Das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja
Reuters/Alexander Ermochenko
Saporischschja

AKW wieder von Netz getrennt

Das von russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk Saporischschja in der Südukraine ist erneut vom Netz genommen worden. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) teilte am Samstag mit, die Verbindung zwischen der letzten verbliebenen Hauptstromleitung des Kraftwerks und dem Versorgungsnetz sei unterbrochen worden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bot sich unterdessen als Vermittler im Konflikt um das AKW an.

Die IAEA sei am Samstag an Ort und Stelle darüber informiert worden, dass die Anlage weiter Strom über eine Reserveleitung liefere. „Ein Reaktor arbeitet noch und produziert Strom sowohl für die Kühlung als auch für andere wesentliche Sicherheitsfunktionen der Anlage und für Haushalte, Fabriken und andere“, hieß es in der IAEA-Mitteilung weiter.

Das seit März von Russland besetzte AKW Saporischschja sowie dessen Umgebung waren in den vergangenen Wochen immer wieder beschossen worden. Die Ukraine und Russland machen einander für die Angriffe verantwortlich. Bereits am 25. August war das AKW vorübergehend vollständig vom Stromnetz abgeschnitten worden – zum ersten Mal in der Geschichte des größten Atomkraftwerks von Europa.

IAEA Experten vor dem Kraftwerk
Reuters/IAEA/D. Candano Laris
Eine IAEA-Expertin analysiert an Ort und Stelle die Sicherheit des AKW

Experten nach wie vor in der Anlage

Laut der IAEA-Mitteilung verfügte das AKW ursprünglich über insgesamt vier Hauptstromleitungen. Drei davon seien schon „früher während des Konflikts“ abgeschnitten worden.

Die Kämpfe rund um das Kernkraftwerk schüren die Angst vor einer Atomkatastrophe wie 1986 in Tschernobyl. Am Donnerstag traf ein Expertenteam der IAEA im AKW Saporischschja ein. Das 14-köpfige Team soll die Sicherheit der Anlage überprüfen.

IAEA-Chef Rafael Grossi und einige andere Mitglieder des Teams reisten zwar bereits am Donnerstag wieder ab, sechs der internationalen Inspektoren blieben nach russischen Angaben jedoch in der Anlage. Zwei IAEA-Experten sollen demnach dauerhaft in dem AKW bleiben.

Anwesenheit der Experten „wie Tag und Nacht“

Die Anwesenheit der Experten ermöglicht nach eigener Darstellung der IAEA eine dramatisch bessere Einschätzung der Lage. „Der Unterschied zwischen der Anwesenheit der IAEA vor Ort und unserer Abwesenheit ist wie Tag und Nacht“, erklärte Grossi. So habe sein Team zu den jüngsten Entwicklungen bei der externen Stromversorgung „direkte, schnelle und verlässliche“ Informationen erhalten.

Größtes AKW Europas

Das AKW ist mit seinen sechs Blöcken und einer Nettoleistung von 5.700 Megawatt das größte Atomkraftwerk Europas. Vor der Ende Februar gestarteten russischen Invasion arbeiteten mehr als 10.000 Menschen in dem AKW.

„Wir haben bereits ein besseres Verständnis für die Funktion der Reservestromleitung bei der Anbindung der Anlage an das Netz.“ Grossi kündigt für Anfang der neuen Woche einen Bericht über die Lage in Saporischschja an.

Anhaltende Kämpfe

Doch die Kämpfe gingen nach dem Eintreffen der IAEA-Experten weiter. Das russische Verteidigungsministerium in Moskau beschuldigte am Samstag die ukrainische Armee, trotz der Anwesenheit der Experten das AKW zurückerobern zu wollen.

An der Aktion seien 250 Soldaten und „ausländische Söldner“ beteiligt gewesen. Die russische Armee will den Angriff abgewehrt haben. Das ukrainische Militär beschuldigte wiederum Russland, es habe in der Nacht auf Samstag Angriffe in Richtung Saporischschja vorgenommen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan
Reuters/Sputnik/Vyacheslav Prokofyev
Erdogan bot Putin an, dass Ankara die Rolle des Vermittlers im Streit um das AKW einnehmen könne

Türkei will vermitteln

Die Türkei brachte sich am Samstag im Streit um das Kraftwerk als Vermittler ins Gespräch. Das sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, wie Erdogans Büro mitteilte.

Ankara könnte „in der AKW-Frage von Saporischschja eine unterstützende Rolle spielen, wie es beim Getreideexport der Fall war“. Aus Moskau gab es dazu keine Reaktion. Die UNO und die Türkei hatten damals Vereinbarungen vermittelt, dass die Ukraine trotz des russischen Angriffskrieges wieder Getreide über ihre Schwarzmeer-Häfen ausführen darf.