlands sehen Gorbatschow deshalb als „Totengräber der Sowjetunion“, der Russland damals ins Chaos stürzte. Vor allem im Osten Deutschlands genoss „Gorbi“ wegen der Öffnung des kommunistischen Systems und des von Moskau damals zugelassenen Mauerfalls großes Ansehen. Sein Tod löste international Trauer aus.