Netrebko in Staatsoper: Demos draußen, Applaus drinnen

Innen hat es überwiegend demonstrative Unterstützung, draußen die Demonstration gegeben: Die Rückkehr der austrorussischen Starsopranistin Anna Netrebko auf die Bühne der Wiener Staatsoper nach den Diskussionen um ihre Haltung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sorgte gestern Abend für geteilte Reaktionen. Während das Publikum nach der Repertoire-„La Boheme“ ihren Star bis auf wenige Buhs feierte, hatte sich vor der Oper die ukrainische Diaspora versammelt.

Damit hat sich der Überraschungscoup von Staatsoperndirektor Bogdan Roscic ausgezahlt, der die ursprünglich vorgesehene „La Juive“ krankheitsbedingt absagen musste und stattdessen mit der Verpflichtung von Netrebko für die Mimi in der „Boheme“ zum Saisonauftakt eine Ansage machte. Diskussionen über Auslastungszahlen und coronavirusbedingte Skepsis beim Publikum sind schließlich vergessen, wenn Netrebko auf dem Spielzettel steht. Die drei Aufführungen der aus 1963 stammenden Zeffirelli-Inszenierung mit der 50-Jährigen sind ausverkauft. Und am Ende der Aufführung gab es für Netrebko tosenden Applaus für ein gelungenes Comeback.

Es handelte sich aber nicht um Netrebkos ersten Auftritt seit Russlands Angriff auf die Ukraine. Nachdem einige Opernhäuser Netrebkos Auftritte abgesagt hatten, trat sie unter anderem im Mai wieder in der Mailänder Scala und im Juli in Regensburg auf. Die umjubelten Konzerte waren ebenfalls von Kritik und Protesten begleitet.

Kritik an „Halbtönen“ einer Operndiva

Vor der Oper indes protestierten bereits vor der Vorführung etwa 40 Demonstrantinnen und Demonstranten für eine klare Positionierung der Sängerin zum Krieg gegen die Ukraine. Die überwiegend der ukrainischen Diaspora zuzurechnenden Demonstranten hatten Plakate mitgebracht, auf denen unter anderem an Treffen Netrebkos mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie mit dem prorussischen Separatisten Oleg Zarjow erinnert wurde.

Netrebko habe Putins Politik ganz klar gestützt, sie habe vom Kreml finanzierte Donezker Terroristen unterstützt und auch die Kriegspolitik sowie Besetzung der Krim, rief Organisator Mychajlo Karioti ins Megafon. „Nach ein paar abgesagten Konzerten erklärte sie, gegen den Krieg zu sein. Leider hat sie aber nicht klar gesagt, gegen welchen Krieg sie ist, wer ihn angefangen hat und wer Zivilisten tötet“, kritisierte er „Halbtöne“ der Operndiva.