enttäuschter chilenischer Bürger nach der Ablehnung des Referendums
AP/Cristobal Escobar
Chile

Verfassung mit großer Mehrheit abgelehnt

Das Ergebnis des Referendums in Chile ist eindeutig: Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler lehnte die Vorlage für die neue Verfassung ab. Die Ablehnung ist auch eine Niederlage für die Regierung.

Rund 62 Prozent der chilenischen Bevölkerung sprachen sich gegen das neue Grundgesetz aus, wie die Wahlbehörde Chiles nach Auszählung fast aller Stimmen am Sonntagabend (Ortszeit) mitteilte. Für die „Magna Charta“, die das südamerikanische Land grundlegend verändern würde, stimmten nur etwa 38 Prozent.

Mehr als 13 der insgesamt rund 15 Millionen Wahlberechtigten in Chile nahmen nach vorläufigen Daten der Wahlbehörde an der Volksabstimmung teil. Es galt eine Wahlpflicht. Jüngste Umfragen hatten darauf hingedeutet, dass der fortschrittliche Entwurf abgelehnt werden könnte. Die Deutlichkeit überraschte dann doch.

Der chilenische Präsident Gabriel Boric, dessen Regierung die Ablehnung einen schweren Schlag versetzt, erkannte den Erfolg der Gegner der neuen Verfassung an. „Das chilenische Volk war mit dem vom Verfassungskonvent vorgelegten Entwurf nicht zufrieden und hat daher beschlossen, ihn an den Urnen klar abzulehnen“, sagte Boric in einer Ansprache aus dem Präsidentenpalast.

Neue Gespräche starten

Wie es nun weitergeht, ob etwa ein komplett neuer Verfassungstext ausgearbeitet werden soll oder die erste Version überarbeitet wird, ist noch unklar. Auf jeden Fall hatte Boric vorgesorgt und bereits alle politischen Parteien eingeladen, am Montag die Weiterführung des verfassungsgebenden Prozesses zu analysieren, wie die chilenische Zeitung „La Tercera“ berichtete.

Eine verfassungsgebende Versammlung hatte den Entwurf ein Jahr lang ausgearbeitet. Unter anderem würde er das Recht auf Wohnraum, Gesundheit und Bildung garantieren. Zudem sollten künftig alle Staatsorgane zur Hälfte mit Frauen besetzt werden.

Chiles Präsident Gabriel Boric
AP/Esteban Felix
Gabriel Boric

Zum ersten Mal würde in dem Land mit seinen rund 19 Millionen Einwohnern das Selbstbestimmungsrecht der indigenen Gemeinschaften anerkannt. Zudem waren in dem Entwurf die Anerkennung der Rechte von Hausangestellten und Gewerkschaften, die Festigung der öffentlichen Bildungs-, Gesundheits- und Sozialversicherungssysteme sowie der Schutz der Umwelt und insbesondere des Wassers verankert.

In dem konservativen Land besonders umstritten: Die neue Verfassung würde ein Recht auf Abtreibung garantieren. Derzeit sind Schwangerschaftsabbrüche nur in wenigen Ausnahmefällen möglich.

Votum auch über Regierung

Die Ablehnung ist eine Niederlage für die Regierung von Ex-Studentenführer Boric, der im Dezember zum Präsidenten Chiles gewählt wurde. Er versprach unter anderem ein öffentliches Bildungs- und Gesundheitswesen nach dem Vorbild des europäischen Sozialstaats. So entwickelte sich die Abstimmung über den Entwurf auch zu einer Abstimmung über die Regierung. Diese gab etwa in der Sicherheitskrise wegen Brandanschlägen und Attacken radikaler Indigener vom Volk der Mapuche in einigen Regionen im Süden des Landes keine gute Figur ab.

Chile: Neue Verfassung abgelehnt

Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in Chile hat eine neu ausgearbeitete Verfassung klar abgelehnt. Jüngste Umfragen hatten darauf hingedeutet, dass der fortschrittliche Entwurf abgelehnt werden könnte – in dieser Deutlichkeit kam das Ergebnis aber überraschend.

Ein neues Grundgesetz war auch eine der von Boric unterstützten Hauptforderungen der Demonstranten, die Ende 2019 massenhaft auf die Straße gegangen waren. Vor zwei Jahren hatten fast 80 Prozent für die Ausarbeitung eines neuen Grundgesetzes gestimmt.

Die Unterstützung für die verfassungsgebende Versammlung nahm über die Monate allerdings ab. Unter anderem der Skandal um eine erfundene Krebserkrankung eines prominenten Delegierten trug dazu bei, dass das Vertrauen in den Verfassungskonvent schwand. Vielen ging dessen Entwurf für eine progressive, soziale und ökologische Verfassung wohl auch zu weit. Viele Interessengruppen hatten im Prozess mitgemischt und ihre Forderungen eingebracht.